Gespeichert von wh am
Schon jetzt ist der Diesel-Skandal, der – öffentlichkeitswirksam – von Wolfsburg ausging, für viele weitgehend „uninteressant“ geworden. VW verdient wieder gut und mit der letzten VW-Hauptversammlung scheint die „Geschichte des Diesel-Skandals“ weitgehend beendet zu sein. Die Dividenden bleiben gegenüber letztem Jahr unverändert hoch. - Nur das scheint wirklich wichtig! - Man hat in Wolfsburg „hart durchgegriffen“, Winterkorn und Stadler sind hart betroffen, auch andere (scheinbar) „Beteiligte“ werden immer noch mit dem „Diesel-Skandal“ in Verbindung gebracht, hinter dem die Staatsanwaltschaft Braunschweig ein „bandenmäßiges“ Vorgehen vermutete. Bei dem Umfang der „Wissenden“ an dieser Betrugsaktion, kann man tatsächlich davon sprechen. - Wenn man die Einzel-Darsteller in diesem Drama über viele Jahre und die Entwicklung des VW-Konzerns über Jahrzehnte beobachtet hat, hat man eine eigene Meinung zu den Vorgängen in Wolfsburg – „damals“ und heute – aber auch eine eigene Meinung zu einzelnen Persönlichkeiten. Da wurde z.B. Dr.-Ing. Heinz Jakob Neußer „ohne Begründung“ (wie sein Anwalt sagt) entlassen. Bei der „virtuellen“ (!) VW-Hauptversammlung vor wenigen Tagen interessierte die Wirtschaftspresse eigentlich im Wesentlichen nur die Dividende. Aber es gab schon in der offiziellen Einladung ein paar andere interessante Formulierungen, die – wenn man sie ein- und zuordnet – noch Fragen entstehen lassen. - So z.B. die Frage:
Dr.-Ing. Heinz Jakob Neußer: Ohne Grund gekündigt?
Das sagt jedenfalls sein Rechtsanwalt. Aus dem VW-Konzern war dazu aber auch schon mal zu hören:
"Zudem wurden bereits Ansprüche gegen den früheren Vorstand der Marke Volkswagen Pkw, Dr. Heinz-Jakob Neußer, geltend gemacht"
In der Einladung zur Hauptversammlung ds. Jrs. ist – eigenartig formuliert – zu lesen:
„Die Gesellschaften beabsichtigen mit den In Anspruch Genommenen Personen - mit Ausnahme von Herrn Dr. Neußer und Herrn Prof. Dr. Hackenberg, der zu einer vergleichsweisen Einigung nicht bereit war - außergerichtliche Vereinbarungen über die in (H) erwähnten Haftungsansprüche zu schließen.“
Nimmt man diese Formulierung wörtlich, so ist Dr. Neußer zwar erwähnt, aber nicht betroffen. - Das geht auch aus einer anderen Formulierung hervor, die sich auch in der Einladung zur Hauptversammlung findet:
„Im Übrigen keine Schadensersatzansprüche von Volkswagen gegen Vorstandsmitglieder“
Dabei ist auch heute noch bei „Wikipedia“ nachzulesen:
„Zum 1. Juli 2013 wurde Neußer Mitglied des Markenvorstands der Volkswagen AG und war dort für den Geschäftsbereich Entwicklung zuständig.“
Stellt man diese offiziellen Aussagen einmal gegenüber, so entsteht - zumindest bei mir – das Gefühl, dass hier etwas geschickt dem Vergessen anheim gestellt werden soll. Meine Frage wäre dagegen:
- Ist Dr.-Ing. Heinz Jakob Neußer nicht vielleicht eine der Schlüsselfiguren im Diesel-Skandal?
VW hat sich nach der Aufdeckung des „Diesel-Skandals“ wirklich sehr geschickt verhalten. Als ich für Motor-KRITIK zum Beispiel an den Kündigungszahlen im 1. Quartal 2016 im Vergleich zu anderen im 1. Quartal eines Jahres interessiert war, da wurde mir in einem Telefongespräch (Anruf von VW, um keine „schriftlichen Spuren“ zu hinterlassen!) erklärt, dass es solche Statistiken konzernintern nicht gäbe und man im Moment keine Möglichkeit sehen würde, die Zahlen speziell für Motor-KRITIK schnell ermitteln zu können. Aber evtl. … - Das ist doch alles sehr glaubhaft!
- Natürlich habe ich solche Zahlen bis heute nicht erhalten, obwohl es die im Konzern sicherlich geben wird! - Sonst müsste man diese AG als „Lotterladen“ empfinden!
Was Herrn Dr. Neußer betrifft, so habe ich dem schon im Jahre 2006 bei Porsche in Weissach gegenüber gesessen und mit ihm ein Gespräch über die von ihm verantwortete Konstruktion des damals neuen „Wasser-Boxers“ für den Porsche 911 geführt.
Er war sehr stolz auf „seine Konstruktion“, mit der er nicht nur gegenüber dem „alten“, luftgekühlten Motor 72 Teile eingespart hatte, sondern auch die Fertigungszeiten senken konnte. Dazu hatte er das Motorgehäuse anders geteilt, als das vorher der Fall war.
Vom damaligen Porsche-Chef Wiedeking war er deshalb sehr gelobt worden. Hat er mir erklärt. Ich verstehe – schon wegen meiner Eindrücke aus diesem sehr langen Gespräch – wenn ich später - nach dem Bekanntwerden des Diesel-Skandals irgendwo lesen konnte:
„Manche nannten ihn Mister Easy, andere Doktor Hollywood. Irgendwie werde schon alles immer gut ausgehen, wie im Film eben. Lösungen seien stets leicht zu finden, vor allem von ihm. Ein Mitarbeiter: ‚Also der hat wirklich jeden Tag einmal erzählt, wie toll er ist.‘“
„Damals“, bei Porsche, hatte er sogar das im Niederdruck bei Kolbenschmidt in Neckarsulm gefertigte Alu-Motorgehäuse von zuviel Silizium (macht Alu härter) befreien lassen. Es wurde vom Zulieferer dann nur noch da eingelagert, wo es wirklich gebraucht wurde. So ließen sich die Gehäuseteile dann (spanahebend) besser bearbeiten. - Auch das ist kostengünstiger!
