Der SWR und die lexikalische Semantik

Zugegeben: Ich habe eine gute Kindergarten-Erziehung hinter mir, aber ich bin kein Akademiker. Darum erschien mir auch der Leserbrief der Dame an den SWR gerichtet, auf den es auch keine Antwort gab, sehr logisch. Zumal meine „Logik“ auch noch durch das Verhalten des SWR unterstrichen wurde. Schließlich ist man dort um gute Sender/Hörer-Kontakte bemüht, lässt sich die dazu als notwendig erachteten Marketing-Aktionen sehr viel Geld kosten. - Warum sollte man da in einem Einzelfall eine Hörerin verärgern, in dem man ihr nicht antwortet? - Es ging um die Frage: Kann – darf – man Capricorn als „Besitzer“ des Nürburgrings bezeichnen? - Die Leserin meinte, NEIN – und hatte den SWR angeschrieben. Und keine Antwort erhalten. - Auch wir bei Motor-KRITIK waren der Meinung: NEIN! - Auch wenn das nur einen Teil der gestrigen Geschichte ausmachte: Wir müssen uns in diesem Fall beim SWR entschuldigen! (Womit natürlich das Nicht-Beantworten einer E-mail nicht entschuldigt ist.) Ein akademisch gebildeter Motor-KRITIK-Leser hat uns aktuell Nachhilfeunterricht in „lexikalischer Semantik“ gegeben. Wir geben die nachstehend gerne in verständlichem Deutsch weiter. - Und weiten das Thema ein wenig aus, weil es zeigt, wie schwer die deutsche Sprache ist. Sie wird oft noch nicht einmal von Akademikern beherrscht - die sich dann mit einer Fremdsprache behelfen.

Der SWR und die lexikalische Semantik

Die deusche Sprache kennt feine und feinste Unterschiede. Man muss sie nicht nur kennen, sondern in wichtigen Fällen – auch nutzen. Da wäre z.B. der Unterschied zwischen „Besitzer“ und „Eigentümer“ zu beachten. - Dazu ein Beispiel:

Sie sind „Halter“ eines Kraftfahrzeugs? - Dann sind Sie normalerweise auch „Besitzer“. Als „Eigentümer“ können Sie sich durch den Besitz des Kraftfahrzeugbriefes ausweisen.

Nun wird Ihnen das Kraftfahrzeug irgendwann in der Nacht gestohlen. Sie sind immer noch „Eigentümer“. Aber der Dieb ist nun „Besitzer“.

So muss man auch die Verhältnisse am Nürburgring sehen. Das Land ist über die in Insolvenz gegangene, in ihrem Besitz befindliche GmbH, immer noch im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Offiziell wurde über einen Insolvenz-Sachwalter ein Kaufvertrag abgeschlossen. Der hatte den Auftrag, das zu den Bedingungen der EU-Behörde in Brüssel zu tun, da sich das Land durch ständiges Fehlerverhalten (Verstoß gegen das europäische Beihilferecht) strafbar gemacht hatte.

Der Insolvenz-Sachwalter hatte also den Auftrag einen Kaufvertrag zu vermakeln. Das hat er dem ersten Augenschein nach gemacht. Gleichzeitig hat er dem „Käufer“, der erst nach der Genehmigung der EU-Behörde eigentlich einer ist, weitgehende Mitspracherechte in einer „Übergangszeit“ eingeräumt, die z.B. erst die Funktion eines Geschäftsführers des „Käufers“  aktuell in einer Landes-GmbH möglich machten. (Vor Bezahlung des Kaufgegenstandes!)

Capricorn „funktioniert“ also schon als Besitzer des Nürburgrings, so wie ein Autodieb als Besitzer über ein gestohlenes Auto verfügt. Aber Eigentümer ist immer noch das Land Rheinland-Pfalz.

