SIM-Racing: Sport für Chips fressende Cola-Monster?

Zugegeben: Das ist nicht mir als Titel eingefallen, sondern ist mir – als passend empfunden –  von einem Leser zugeflüstert worden, weil das so seinen Vorstellungen entspricht! - Jetzt wird man beim DMSB aufschreien! Schließlich ist man dort „Feuer & Flamme“ für den E-Sport. - Wenn nur ein „E“ davor steht, muss es gut sein. - Die Formel E ist schließlich auch ein Erfolg! - Fragt sich nur für wen? - Aber beginnt nicht auch der Begriff „Euro“ mit „E“? - Der DMSB verspricht sich schon einen Erfolg. Einen finanziellen. - Und er wird auch andere daran beteiligen wollen. Denn: Gemeinsam sind wir stark! (Auch beim Kassieren!) Aber im aktuellen Leben ist es wie überall: Viele sprechen mit, haben eine Meinung, aber z.T. wenig Ahnung. - Motor-KRITIK hat  gegensätzliche Meinungen gesammelt und stellt sie – unter dem obigen provokativen Titel – einmal in folgender Geschichte vor. - Zur Unterstützung meiner Leser bei der eigenen Meinungsbildung. - Da hat der DMSB z.B. aktuell eine AG – eine Arbeitsgemeinschaft – gebildet, die sich mit SIM-Racing als „realer Motorsport“ beschäftigen und den Weg zur Umsetzung einer Kontrolle  durch den DMSB aufzeigen soll. Der DOSB, der Deutsche Olympische Sport-Bund, hat sich auch zum Thema E-Sport eine Meinung gebildet. Das ist die Organisation, deren Mitglied der DMSB nach intensivem Bemühen um eine Mitgliedschaft als einer von 101 Mitgliedsorganisationen seit einiger Zeit ist. Da sollte man dessen Meinung zu diesem Thema schon ernst nehmen. - Beim DMSB hätte man am 14. November 2018 eigentlich  wissen sollen, was der DOSB schon am 29. Oktober 2018 als die Positionierung von Vorstand und Präsidium (!) verabschiedet hat. - Natürlich kann der DMSB in die Waagschale werfen, dass ein Mitglied seiner neu gebildeten AG (Arbeitsgemeinschaft) nicht nur fünffacher Le Mans-Sieger, sondern einer der wirklichen Experten für den E-Sport überhaupt ist: Er raucht inzwischen sogar E-Zigaretten!

SIM-Racing: Sport für Chips fressende Cola-Monster?

Wer diese Vorstellung mit SIM-Racing verbindet, liegt falsch. Ich habe bei meiner Beobachtung von SIM-Racing-Wettbewerben nur schlanke, sportliche junge Leute kennen gelernt, die „cool“ drauf sind und ihren Sport „geil“ finden. „E-Sport“ ist auch gefahrlos und unterscheidet sich schon dadurch vom realen Motorsport.

  • Wichtig: Als E-Sportler verlernt man Angst zu haben – ein im realen Motorsport evtl. lebensrettendes Gefühl!

Dagegen kann E-Zigaretten rauchen – wie das Rauchen überhaupt - nicht nur tödlich sein, sondern auch zu erheblichen Gesichtsverletzungen führen, wenn so eine E-Zigarette – wie das vor Kurzem passiert ist – explodiert. Und ein E-Auto zu besitzen, heißt noch nicht, dass man alle einfachen Arbeiten am E-Automobil selber durchführen darf. - Selbst ein Radwechsel ist dem Besitzer – ohne entsprechende Ausbildung – nicht erlaubt!

Aber davon spricht niemand. Auch nicht, was z.B. im Falle eines Unfalles mit einem E-Automobil passiert. Bei den Feuerwehren im Land ist man vorgewarnt. Die Testfahrer der Prototypen, die auch am Nürburgring unterwegs sind, mussten an Sonderlehrgängen teilnehmen, bevor sie die  E-Prototypen überhaupt testen durften. - Aber das ist eigentlich – heute in dieser Geschichte – nur ein Randthema.

Hier geht es auch nicht um den E-Sport mit Formelwagen, der sich in diesem Jahr sogar so weiter entwickelt hat, dass man während eines Rennens nicht mehr das Fahrzeug wechseln muss. Dafür sind dann die Rennen kürzer. - Aber alle Automobilhersteller die sich als wichtig empfinden, müssen dort schon aus Marketinggründen vertreten sein. - Glaubt das Marketing. - Alles mit „E“ lässt sich eben derzeit gut in der Öffentlichkeit verkaufen, hat so einen hochmodernen Touch mit digitalem Anklang.

