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Die Frage habe ich mir stellen müssen, nachdem ich feststellte, dass bei bestimmten Veranstaltungen die Klassenflut zunimmt. Viele Klassen, wenig Starter. - Warum? - Nur wegen der dann eher möglichen Pokale? - Offenbar muss man heute Erfolge nachweisen, dass man mit dem was man tut auch erfolgreich ist. Die Gedanken habe ich mir vor Jahrzehnten nicht gemacht. Ich bin Rennen gefahren, so wie ich sie mir leisten konnte, weil ich meinen Spaß im Motorsport hatte. Da habe ich mir z.B. zusammen mit meinem Schwager einen gebrauchten Liedl-Puch gekauft, um Bergrennen zu fahren. Weil es zu teuer war, den Puch bei vielen Bergrennen zu nutzen, haben wir uns beim Rennen fahren abgewechselt. Mal der, mal der. - Wir haben viel Spaß gehabt und viel gelernt. - Weil ich nicht verstand, warum man mit einem Puch keine Rundstreckenrennen fuhr, habe ich das bei einem Flugplatzrennen in Mainz-Finthen ausprobiert. Ich brachte den einzigen Puch an den Start. Um mich herum gut 30 BMW 700. - Ich bin auf Platz 7 eingelaufen und hatte eine Menge dazu gelernt. - Spaß haben und lernen! - Darum bin ich über Jahrzehnte alles gefahren was mir wichtig war. - Ich habe dabei auch das Aufblühen neuer Serien erlebt, während andere „eingegangen“ sind. Ich war dabei, habe „Geburt und Sterben“ sozusagen mit erlebt und kenne darum so manche Zusammenhänge, die auch in dicken Büchern über diese Serien nicht zu finden sind. Und – so nebenbei - habe ich dabei Pokale gesammelt, die ich im Büro, in Plastikhüllen im Keller und sonst wo untergebracht habe. - Die neue Einstellung einer neuen Rennfahrer-Generation hat mich angeregt, jetzt mal darüber nachzudenken:
Bin ich Rennen gefahren um Pokale zu sammeln?
Nein, bestimmt nicht! - Aber ich habe nicht nur viel über die Technik von Automobilen dazu gelernt, sondern auch über Menschen. Mit einem Sturzhelm auf dem Kopf haben die schon mal ihren Charakter verändert.
In der vorletzten Runde habe ich bei einem VLN-Rennen „in der guten alten Zeit“ einen Konkurrenten bewusst vorbei gelassen. Nicht nur, weil das Hinterherfahren weniger anstrengend ist, sondern weil ich aus den Runden vorher wusste, dass wir etwa im Top-Speed gleich schnell waren. Also würde ich in der letzten Runde aus dem Windschatten auf der „Döttinger Höhe“… - Doch dann ist mein Konkurrent dort praktisch Schlangenlinien gefahren. Immer da, wo ich gerade vorbei wollte, hat der „zu gemacht“.
Ich habe ihn gewinnen lassen und verständnislos den Kopf geschüttelt. Wie kann man „so krank im Kopf sein“? Das habe ich mich auch gefragt, als ein zu überrundender Konkurrent bei einem 24h-Rennen in Spa auf der langen Geraden nach der „Eau Rouge“ mich, der ich aus dem Windschatten heraus überholen – ihn überrunden (!) - wollte, nach rechts ins Grüne abgedrängt hat. - Im Straßenanzug ein netter, normaler Mensch und Unternehmer; im Rennanzug mit Sturzhelm ein ganz anderer. - Brutal und rücksichtslos! - Davon habe ich übrigens noch mehr kennen gelernt!
Im ersten VLN-Jahr, 1977, habe ich zunächst einen Golf GTI gefahren. Zusammen mit Walter Piel. Das war damals ein reines Tourenwagenrennen mit 108 Startern, bei dem Walter und ich dann nicht nur einen Klassensieg einfuhren, sondern auch Fünfter im Gesamtklassement wurden. - Ich war beim Start dieser Serie dabei und erfahre in diesen Jahren durch einen Streckensprecher, der zu der Zeit wahrscheinlich mehr im Kinderwagen saß, wie man die VLN von damals sehen muss:
„‘Früher war alles besser’ gilt also nicht. Auf der Strecke nicht, und erst recht nicht für die Fans. Sicherlich war es etwas Besonderes, einen Olaf Manthey im Ford Escort RS 2000 oder Wolfgang Offermann im Opel Ascona 400 im Drift zu erleben; die weniger ausgereiften Fahrwerke von damals sorgten halt für eine deutlich spektakulärere Fahrweise. Seinerzeit war es für die Fans aber auch so, dass sie bis dienstags warten mussten, um in „MOTORSPORT aktuell“ nachzulesen, wer das Rennen gewonnen hatte.“
Der muss es wissen! - Ich kenne nicht nur „das Damals“, sondern auch „das Heute“! In der Zeit direkt vor „Corona“, haben die Besucher eines Rennen z.T. erst Tage nach ihrem Besuch bei einem VLN-Lauf erfahren können, wie das Rennen denn „offiziell“ beendet wurde. Was sie „live“ gesehen und erlebt hatten, war nur das unkorrigierte, „vorläufige“ Ergebnis. - Der Motorsport wurde inzwischen „modernisiert“, muss darum auch „verkauft werden“!. - Durch erfahrene Streckensprecher zum Beispiel!
