Finanzierungskonzept CNG: Ungeprüft?

„Auf Antrag der SPD-Fraktion wurde das Thema „Verkauf des Nürburgrings“ in einer Aktuellen Stunde im Landtag diskutiert. Nach langen Verhandlungen wurde der Nürburgring am 11. März 2014 für 77 Millionen Euro an den Automobilzulieferer Capricorn verkauft. Der Käufer soll die Rennstrecke zum 1. Januar 2015 übernehmen. - Neben dem Kaufpreis hat der Investor weitere 25 Millionen angekündigt, die in das Projekt fließen werden und mithelfen sollen, Arbeitsplätze zu erhalten. Der Käufer hat bis 2018 Zeit, die Gesamtsumme zu tilgen. Capricorn-Chef Robertino Wild und seine Partner wollen 45 Millionen Euro über die Deutsche Bank finanzieren, 15 Millionen kommen in drei Tranchen aus Eigenmitteln. Für die restliche Kaufsumme wurden weitere Modalitäten festgesetzt. Bisher steht noch nicht fest, wie viele der Landeskredite damit letztendlich zurückgezahlt werden können.“

Finanzierungskonzept CNG: Ungeprüft?

Den Einstieg zu dieser Geschichte – im Vorspann, oben – habe ich von den Internetseiten des Mainzer Landtages kopiert und ist dort Teil einer Information, die insgesamt unter dem Titel,

„Aktuelles, 68. Plenarsitzung, Mittwoch, 26. März 2014“

dargestellt wird, ist also ein offizielles Dokument.

Wenn man diese Information liest, dann wären da inzwischen schon einige Korrekturen anzubringen. Zwar wurde von Seiten der Politik immer wieder bekräftigt, dass sich alle Verantwortlichen (die sich lt. deren Darstellung aber als „nicht verantwortlich“ empfinden) sehr mit der Prüfung der Solvenz der Bieter beschäftigt haben. So konnte man wohl auch die Mehrheit des Gläubigerausschusses am 11. März 2014 davon überzeugen, dass alleine Capricorn – also die CNG – der „Ableger“ eines „mittelständischen Automobilzulieferers“ - der einzige in Frage kommende Käufer für den Nürburgring in seiner Gesamtheit sein würde.

Der Kaufpreis von 77 Millionen wurde der Optik halber mal um 25 Millionen „angekündigter Investitionen“ den Entscheidern (dem Gläubigerausschuss) sympathischer zu machen versucht. Auf der Pressekonferenz in Koblenz danach wurde auch von „über 100 Millionen“ gesprochen. Dieser Versuch wurde dann aber schon direkt danach, am späten Nachmittag des 11. März in Koblenz, durch die Aussage des Robertino Wild relativiert, der erläuterte, dass diese 25 Millionen von den Firmen aufgebracht werden müssten, die seiner Vorstellung von einem „Industrie-Cluster“ am Nürburgring entsprechen würden.

Da war auch noch nicht bekannt, dass sich die 77 Millionen des immer wieder genannten Bieter-Gebots im Kaufvertrag um 6 Millionen reduzierten, weil man den Jahresgewinn 2014 schon dem „designierten Käufer“ (eine Formulierung des „Mit-Investors“ Dr. Axel Heinemann) zukommen lassen will, da der „de jure“ vertraglich ab 1.1.2014 zum Käufer werden soll. Die sechs Millionen sind fest, verbindlich – obwohl diese Gewinn-Größenordnung eigentlich nur eine optimistische Annahme sein kann. Sie stellen so eine „stille“ Minderung des offiziell vermeldeten Kaufpreises dar. - Also keine 102, keine 77, sondern 71 Millionen Euro!

Von den in der „Landtags-Information“ genannten drei „Tranchen“ wären bis heute schon zwei zahlbar gewesen. Der Eingang der ersten Zahlung konnte pünktlich registriert werden. Dem Herrn Insolvenz-Sachwalter Jens Lieser hat es in seiner unendlichen Güte gefallen, in einem weiteren Fall – dem Zahlungstermin für die zweite „Tranche“ - eine „Neujustierung“ vorzunehmen. Es wird nun von Oktober 2014 als neuem Zahlungstermin gesprochen.