Darum entschuldigt sich Motor-KRITIK auch hier noch einmal beim SWR für die Anmerkungen gestern in dieser Sache.Der SWR hat recht: Capricorn kann man in der vom Land anerkannten Funktion und den eingeräumten Rechten, als „Besitzer“ bezeichnen.

Nun hatte der Insolvenz-Sachwalter eindeutig den Auftrag, einen Kaufvertrag zu vermakeln. Wenn er aber nun – per Saldo – einen Pachtvertrag präsentiert, den Auftrag sozusagen im Eigeninteresse still gewandelt hat, so bezeichnet man das eigentlich als „Geschäftsführung ohne Auftrag“. Das ist dann ein schmaler Grat, auf dem der Rechtsanwalt und Insolvenz-Sachwalter schreitet, balanciert.

Ist der beste Bieter aus einem Anbieter-Wettbewerb für den Verkauf auch zufälligerweise immer der beste Bieter für eine Verpachtung?

Versucht man einmal dieser Frage nachzugehen, so stößt man zunächst darauf, dass die „Kaufsache“, der Nürburgring, sich zumindest im Fall von „Nürburgring 2009“ bei Bau- und Dienstleistungen zusammen setzte (eingekauft wurden), die dem VOB- bzw. VOL-Ausschreibungsverfahren entsprachen.

Würde – wieder entsprechend den EU-Richtlinien – nach dem gleichen Schema wie beim Einkauf, dann beim Verkauf verfahren, hätte das Ausschreibungsverfahren aufgehoben werden müssen, weil sich der „Inhalt“ wesentlich geändert hat.

Rechtsanwalt Lieser, der Insolvenz-Sachwalter empfindet also eine Änderung des Kaufvertrages in einen Pachtvertrag nicht als wesentliche Änderung. So wie er auch eine Verschiebung eines Zahlungstermins im Kaufvertrag als „übliche Neujustierung“ bezeichnet. - Nimmt er den Kaufvertrag eigentlich überhaupt noch ernst? - Steht für ihn vielleicht heute schon der Pachtvertrag im Vordergrund aller taktischen Überlegungen?

Oder gab es für den Insolvenz-Sachwalter von irgendwem einen Auftrag, einen Pachtvertrag zu vermakeln? - Wobei dann noch die Frage zu stellen wäre: Darf Herr Lieser überhaupt als Makler tätig werden?

Oder hat sich der Insolvenz-Sachwalter in diesem Fall über alle – bzw. nahezu sämtlichen – EU-Vorgaben hinweg gesetzt? - Wann hat die EU erstmals von dieser Änderung erfahren? - Wie wird sich die EU nun bei der Beurteilung der Gesamtsituation am Nürburgring verhalten?

Eigentlich ist diese ganze Art der Abwicklung ein Fall für die Staatsanwaltschaft, da hier ohne jede Frage ein „öffentliches Interesse“ vorliegt.

Damit kämen wir dann zu „Plan C“, der auch ein Leserecho gefunden hat.

Einer der Leser meint, dass sich „Plan C“ doch aus der bisherigen Art der Abwicklung ergibt. Das wäre dann einfach so – es folgt das Zitat:

„Wir wursteln einfach weiter, bis nichts mehr geht. Spätestens zum Ende des Winters sind dann 1 – 2 Gehälter nicht bezahlt. Die Leute machen sich dann ganz von selbst vom Acker. Zurück bleibt nut verbrannte Erde.“

Und der Leser zitiert Rötger Feldmann, alias „Brösel“, alias „Werner“:

„Wir trampeln durchs Getreide,
wir trampeln durch die Saat.
Hurra, wir verblöden!
Für uns bezahlt der Staat!“

Was so natürlich nicht stimmt. Denn der „Staat“ bezahlt mit den Steuergeldern seiner Bürger. Im Fall „Nürburgring 2009“ hat er sie verschleudert!

Also doch – in jedem Fall – ein Fall für die Staatsanwaltschaft?

MK/Wilhelm Hahne
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