„Damals“ ging es mit den Starterzahlen noch bergauf! Aber auch zwei Jahre später – 1979 - konnte man mit einem Gruppe 1-Tourenwagen immer noch unter die ersten Zehn im Gesamt fahren. Was wir dann auch getan haben. - Und immer gab’s Pokale, die aber für Walter Piel und mich nicht so wichtig waren. - Wichtig war, dass wir uns richtig vorbereiteten, unser Auto im Griff und beim Fahren viel Spaß hatten. - Walter brauchte dazu auch immer ein Kaugummi im Mund! - Heute braucht man elektronische Hilfen!
Bei den 10 VLN-Rennen des Jahres 1993 war ich mit einem Opel-Astra am Ende des Jahres in der Gesamtwertung z.B. siebter. - Aber das war nicht so wichtig, wie der Spaß, den wir im Team beim Fahren – und wenn es gut ging – auch am Ergebnis hatten. Und den Spaß im Kontakt mit unseren Fahrer-Kollegen. - Da sind Freundschaften entstanden, die bis heute halten! - Und ich bin stolz darauf, auch viele der Helfer und Monteure „von damals“ noch heute zu meinen Freunden zählen zu können. - Wir waren nicht nur der Bezeichnung nach ein Team!
- Aber so ist auch meine Einstellung zum modernen Motorsport eine andere!
Was ist das für eine moderne Formel 1, die ausschließlich vom Marketing beherrscht scheint, wo man im Rennen pro Runde und Strecken-Kilometer um eine Sekunde langsamer fährt als im Qualifying? - Wo dann – wie gerade aktuell in Österreich passiert – Stunden nach dem Rennen „Strafsekunden“ verteilt werden, die dann das Klassement verändern!
Ich habe den Niedergang des 1000-Kilometer-Rennens am Nürburgring mitbekommen, erlebe gerade mit, wie man das 24h-Rennen tot modernisiert, die VLN-Serie zerstört, nachdem man sie zur NLS gemacht hat! - Wird es in ein paar Jahren den Motorsport überhaupt noch geben? - Aus „Klimagründen“ vielleicht eingestellt? -
Dass sich das Klima auf dieser Erde schon seit Millionen Jahren in langen Wellen hin von „kalt zu heiß“ – und zurück - verändert, scheint keiner bemerkt zu haben! - Obwohl natürlich die krankhafte Entwicklung unserer Gesellschaft – auch im Denken! - sicherlich zu einer Verschärfung der Klima-Veränderung beiträgt! - Da genügt es nicht „Grün“ zu wählen, sondern es muss sich jeder vernünftig und verantwortungsbewusst im Alltag verhalten!
Bleiben wir mal bei der Vergangenheit:
Ich habe z.B. viele Bergrennen gefahren, habe dort viele nette Leute kennen gelernt. Nach dem ersten Lauf hatte man als Fahrer in einer kleinen Hubraum-Klasse viel Zeit, bevor wir alle nach unten zum Start geschlossen zurück geführt wurden. Da gab es Zeit zum Plaudern. Wir waren zwar beim Rennen Konkurrenten, aber davor und danach waren wir Freunde. Wir haben uns zum Rennen in den gleichen Hotels verabredet und selbstverständlich waren wir bis zum Schluss auf jeder Siegerehrung dabei. - Selbst wenn es zum Sieg nicht gereicht hatte. - Wir hatten Spaß am Rennen fahren, aber haben das schon ernst genommen. Aber wir hatten gleichzeitig Spaß mit Freunden. - Pokale habe – zumindest ich – nur so nebenbei mitgenommen.
Damit man sich später mal erinnern kann. - Habe ich gedacht. - Aber Pokale habe ich tatsächlich niemals gebraucht um mich an die vielen interessanten Situationen zu erinnern, die ich so erlebt habe. Die waren immer so intensiv, dass sie sich praktisch ins Gehirn eingebrannt haben.
So bin ich bei einem Rennen am Nürburgring, zu dem mich über Funk mein Teamchef herein beordert hatte, weil es plötzlich stark zu regnen begonnen hatte, einfach auf Slicks weiter gefahren. „Aber hier oben an Start- und Ziel steht das Wasser Zentimeter hoch“, hat mich mein „Chef“ über Funk informiert. Aber ich glaubte – bei einem 6-Stunden-Rennen – dass ich das an einem warmen Herbsttag in der Eifel riskieren könne. - Der Fahrer bestimmte z.B. damals die Reifenwahl! - Zumindest in Privatteams! - Soweit ich das damals – in dem Moment aufgrund meiner persönlichen Erfahrung - einschätzen konnte, würde es nur ein kräftiger Schauer sein und ich würde zwei Reifenwechsel sparen. - So war es auch! - Und ich wurde bequem Klassensieger, weil ich in meinen Regenrunden auf Slicks nicht so viel Zeit verloren hatte, wie zwei Reifenwechsel für die Konkurrenten ausmachten.
