EU: Wenn die Sprache wichtig wird

Motor-KRITIK hatte gestern einen Titel in russischer Sprache gewählt, um auf die Anfrage eines deutschen EU-Abgeordneten - in englischer Sprache veröffentlicht – aufmerksam zu machen. Weil das Thema der Nürburgring-Verkauf ist und weil wir – wie sicherlich auch unsere Leser – jedes Puzzlestück brauchen, um zu einer möglichst objektiven Einschätzung der aktuellen Situation hier in der Eifel zu kommen. Wir hatten hier auf den Motor-KRITIK-Seiten die deutsche Übersetzung in den Vordergrund gestellt. Nach dem was uns als Echo erreichte, müssen wir davon ausgehen, dass die Veröffentlichung in Brüssel mit einer gewissen Absicht mit dem – aus unserer Sicht - gewaltigen Zeitversatz von fast einem Monat und in englischer Sprache erreichte. - Aufgrund unserer Veröffentlichung erreichte Motor-KRITIK auch umgehend eine Nachricht, die auf eine Situation bei der EU in Brüssel aufmerksam machte, die wir – zugegeben – bisher übersehen hatten. - Aber nachdenklich wird man dann schon, wenn noch am gleichen Tag – am 24. November 2015 - dann eine weitere Anfrage zum Thema Nürburgring eines aufmerksamen EU-Abgeordneten ins Internet gestellt wird. In englischer Sprache. Auch schon „alt“, vor einigen Wochen gestellt und nun erst – und das in englischer Sprache – veröffentlicht. - Man begreift dann so langsam, dass das Thema Nürburgring-Verkauf inzwischen wohl auch in Brüssel als „heiß“ empfunden und inzwischen mit der gebotenen Vorsicht – unter Ausnutzung aller legalen Möglichkeiten behandelt wird. - Mit Verzögerung und – in englischer Sprache. - So, als wäre der Nürburgring kein deutsches Problem.

EU: Wenn die Sprache wichtig wird

Die Geschichte gestern, die mit einem Titel in russischer Sprache, die wurde sozusagen mit einem Lächeln eingestellt. Tatsächlich hatten wir nicht wirklich begriffen, dass wir es begriffen hatten. Eigentlich wurde das erst klar, als uns eine Nachricht aus Brüssel erreichte, die den Kernsatz enthielt:

„... Ich reiche keine Anfragen in Englisch ein. Die deutsche Version ist die Originalfassung. Ich werde bei der EU-Kommission auch gegen diese Vernachlässigung der deutschen Sprache protestieren. ...“

Absender war jener deutsche EU-Abgeordnete, Dr. Werner Langen (CDU), den wir auf den Internetseiten der „Europäischen Union“ als intelligenten Fragesteller ausgemacht hatten.

Also haben wir uns einmal mit der - bisher auch von uns – vernachlässigten Frage beschäftigt, welche Sprachen denn eigentlich in Brüssel eine Rolle spielen. - Gibt es dort gewisse „Gesetzmäßigkeiten“, nach denen verfahren wird – und die so die Reaktion des deutschen EU-Abgeordneten auslösten?

Wir sind dann u.a. auf folgende Darstellung gestoßen:

„Amtssprache ist die offizielle Sprache eines Staates für Gesetzgebung, Verwaltung, Gerichte und Schulen. Die Festlegung einer Amtssprache vermittelt den Bürgern das Recht, dass der Staat mit ihnen in dieser Sprache kommuniziert. In manchen Staaten sind auch Nationalsprachen von Minderheiten gesetzlich als zusätzliche Amtssprachen garantiert.

Amtssprachen der Europäischen Union sind diejenigen Sprachen, in denen sich ihre Organe nach außen, insb. also gegenüber den Unionsbürgern, äußern. Die EU besitzt derzeit 23 Amtssprachen; jeder Mitgliedstaat erklärt bei seinem Beitritt, welche Sprachen er zu Amtssprachen erklärt haben möchte. Von den Amtssprachen sind die authentischen Sprachen oder Vertragssprachen zu unterscheiden. Dies sind diejenigen Sprachen, in denen für die Gründungsverträge eine verbindliche Fassung existiert. Es handelt sich dabei nicht um Amtssprachen im eigentlichen Sinne, da das Primärrecht kein Handeln der Union durch ihre Organe sondern deren Handlungsgrundlage darstellt. Während etwa Irisch zunächst nur Vertragssprache war und erst später auch Amtssprache wurde, sind derzeit die Amts- und Vertragssprachen jedoch deckungsgleich.

Zur Vereinfachung wird bei internen Vorgängen, also innerhalb der Organe sowie teilweise im Verkehr der Organe untereinander, oftmals nur ein Ausschnitt aus dem Kreis der Amtssprachen verwendet, insbesondere Französisch, Englisch und Deutsch. Diese im internen Ablauf tatsächlich verwendeten Sprachen werden als Arbeitssprachen bezeichnet.“

Deutsch ist also in Brüssel eine „Arbeitssprache“. Und in Deutsch hatte der Abgeordnete auch seine Fragen gestellt. (Das Original-Formular mit seinen eingereichten Fragen finden Sie im Anhang als pdf-Datei.) In genauer Kenntnis der Zusammenhänge musste dieser Abgeordnete die Motor-KRITIK-Darstellung als etwas provokativ empfinden.

