Ist der Motorsport zum Geschäft verkommen?

In den letzten Monaten habe ich mich immer wieder mit Details aus aktuellen Abläufen in Motorsport-Serien beschäftigt. Die Beurteilung einer Situation wird bestimmt von der Ausgangsbasis der Betrachtung. Dabei bin ich mir durchaus darüber im Klaren, dass wir im Jahr 2018 leben und die Zeit einer innigen, emotionsgeladenen Verbindung eines Sportlers zu diesem Sport, längst einer vom Geld und zielsicher entwickelten Marketing-Strategien bestimmten Entwicklung eines „sinnfreien Tuns“ hin zu einem effektorientierten Handeln verändert hat, das den „Sport“ zu einem „Instrument“ der Industrie zur Profilierung von Marken und Modellen gemacht hat. Der Spaß mancher Sportler, der immer noch dabei als Nebeneffekt entsteht, trägt mit dazu bei, die wahren Hintergründe für so manche Entscheidung, die dann auch in den Ausschreibungen zu Serien und Einzel-Topp-Veranstaltungen zu finden sind, zu verschleiern. Zur Zeit gibt es unkluge, geradezu dumme öffentliche Auseinandersetzungen zwischen Veranstaltern und Teilnehmern, die aber – wenn man die Positionen der Anklagenden und Widersprechenden nüchtern betrachtet, erst das aktuelle Desaster des Motorsports deutlich machen. - Ich möchte heute mal mit dem Finger auf scheinbar unauffällig Passagen in Ausschreibungen oder nette Formulierungen in Informationen hinweisen, die sonst gerne überlesen werden. - Weil unwichtig? - Nein! - Weil unbeachtet und nicht in einen Zusammenhang gesetzt! - Oder weil sie garnicht gelesen werden! - Oder nicht begriffen! - Sie sind eigentlich der Beweis:

Der Motorsport ist zum Geschäft verkommen!

Der Fisch stinkt vom Kopf her. - Was man in anderem Zusammenhang derart anprangert, könnte man auch im Fall des Motorsports in Deutschland tun. Denn der „Dirigent“ des Motorsports ist ein eingetragener Verein, der sich eigentlich in den letzten Jahren mehr und mehr im Hinblick auf eine positive Entwicklung des Motorsports in Deutschland disqualifiziert hat.

Das durch seine Einstellung, sein Verhalten, seine Entscheidungen, seine Persönlichkeiten.

Gibt es eigentlich eine Sparte des Motorsports, die unter den Entscheidungen dieser „Behörde“, die den Namen DMSB trägt, nicht leidet?

Ein anderer, internationaler Verein, ein mächtiger, großer, drückt diesem kleinen Verein den Stempel auf. Da gibt es zwar an der Spitze – um „draußen“ Beifall zu ernten – einen motorsporterfahrenen Präsidenten, der aber – öfter als es dem Verein gut tut – nicht „vor Ort“ ist.

Man darf aber sicher sein, dass dieser Präsident bei allen Präsidiumssitzungen gut vertreten ist. Durch einen Ex-Präsidenten, der zufällig der Sport-Präsident des ADAC, des größten Vereinsmitglieds dieses kleinen e.V. ist. - Wer wollte gegen die richtungsweisenden Vorschläge und auch mal korrigierenden Anmerkungen dieses Ex-Präsidenten protestieren?

Inzwischen steckt der deutsche Motorsport fest in der Klammer des DMSB. Und kaum einer leistet Widerstand. Auch bei den unverständlichsten Entscheidungen dieser nationalen Sportbehörde, die sich als allein für den Motorsport in Deutschland als verantwortlich darstellt. - Getragen von dem Willen der internationalen Sportbehörde, der FIA.

Aber die akzeptiert z.B. nicht die „Vorschrift“ des DMSB, ihrer nationalen Tochter, dass ein Fahrer, der ein Rennen auf der Nordschleife des Nürburgrings fährt, ein „DNP“, ein DMSB-Nordschleifen-Permit der Stufen A, B oder C besitzen muss. - Wenn auf dem Nürburgring, der Nordschleife, eine FIA-Veranstaltung stattfindet, dann können dort die Fahrer auch ohne ein „DMSB-Permit“ ein Rennen fahren. - Die FIA erkennt die „nationale Lösung“ des DMSB nicht an!