Robertino Wild hat z.B. am 13. September 2014 in der Nürburger „Graf Ulrich-Halle“ sehr schön erklärt, warum eine Fünf-Millionen-Zahlung überhaupt keinen Sinn gemacht hätte: Niemand hätte damit etwas anfangen können, weil die Zahlung auf einem „Ander-Konto“ gelandet wäre. - Ohne jeden Nutzen für niemand. - Außer für den, der sie nicht hat – um eine Vertragsklausel zu erfüllen. (Wenn Sie Robertino Wild in Bild & O-Ton erleben wollen: Ab hier gibt es die Capricorn-Darstellung in 1:19 min.)

Zum gleichen Zeitpunkt erfüllte übrigens Capricorn auch eine andere Zahlungsverpflichtung gegenüber der Stadt Düsseldorf in einem Grundstückgeschäft nicht. - Zufall?

Die Haftpflichtversicherung des Insolvenz-Sachwalter wird – so wie Motor-KRITIK die „Neujustierung“ eines Zahlungstermins im Fall des Nürburgringvertrages einschätzt – dann in nächster Zeit zu entscheiden haben, ob sie für diesen „Fehlgriff“ ihres Versicherungsnehmers Jens Lieser gerade steht, oder ob sie das als einen bewusst gemachten Fehler im Interesse einer gewissen Gruppierung enpfindet.

Dabei wird sicherlich auch die Bewertung durch den Spruch des Insolvenzrichters eine Rolle spielen, der bis heute noch aussteht, aber durch das Aufsicht führende Amtsgericht (Insolvenzgericht Ahrweiler) nicht vermieden werden kann.

Durch die Namens-Nennung der Deutsche Bank (Vorstands-Zentrale in Frankfurt) im Mainzer Landtag (s. Vorspann oben) hat man die Herren des Vorstandes dieser Bank noch einer weiteren „Druckerhöhung“ ausgesetzt, der durch andere Geschehnisse im Markt, an dem diesen Herren auch eine Beteiligung angelastet wird, eigentlich schon hoch genug ist.

Eine Anfrage vor Wochen von Motor-KRITIK haben die Herren mit einer telefonisch ausgesprochenen, bankenüblichen Aussageverweigerungs-Klausel beantworten lassen. Die Vorstände können aber so auf keinen Fall behaupten, sie hätten von einer solchen „Peanuts“-Finanzierung von 45 Millionen Euro, sonst vielleicht eine von hunderten, die man nicht kennen muss, keine Ahnung gehabt. - Sie werden sich erklären müssen, wenn sie nicht als schlechtes Beispiel in die Skandale und Affären um das Projekt „Nürburgring 2009“ (und die folgende Insolvenz der landeseigenen GmbH) eingehen wollen .

Diese Deutsche Bank-Finanzierung wird – glaubt man der offiziellen Landtags-Info – am 1. Januar 2015 fällig. Die Vorstandsriege der Deutschen Bank wird das kaum bestätigen können, da es sicherlich bankübliche Vorbehalte vor Auszahlung des Kredits gibt – wenn er denn überhaupt zum Zeitpunkt 11. März 2014 genehmigt war. - Wer weiß das schon?

Entsprechend der EU-Gesetzgebung sollte eigentlich alles „offen, transparent und diskriminierungsfrei“ ablaufen. - Reine Theorie! - Es wird hinter den Kulissen geschachert, alle Details um das Bieterverfahren werden als geheim und vertraulich behandelt. Die EU-Richtlinie scheint eine Formalie, die man noch nicht einmal in Brüssel ernst nimmt.

Eine neue, gerade erst ernannte Wettbewerbs-Kommissarin nimmt ab 1. November 2014 ihre Arbeit auf. Der ausscheidende bisherige Verantwortliche bei der EU-Behörde – sollte er jetzt noch eine Entscheidung vornehmen, die im Sinne seiner sozialistischen Genossen in Deutschland ist – dann wird die bei entsprechendem Inhalt, wie er gerade von einigen Medien aktuell vermeldet wird, dann sicherlich noch einige Zeit die Gerichte beschäftigen. – Auch mit hoher Wahrscheinlichkeit ein europäisches.