Beim Formel E-Sport wird in 2019 dem Fernsehzuschauer sogar „virtuell“ eingeblendet werden, wenn der E-Rennfahrer mit seinem Formel E kurzzeitig den „Attacke Mode“, eine kurzzeitige, kräftige Leistungssteigerung nutzt. Dieses „Feature“ soll die E-Rennen „chaotischer und spannender“ machen. - Sagt die Veranstalter-Organisation.

Als wenn „normale“ Rennen – z.B. am Nürburgring - mit Boxenmindeststandzeiten, BoP, partiziellen Geschwindigkeitsbegrenzungen, speziellen Flaggenregelungen und – evtl. - Safety-Car nicht schon chaotisch genug wären.

Wenn man die „Zeichen der Zeit“ vor einiger Zeit richtig erkannt hatte, konnte man mit dieser Idee zu Formel E-Rennen bisher schon ein Vermögen machen. - Oder auch etwas später noch um ein eigenes Flugzeug bedeutungsvoller werden.

Aber im Moment steht diese Formel E schon wieder ein wenig im Schatten einer neueren Entwicklung, die sich zu Recht mit „E-Sport“ bezeichnet, aber relativ wenig mit dem zu tun hat, was man in der realen Welt seit Jahrzehnten als Motorsport kennt.

  • Wobei man auch oft aneinander deshalb vorbei redet, weil die Diskutierenden eigentlich gar nicht wissen, wovon sie sprechen.

Die einen sprechen von „E-Sport“ und meinen „Gaming“, die anderen sprechen von „Gaming“ und meinen „SIM-Racing“, den der DMSB dann z.B. als „realen Motorsport“ empfindet. - Wer hat da überhaupt Ahnung?

Der hessische Innenminister, Peter Beuth, hat sich Ende letzten Monats auf einer Tagung eines Turn- und Sportkongresses in Darmstadt zur Überraschung aller Teilnehmer zu dem Thema – wie er meint – eindeutig geäußert:

„Wir sind herausgefordert durch ein offenbar neues Sportverständnis. Ist diese Daddelei vor dem Fernseher am Ende auch Sport?" - „Gaming hat seinen Wert. Aber es gehört nicht in eine Sportorganisation als solche hinein.“

Wer ihm zuhörte, musste den Eindruck haben, dass er einige Unterschiede beim Thema „E-Sport“ noch nicht begriffen hat. Denn er sagte u.a.:

"E-Sport hat mit Sport nichts zu tun. Wir müssen diesen Begriff ausradieren. Auf diesem Kongress geht es um Bildung und Gesundheit. Wir wollen die Kinder in die Turnhalle und auf den Sportplatz kriegen.“

Dem Leiter des Darmstädter Sportamtes ist dazu dann eingefallen:

„Man muss E-Sport als Teil des Digitalisierungsprozesses unserer Gesellschaft betrachten, der eben auch im Sport angekommen ist."

Beim DMSB wird man über diese Diskussion in Darmstadt lächeln, da man scheinbar eine andere Ebene des „E-Sports“ im Auge hat. Das Präsidium des DMSB hatte z.B. am 4. Oktober 2018 festgestellt:

„Die Darstellung der Rennstrecken und die Einstellungsmöglichkeiten der Fahrzeuge sind so realistisch, dass viele Motorsportler SimRacing längst als Trainingsmöglichkeit und zur Vorbereitung etwa auf unbekannte Rennstrecken nutzen. Nun wollen wir den nächsten Schritt machen, indem wir SimRacing als vollwertige Motorsport-Disziplin anerkennen und damit den Einstieg in den Motorsport auch für jüngere Menschen erleichtern.“

Man muss sich allerdings fragen, wodurch mit der Anerkennung von SIM-Racing als „vollwertige Motorsport-Disziplin“ jungen Menschen der Einsteig in den Motorsport erleichtert wird?

Ich habe mich mit Rennfahrern unterhalten, die sowohl sehr schnell auf der Nordschleife des Nürburgrings unterwegs sind, aber auch – noch schneller – die Nordschleife beim SIM-Racing umkreisen:

„Ich würde niemals bei einem realen Rennen auf der Nordschleife die Risiken eingehen, die ich – ohne Schaden zu nehmen – aber beim SIM-Racing eingehen kann, eingehen muss, wenn ich auch hier erfolgreich sein will.“

Natürlich wird SIM-Racing von wirklichen Rennfahrern als gute Möglichkeit empfunden, eine bisher fremde Strecke vor dem ersten realen Befahren schon mal kennen zu lernen. Wobei man dann schnell bei den Preisen ist, die es jungen Menschen leicht machen soll, den Einstieg in den  Motorsport zu finden.