Ein Beispiel aus der vor uns liegenden Saison 2019: Die FIA hat bestätigt, dass die „Topklasse des internationalen Tourenwagensports“, die WTCR, ihren fünften von 10 Läufen, zum Termin des 24h-Rennens auf der Nürburgring-Nordschleife austragen wird. - Was nicht vermeldet wird: Die Fahrer dieser FIA-WM-Serie benötigen das DMSB-Nordschleifen-Permit nicht! - Wenn es einige Fahrer besitzen, dann nicht, um damit einer Vorschrift der FIA zu entsprechen.

Aber  alle Fahrer in Rennen, die vom DMSB genehmigt werden, wie z.B. die der VLN und auch des 24h-Rennens, die „buckeln“ vor den Entscheidungen des nationalen Kontrolleurs, der lt. einer vorliegenden gutachterlichen Bewertung gar nicht berechtigt war – und ist – für die Nürburgring-Nordschleife eine Zusatz-Lizenz vorzuschreiben.

Man akzeptiert auch – einschl. der ILN, der Interessenvertretung Langstreckenrennen Nordschleife – eine Flaggenreglementierung durch den DMSB, die zumindest die Basis für eine „lustige“ Weihnachtskarte schafft, die mich gerade in diesen Tagen erreichte:

Dass sich die Organisatoren „der größten Breitensportserie der Welt“, wie sie es selber empfinden, so eine unsinnige Regelung von Theoretikern einfach hinnehmen, spricht nicht für die Qualität des VLN-Managements. - Wobei sich das inzwischen auf zwei Firmen mit unterschiedlicher Ausrichtung verteilt. Beide sind sich nur einig in der gemeinsamen Ausrichtung ihrer Firmen auf Gewinn-Maximierung!

Über die Jahre ist auch eine gewisse Abhängigkeit vom 24h-Rennen entstanden, weil dessen Bedeutung aus Sicht der Marketingabteilungen der Industrie immer größer geworden ist. So macht die VLN eigentlich allen Blödsinn mit, wie er sich z.B. durch die Art und Anzahl der beim 24h-Rennen gewerteten Klassen ergibt.

Aber seit ein paar Jahren haben sich die Spannungen zwischen dem Veranstalter des 24h-Rennens und derer, die die Umsetzung der VLN-Rennen verantworten, verschärft. Der ADAC Nordrhein in Köln – nicht zu verwechseln mit dem Gesamtklub ADAC in München - stand 2016 kurz vor der Möglichkeit, sich die VLN-Serie „unter den Nagel zu reißen“. Wäre bis zum 24h-Rennen 2016 kein Vertrag zwischen den neuen Betreibern des Nürburgrings under der VLN-Organisation zustande gekommen, hätte der Betreiber ab diesem Termin mit dem ADAC Nordrhein alleine weiter verhandelt.

Sozusagen in letzter Minute, am 26. Mai 2016, konnte die VLN die Weichen in ihre Richtung stellen, kam es zu der Vertragsunterzeichnung zwischen der VLN und den neuen Nürburgring-Betreibern.

Was den ADAC Nordrhein aber nicht daran hindert, immer wieder „kleine Pfeile“ in Richtung VLN zu schießen, was aber primär nicht dieser Organisation, sondern dem Motorsport insgesamt schadet.

So war es sicherlich kein Zufall, dass der ADAC Nordrhein schon im Herbst 2018 – zehn Monate vor dem Rennen - ankündigte, dass GT4-Fahrzeuge beim 24h-Rennen 2019 nicht nur Nutzung von Einheitsreifen gezwungen sein würden. Bei der VLN war man zu dieser Zeit noch auf Einheitsreifen unterwegs. - Für 2019 sind bei VLN-Rennen der GT4-Fahrzeuge aber nun auch keine mehr vorgeschrieben.

Damit entspricht man nicht nur dem Wunsch der Teilnehmer, sondern besonders auch der Industrie. Was blieb der VLN da anderes übrig, als auch „nachzuziehen“?

Was bisher nirgendwo erwähnt wurde: Der Kleinkrieg zwischen ADAC Nordrhein und VLN geht weiter!

In der „vorläufigen“ VLN-Ausschreibung für 2019 findet das 24h-Rennen natürlich Erwähnung. Aber noch mit „Zurich“ als Titelsponsor. So wird deutlich, wie eng die Organisatoren der wichtigen Rennen auf – und für – die Nürburgring-Nordschleife zusammen arbeiten!

