Mich erreichen über‘s Jahr eine Menge Leser-Kommentare. In so manchem werde ich darauf aufmerksam gemacht, dass ich wohl übersehen hätte, dass sich die Zeit – und damit auch unsere Gesellschaft und ihre Einstellung – verändert hätten. Ich antworte auf jeden Einwand. Auch auf solche, dass mein Schreibstil überholt sei.
Natürlich hat sich die Zeit geändert, aber das sollte doch nicht unser Verhältnis zu Moral und Ethik verändert haben. Es gibt doch Werte, die wir bei aller Weiterentwicklung als gesunde Basis für unser Handeln beibehalten sollten.
Ich lese täglich – neben anderen – eine Tageszeitung, die im Untertitel verkündet:
„UNABHÄNGIGE TAGESZEITUNG“
Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet und führt seitdem diesen Zusatz im Titel. Dieser Zusatz wird auch wohl von keinem Leser beanstandet. Weil keiner darüber nachdenkt. - Vielleicht wird er auch einfach überlesen.
Das ist übrigens der Grund, weshalb ich mich darauf festgelegt habe, „komplizierte Schachtelsätze“ in meinen Geschichten zu verwenden. Manche muss man so halt zwei Mal lesen, um sie zu verstehen. Wenn ein Motor-KRITIK-Leser eine Geschichte von mir gelesen hat, dann hat er sie auch begriffen. Aber gerade junge, gebildete Leser neigen dann zu der Feststellung:
„Das ist kein seriöser Journalismus, sondern das sind Meinungskommentare.“
Ich bin nun mal kein „Nachrichten-Redakteur“. Aber selbst der „macht Meinung“, in dem er die Meldungen zur Veröffentlichung auswählt. Aus einer Vielzahl von anderen, die dann „in den Papierkorb wandern“. - Auch das ist eine Meinungsbeeinflussung.
Ich habe die auch schon vor dem Zweiten Weltkrieg erlebt, als Chefredakteure noch Schriftleiter genannt wurden. Auch da gab es nur „unabhängige“ Tageszeitungen. Die „tanzten dann nach der Pfeife der Politik“. Heute „tanzt man gerne nach der Pfeife von Anzeigenkunden“. - Was hat sich also geändert?
Anders ist das z.B. bei Motor-KRITIK, da es sich hier um eine Fach-Information handelt, die beim Schreiber Fachwissen und Erfahrung voraussetzt. So werden bei mir niemals Pressemitteilungen in voller Länge als eigene Geschichten dargestellt, sie dienen mir höchstens als Anregung für eigene Recherchen. Ein einzelner von mir in einer Geschichte geschriebener Satz erfordert evtl. eine Stunde – oder mehr – Recherchearbeit. - Als Beispiel dafür zwei Sätze aus einer meiner letzten Geschichten:
„Bei der Ehrung werden die Klassensieger von 31 Klassen geehrt! Das allein sind dann schon 65 Pokale die überreicht werden müssen!“
Hochqualifizierte Kollegen in Verlagen genügt es oft, eine anderswo erschienene Aussage – ohne Nachprüfung - zu übernehmen, wenn sie damit „Meinung machen können“. Aktuell in „Auto Bild“ (Seite 5) gelesen, wo FDP-Chef Christian Lindner wie folgt zitiert wird:
„Ich bin groß geworden mit Micky-Maus-Heften und AUTO BILD. … Ich konnte noch nicht lesen, aber die Bilder haben mich fasziniert. Das war meine Kindheit.“
Motor-KRITIK stellt dazu – nach eigener Recherche – fest:
-
Christian Lindner konnte im Alter von 7 Jahren noch keine Comics lesen!
Aber wer will das wissen? - Da freut es mich, wenn mich heute auf dem iPhone eine Leser-Information erreicht die da lautet:
„Lese jeden Artikel!! Weiter so!
Sie kommt von einem – inzwischen auch – älteren Herrn. - Früher mal ein bekannter deutscher Rennfahrer.
Aber ich schreibe auch – und gerade – für junge Leute. Als Anregung zum selbstständigen Denken. Weil man nicht zu einer Persönlichkeit wird, indem man im Mainstream mitschwimmt und gefällige Phrasen absondert, die dann andere „Mitschwimmer“ zum gefälligen Nicken bringen.
MK/Wilhelm Hahne