Ich erinnere mich an ein anderes 6-Stunden-Rennen, in dem ich den Schluss-Turn fuhr. Drei Runden vor Ende begann es zu regnen. Überwiegend wurde auf Regenreifen gewechselt. Ich bin „draußen geblieben“. Aber im Ziel war mein Rennanzug wirklich nass, durchgeschwitzt. Mein Wettbewerbsfahrzeug, ein Hecktriebler, stellte sich auf der „Döttinger Höhe“ – obwohl ich nur um 160 km/h fuhr – bei Geradeausfahrt so quer, dass ich schon mal dachte, ich würde das Fahrzeug verlieren. - Kein Lastwechsel, weich, schnell Gegenlenken! - Das Ergebnis war aber ein Klassensieg! - Nur habe ich Monate gebraucht, um dieses Regenerlebnis aus dem Gedächtnis zu streichen, Regen und eine nasse Straße wieder als normal zu empfinden.
In rd. 40 Jahren als Privatfahrer habe ich nur einmal – aber dann lange – im Krankenhaus gelegen. Weil ich nicht wusste, dass scheinbar lose aufgestellte Strohballen, die den Außenrand einer Kurve begrenzten, wenn man sie mit einem ausbrechenden Heck berührt, in der Wirkung wie eine Betonmauer sind: Das Fahrzeug wird wieder zurück geworfen. In meinem Fall in eine Felswand. - Totalschaden!
Aber so habe ich über die Jahre meine Erfahrungen mit Automobilen ausgebaut, habe technische Zusammenhänge begreifen gelernt, habe auch als Mensch profitiert, habe eigentlich dem Motorsport eine Menge zu verdanken! - Braucht es da Pokale?
Ich habe mich im schon erwähnten Mainz-Finthen am Ende des Rennens z.B. mehr über einen kleinen Strauß Blumen gefreut, den meine Tochter und ihre Freundin während des Rennens auf der Wiese gepflückt hatten und dann überreichten, als über jeden Pokal. - Blumen für Platz sieben von meiner Tochter, waren für mich bedeutender, als es ein Pokal vom Veranstalter für einen Sieg gewesen wäre!
Heute ist das offenbar anders! - Außerdem muss ich mir heute sagen lassen, dass meine Einstellung zum Motorsport „von Gestern“ ist. Heute ist offenbar jeder Fahrer auf dem Weg in die Formel 1, lässt über jeden Einsatz Pressemeldungen – wenigstens über Facebook - verbreiten. - Solche oder ähnliche Ideen habe ich nie gehabt. Ich bin über die Jahre – was das Autofahren betrifft – sicherlich nicht schlechter geworden, aber ich wollte niemals in eine „Profi-Form“ gepresst werden. Rennen fahren hat mir – wie auch das Fahren mit Motorrädern – nur Freude bereitet. - Was wollte ich mehr?
So habe ich dann in diesen Wochen fast alle meine Pokale – so um einhundert Stück – zur „Deponie“ gebracht. Nur meine Tochter und meine Frau habe je einen Pokal für sich behalten. - Zur Erinnerung daran, dass der Vater und Ehemann auch mal Rennen gefahren ist. - Aus Spaß! - Ich brauche keine Trophäen! - Ich bin mit meinen Erfolgen und Misserfolgen zu dem Menschen geworden, der ich heute bin. - Und ich weiß wenigstens aus eigener Erfahrung wovon ich spreche, wenn ich heute über den aktuellen Motorsport als Journalist schreibe.
- Der Rennsport hat mir viel bedeutet und viel gegeben, hat sicherlich auch mit meine Persönlichkeit geprägt. – Was sollen da Pokale?
Ich erinnere mich auch so. - Auch an meine Fahrer-Kollegen von damals. - Wenn jetzt die Corona-Zeit ein wenig ausklingt, habe ich mich z.B. mit einem Freund „von damals“ zu einem netten Abendessen verabredet, wo wir sicher auch über ein gemeinsam in einem Team/Fahrzeug gefahrenes 24h-Rennen sprechen werden, bei dem wir zwar auch Pokale – gleich mehrere – eingefahren, aber noch mehr Spaß gehabt haben. - Um seine Worte zu gebrauchen:
„Wir waren die Lustigsten am Start!“
Welcher Werksfahrer – selbst einer mit FIA-„Platin“-Status - könnte das heute noch nach einem erfolgreichen Renn-Wochenende sagen? - Erst recht nicht rückblickend am Ende seiner „Karriere“!
Ich habe im Motorsport nur mein Wissen ergänzt und durch neue Erfahrungen abgerundet!