Motor-KRITIK möchte noch auf eine weitere „kleine Differenz“ aufmerksam machen, die auf eine entsprechende „Zusammenarbeit“ schließen lässt. Das ist der „kleine Unterschied“, von der die Klasse „TCR“ in 2019 betroffen ist. Bei der VLN hat man nicht nur zur Essener Motor-Show 2018 die „vorläufige“ 2019er Ausschreibung veröffentlicht, sondern auch bekannt gemacht:

„Dunlop rüstet bis 2021 alle Fahrzeuge der TCR-Klasse bei den Läufen zur VLN Langstreckenmeisterschaft Nürburgring auf der Nordschleife mit Rennreifen aus.“

Da scheint des dann auch normal, wenn in der „vorläufigen“ VLN-Ausschreibung für 2019 vorgeschrieben ist, dass für die Fahrzeuge der KlasseTCR zusätzlich:

„4 Aufkleber „DUNLOP“-Logo, gelb-schwarz, Breite n.n. cm x Höhe n.n. cm, auf den vorderen und auf den hinteren Stoßfängern, jeweils rechts und links im oberen Bereich der Stoßfänger“

vorgeschrieben ist. Darüber hinaus ist dort zu lesen, dass für die Bewerber / Fahrer / Teilnehmer der Klasse TCR zusätzlich:

„Aufnäher „DUNLOP“-Logo, gelb-schwarz Größe: Breite n.n. cm x Höhe n.n. cm Position: im Brustbereich rechts, unterhalb des rechten Schlüsselbeins“

auf dem Rennanzug angebracht werden müssen. - Die Teilnehmer an VLN-Rennen werden nicht klagen, da sie DUNLOP – soweit ich da ehrliche Meinungen sammeln konnte – sicherlich als einen besseren Einheitsreifen empfinden werden, als die Marke, deren Regenreifen sogar als ausgesprochen schlecht empfunden wurden. - Motor-KRITIK hatte das in der Vergangenheit derTCR-Rennen bei der VLN auch schon – auch mit Foto – verdeutlicht.

Und jetzt werfen wir mal einen Blick in die vom DMSB genehmigte Ausschreibung für das 47. ADAC TOTAL 24h-Rennen in 2019. Dort ist u.a. unter „Art. 4 Technische Bestimmungen der Klasse TCR“ zu lesen:

Art. 4.3 Reifenbestimmungen
Durch den Veranstalter wurde mit dem Reifenhersteller Hankook der Reifenlieferant für die Klasse TCR festgelegt. Es dürfen demnach zu jeder Zeit der Veranstaltung nur entsprechend gekennzeichnete Einheitsreifen der Firma Hankook verwendet werden.“

Nein, ich werde das jetzt nicht ausführlich kommentieren, weil diese Informationen ausreichen sollten, jedem Leser eine objektive Meinungsbildung zu ermöglichen.

Dazu aber noch folgende Anmerkung:

  • Einheitsreifen sind nicht dazu da – wie gerne von den „Machern“ erzählt wird, „den Wettbewerb noch fairer“ zu machen, sondern sie bescheren dem jeweiligen Veranstalter oder Organisation Zusatzeinnahmen in nicht unbeträchtlicher Höhe.

So entwickelt sich der Sport nicht nur weiter in Richtung Geschäft, sondern im Fall ADAC Nordrhein ./. VLN wird der Kleinkrieg in den nächsten Jahren weiter gehen. Es wird zwar demnächst – wie zu hören - der 1. Vorsitzende des ADAC Nordrhein ausgetauscht werden, dass wird aber an den kleinen Differenzen zwischen zwei wichtigen Veranstaltergruppen am Nürburgring wenig ändern.

Vielleicht weiß man beim ADAC Nordrhein auch nicht: Der aktuelle Betreiber des Nürburgrings ist durch die 2016 abgeschlossenen Verträge bis nach 2030 (!) an seinen Partner VLN gebunden. Daran ändert auch ein „Kleinkrieg“ - wie oben beschrieben – nichts. Man schadet nur dem Ansehen des Motorsports.

Wobei nicht alle kleinen „Nicklichkeiten“ öffentlich werden. - In diesem Fall fühlte sich Motor-KRITIK aber verpflichtet, mal darauf hinzuweisen, in welche Situation engagierte Motorsportler durch profilierungssüchtige und profitorientierte Funktionäre gebracht werden können.

MK/Wilhelm Hahne
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