Für eine „ordentliche Konsole“ muss man wenigstens um 25.000 Euro auf den Tisch legen!

Wobei auch da z.B. das Gefühl beim Bremsen, verglichen mit dem in der Realität, noch um Welten auseinander klafft. - Je länger man mit erfahrenen Leuten über dieses Thema spricht, desto klarer wird, dass zwischen SIM-Racing und realem Motorsport zur Zeit immer „noch Welten liegen".

Ein international erfahrener Langstreckenpilot erzählt mir z.B.:

„Ich kenne einen neunjährigen Jungen. Der fährt gerne auf der Konsole die Nordschleife mit einem Audi R8 LMS. Die Umrundung schafft der souverän in 7:30 min. Dabei guckt der dich noch an, wenn du daneben stehst und spricht mit dir. - Aber würdest du es bei dieser „Vorbildung“ des Jungen für verantwortbar halten, den Jungen in  der Realität einen Audi R8 LMS selbst um die Nürburgring-Nordschleife fahren zu lassen?“

Dieses Beispiel ist eigentlich das verständlichste, sagt etwas über den realen Wert von SIM-Racing im Motorsport aus. - Beim DMSB sieht man das sicherlich anders.

Dort hat das verantwortliche Präsidium inzwischen die „AG SIM-Racing“ vorgestellt. In „Vorstart“, Ausgabe 11/2018, einem Informationsblatt des DMSB, ist u.a. die falsche Darstellung zu lesen:

„Ende Oktober hat der DMSB SimRacing als neue Motorsport-Disziplin anerkannt.“

Richtig gewesen, wenn dort gestanden hätte: Anfang Oktober…. - Es war nämlich der 4. Oktober 2018.

Der DMSB informiert dann in „Vorstart“ weiter – hoffentlich richtig - wie folgt:

„In die AG SimRacing wurden fünf Personen berufen, die sich künftig damit auseinandersetzen werden, wie für die digitale Variante des Motorsports neue Strukturen geschaffen und wie Regelwerke erarbeitet werden können.

Neben dem Profirennfahrer und passionierten SimRacer Jan Seyffarth gehören Gunnar Miesen (Organisationsleiter ADAC Digital Cup) und Stefanie Lugner, die bereits ihre Erfahrungen als DMSB-Sportkommissarin bei FIA-E-Sport-Events eingebracht hat, dem Gremium an. Des Weiteren komplettieren mit Marc Fätkenheuer (Vorstandsmitglied des Virtual Racing e.V.) und Manuel Wendel (SimRacing-Kommentator) zwei weitere ausgewiesene SimRacing-Experten die neue Arbeitsgruppe des DMSB.

Auf der konstituierenden Sitzung der AG SimRacing wählten die Mitglieder Jan Seyffarth zu ihrem Vorsitzenden. Zudem werden Marc Hennerici, der kürzlich als DMSB-Vertreter in die FIA-Arbeitsgruppe für E-Motorsport berufen wurde, sowie der fünfmalige Le-Mans-Sieger Frank Biela, der sich seit mehreren Jahren bei einem SimRacing-Team engagiert, als Experten fungieren.“

Man kann sicher sein, dass diese „AG“ das Geschäft des DMSB beleben wird. Das Geschäft mit einer neuen Art von Lizenzen wird aufleben. Für Fahrer, Veranstalter, für „Prädikats“-Rennen oder gar „Deutsche Meisterschaften“.

Der DOSB, der Deutsche Olympische Sport-Bund, dem der DMSB auch angehört, hat am 29. Oktober 2018 eine „Positionierung von DOSB-Präsidium und Vorstand“ zum

„Umgang mit elektronischen Sportartensimulationen, eGaming und ‚eSport‘“

vorgenommen. Motor-KRITIK-Leser finden den Inhalt als 5-seitige pdf-Datei wie gewohnt im Anhang zu dieser Geschichte, so dass ich mich hier auf die Wiedergabe des Schluss-Satzes der Erklärung beschränken möchte:

„Der DOSB sieht aktuell keinen Anlass, die Abgabenordnung zu ändern und mit eGaming/‘eSport‘ einen Bereich aufzunehmen, der vor allem kommerziellen Verwertungsinteressen folgt.“

MK/Wilhelm Hahne
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