Als dann nach Anlaufen der Serie klar wurde, dass sich z.B. der Kurbelwelleneinbau nicht so realisieren ließ, wie sich das Dr.-Ing. Jakob Neußer gedacht hatte, da sind dem eine neue Art von Simmerringen (Wellendichtringe) eingefallen, solche mit „Macro-Lippen“, während vorher solche mit „Micro-Lippen“ verbaut wurden. Damit hatte man die Abweichungen die nun – neu – beim Einbau der Kurbelwelle entstanden, aber nicht in jedem Fall bei der Serienfertigung ausgleichen können.
- Das Ergebnis: Der Motor ölte, weil die Gehäusefugen nicht wirklich dicht sein können!
Den nun so kostengünstigeren Kurbelwelleneinbau beim neuen „Wasser-Boxer“ konnte Porsche nur vornehmen…
„weil die Kurbelwelle jetzt auf Traversen ruht, die natürlich mit dem Gehäuse verbunden werden müssen. Aber da kommt es dann zu so genannten Doppel-Passbohrungen, die man - das lernt jeder Maschinenbau-Student schon im ersten Semester - im Motorenbau immer vermeiden sollte. Bei Porsche hält man das für unproblematisch und verweist darauf, dass sich die möglichen minimalen Differenzen beim Verschrauben "ausgleichen". - Weil das Gehäuse weich ist? - Nein!, ruft man bei Porsche.
Aber genau darum kann man ein so "weiches Gehäuse" nicht da verwenden, "wo rohe Kräfte sinnlos walten", wie irgendwo in der deutschen Dichtung schon zu lesen ist. Darum wird auch beim Porsche GT3, aber auch beim Turbo, noch das alte, teure Motorgehäuse verwendet. Man scheint bei Porsche Schillers „Glocke“ genau zu kennen.“
Hier habe ich mich selbst mit einem Abschnitt aus meiner Geschichte in 2006 zitiert.
Schon „damals“ gab es also eine „Meisterleistung“ in Sachen Kostensenkung des Herrn Dr.-Ing. Heinz Jakob Neußer bei Porsche. Da war es auch kein Wunder, dass ihn eine solche Leistung zum Entwicklungschef im VW-Konzern qualifizierte. Und er wurde schließlich zum Markenvorstand Pkw berufen.
Dass dieser Mann dann bei Bekanntwerden des Diesel-Skandals entlassen wurde, hat – zumindest mich – nicht überrascht. Es wäre eines der Weltwunder, wenn er als Entwicklungschef nichts von der kostengünstigen VW-Möglichkeit der Anpassung an die gesetzlichen Vorschriften gewusst hätte.
Schließlich war Dr.-Ing. Heinz Jakob Neußer Entwicklungschef! - Wer sich ein wenig in der Organisation bei VW auskennt weiß, dass das ohne ihn – aber nach meiner Einschätzung auch ohne Winterkorn - nicht gegangen wäre.
Natürlich denke ich hier zu einfach, werden Anwälte und Beteiligte sagen. - Ich habe auch schon „so einfach“ vor mehr als 15 Jahren die Leistung des damals für die Entwicklung des „Wasser-Boxers“ verantwortlichen „Chefs“ beurteilt. - Nachweisbar durch eine Geschichte, die immer noch im Internet auf meinen Seiten zu finden ist. Titel: „Sind wir alle Porsche?“ - Sie ist unter „MK-Classic“ im Jahre 2006 zu finden.
Der Titel entstand auf der Basis einer zufällig zum ähnlichen Zeitpunkt erschienenen Geschichte im „stern“ und hätte eigentlich auch lauten können:
- Sind wir alle undicht?
Wie wichtig die Arbeit des Herrn Dr. Neußer bei VW eingeschätzt und gewertet wurde, ist auch einer Mitteilung des Herrn Winterkorn vom 15. April 2014 an Herrn Dr. Neußer zu entnehmen. Wohl aufgrund seiner besonderen Leistungen, die zu besonders guten Gewinnen führte, informierte sein Chef ihn, dass der „Vorstandsausschuss für Führungsfragen“ sein Bruttogehalt auf 37.000 Euro im Monat erhöht hätte. Erreichte der Konzern – auch dank Dr. Neußer – die schon eigentlich hochgesteckten VW-Ziele, so hätte Dr. Neußer dann – zusätzlich – einen Bonus von mehr als 1,1 Millionen Euro einstreichen können.
- Soviel zur Bedeutung der Position des Herrn Dr.-Ing. Heinz Jakob Neußer für den VW-Konzern – und damit auch mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für den Diesel-Skandal!
Auch das – nicht nur seine Entlassung - würde nach Bekanntwerden des Diesel-Skandals dafür sprechen, dass Herr Dr. Neußer nicht unbedingt uninformiert gewesen sein muss.
Um solche Zusammenhänge herstellen zu können muss man nicht nur Informationen zur gerade erfolgten virtuellen 61. ordentlichen Hauptversammlung der Volkswagen AG am 22. Juli 2021 aufmerksam lesen, sondern schon ein paar Jahre mehr zurück denken – und Zusammenhänge herstellen können.
Aktuelle Entwicklungen haben meistens eine Basis in der Vergangenheit!