Und Motor-KRITIK ist bei dieser Gelegenheit auf ein Problem gestoßen, das z.B. von Margareta Hauschild, Leiterin des Goethe-Instituts in Belgien, in einem Interview mit den Kollegen von „EurActic“ so gesehen wird:

„Deutsche EU-Beamte haben sich aus historischen Gründen geweigert, die deutsche Sprache auf EU-Ebene durchzusetzen. Stattdessen wollten sie zeigen, dass sie auch andere Sprachen sprechen, meistens Englisch.“

Und „EurAktic“ stellt fest:

„Die deutsche Version von EU-Dokumenten und Protokollen sucht die deutschsprachige Öffentlichkeit häufig vergebens.“

Nun, ganz so schlimm war es Fall unserer Berichterstattung vom 24. November nicht. Wir hatten die deutschsprachige Öffentlichkeit mit der deutschsprachigen Version der Fragen des EU-Abgeordneten Dr. Langen informieren können. Aber Dr. Langen hatte recht:

  • Warum wurden diese Fragen in Englisch eingestellt, wenn sie im Ursprung in Deutsch gestellt wurden, wo doch Deutsch – wie wir jetzt wissen – zu einer der drei wichtigen „Arbeitssprachen“ bei der EU-Behörde in Brüssel gehört?

Beim Versuch, Beispiele oder Gegenbeispiele zu entdecken, stoßen wir dann am Abend dieses 24. November darauf, dass an diesem Tag ein weiterer Fragenkomplex des Herrn Dr. Langen, schon am 30. Oktober in deutscher Sprache (!) eingereicht, wieder in der englischen Version – exakt an diesem 24. November 2015 – also gestern – veröffentlicht wurde.

Das ist wieder ein Screenshot der veröffentlichten englischen Version, die nach unserer Einschätzung nach einem Abgleich mit der Art, mit der vorher zu diesem Thema Nürburgring verfahren wurde, dann den Eindruck hinterlässt, dass man bei der EU-Kommission wohl sehr daran interessiert ist, das Thema Nürburgring unauffällig – aber korrekt - abzuhandeln.

Es ist gerade diese „unauffällige Auffälligkeit“, die jetzt durch die Motor-KRITIK-Veröffentlichungen gestern und heute entsteht. Hier die deutsche Übersetzung der oben gezeigten Einstellung in englischer Sprache:

„Anfrage zur schriftlichen Beantwortung E-014380/2015
an die Kommission
Artikel 130 der Geschäftsordnung
Werner Langen (PPE)

Betrifft: Europarechtliche Prüfung des Verkaufs des Nürburgrings

Im Rahmen der Klagen einiger unterlegener Bieter gegen den Verkauf des Nürburgrings will die Kommission die europarechtliche Zulässigkeit des Verkaufs erneut prüfen, insbesondere vor dem Hintergrund des Weiterverkaufs des Nürburgrings an einen russischen Investor.

Kann die Kommission dazu folgende Fragen beantworten:

1. Ist es zutreffend, dass die Kommission ihre bisherige Einstufung des Verkaufsprozesses als europarechtskonform beibehalten will?

2. Welche Dokumente zum Verkaufsprozess liegen der Kommission vor, und erachtet sie diese für eine sorgfältige und unabhängige Prüfung als ausreichend?

3. Ist die Kommission bereit, alle vorliegenden Dokumente öffentlich zugänglich zu machen?“

Während man hier in der Eifelregion den Eindruck haben muss, dass die eigentlich unverständlichen Abläufe und Geschehnisse im Umfeld des Nürburgringsverkaufs eigentlich akzeptiert wurden – vor allen Dingen von Mainzer Politikern (!) - wird an diesen Fragen – intern bei der EU-Behörde in Brüssel gestellt – deutlich, dass es auch Menschen gibt, denen unerklärlich ist, was uns als deutschen Bürgern, Wählern und Steuerzahlern im Land Rheinland-Pfalz zugemutet wird, wenn uns der Verkauf des Nürburgrings in der Gesamtheit seiner Abwicklung als „normal“ geschildert wird.

Motor-KRITIK möchte hier zum Abschluss dieser Geschichte noch einmal an den Beschluss der EU-Kommission vom 1. Oktober 2014 erinnern, auf dem übrigens auf Seite 1 zu lesen ist:

„Nur der deutsche Text ist verbindlich“

und in dem man auf Seite 37, unter „3.8. Veräußerung der Vermögenswerte“ zu Beginn des Absatzes 92 lesen kann:

„Bezüglich des Bruchs der wirtschaftlichen Kontinuität weist Deutschland auf Folgendes hin:

a) Die Veräußerung erfolgt im Rahmen eines offenen, transparenten, diskriminierungs- und bedingungsfreien Bietverfahrens. Den Zuschlag erhält der Bieter, der das höchste Angebot eingereicht sowie einen Nachweis seiner Finanzierungsfähigkeit erbracht hat.“

Und nun, liebe Leser, werfen Sie noch einmal einen Blick auf die gestern veröffentlichen Fragen an die EU-Kommission und lassen die realen Abläufe des Verkaufsverfahrens – wie sie auch auf diesen Internetseiten jeweils detailreich geschildert wurden – Revue passieren.

An verantwortlicher Stelle in Mainz wird man darüber sicherlich anders denken als an anderen Stellen in deutschen Landen.

Und man erhält eine Ahnung davon, was in Sachen Nürburgring in Zukunft noch passieren kann – und wird!

MK/Wilhelm Hahne
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