Motor-KRITIK möchte aber darauf hinweisen, dass es sich bei der derzeit aktuell benannten Grundlage für eine baldige positive Entscheidung in Brüssel, nur um eine Beschlussvorlage, nicht um einen Beschluss handelt. - Könnte es vielleicht sein, dass diese Vorlage noch die so genannte „Juristische Abteilung“ zu passieren hat?

Da nutzen dann auch die volkstümlichen Erklärungen eines Robertino Wild wenig, dass er den Darstellungen der Insolvenzverwalter vertraut, die all ihre in Sachen Nürburgring unternommenen Aktionen im Detail mit der EU abgestimmt haben sollen. - Das haben die sicherlich nicht, sonst würde die „Juristische Abteilung“ der EU-Kommission durch ihre immer wieder gegenüber dem bisherigen Wettbewerbs-Kommissar Joaquín Almunia vorgebrachten Einwände, nicht dessen dann für die CNG segensreiche Anerkennung des Kaufvertrages seit Juni dieses Jahres immer wieder (alle 14 Tage) verhindert haben.

Oder will man in Brüssel mit deiner jetzt in den Medien angekündigten „Kurzschlussentscheidung“ vermeiden, dass man auch noch zu einem (auch noch!) abgeschlossenen Pachtvertrag Stellung nehmen muss?

Dass bisher – seit Juni – kein Beschluss in Brüssel erfolgt ist, liegt nicht (nur) an den Beschwerden, die in der Sache Nürburgringverkauf von den verschiedensten Firmen und Gruppierungen in Brüssel eingegangen sind, sondern auch an Details, die sich aus dem Ablauf des Bieterverfahrens – das, wie bekannt, nach EU-Richtlinien erfolgen musste – selbst ergeben.

So muss heute – auch von Motor-KRITIK z.B. - in Frage gestellt werden, ob zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Kaufvertrages überhaupt ein schlüssiges Finanzierungskonzept den verantwortlichen Entscheidern zum 11. März 2014 vorgelegen hat, wie es als Faktum von der Landesregierung (s.o.) im Falle Capricorn verbreitet wurde.

Nach dem 11. März 2014 war man von Seiten des „Bieters“ CNG jedenfalls nach Recherchen von Motor-KRITIK noch intensiv bemüht, Investorengelder aufzutreiben, die den Einsatz von eigenem (?) Geld (wenn denn vorhanden) wenn nicht minimieren, dann überhaupt erst möglich machen sollte. Nach Kenntnis von Motor-KRITIK gibt es wohl inzwischen (nach einer Reihe von vergeblichen Versuchen!) auch zwei Zusagen, die aber ihren „Zuschuss“ wohl von der Genehmigung der EU-Behörde abhängig machen. - Können mögliche gerichtliche Klagen evtl. auch eine solche Zahlung verzögern?

Auch bei der angeblich vorhandenen 45 Millionen-Zusage der Deutschen Bank ist kaum davon auszugehen, dass sie sozusagen bedingungslos erfolgt. Woraus sich eigentlich ergibt:

Keinesfalls kann man von einem am 11. März 2014 in sich stimmigen Finanzierungskonzept sprechen. Besonders dann nicht, wenn ein als Grundlage der Kaufzusagen dienender, unterschriftlich vollzogener Vertrag nach Monaten in einer wesentlichen Passage (der Zahlung des vereinbarten Kaufpreises nämlich) durch die „Neujustierung“ eines Insolvenz-Sachwalters (ohne entsprechende Befugnis!), und nicht durch den eigentlich allein verantwortlichen Gläubigerausschuss abgeändert wurde. - Der hatte diesem Vertrag nur in seiner ursprünglichen Form zugestimmt!

Ein definitives Finanzierungskonzept musste aber entsprechend den EU-Richtlinien am 11. März 2014 den Verantwortlichen, die über den Verkauf zu entscheiden hatten, vorliegen. Eigentlich müsste ein Protokoll über die entscheidende Sitzung des Gläubigerausschusses darüber Auskunft geben können, wenn es nicht in der Art geführt wurde, wie das gerade vom Landesrechnungshof, die Protokolle von Aufsichtsratssitzungen der Nürburgring GmbH betreffend, beanstandet wurde.

Die Verantwortlichen lehnen aber eine Einsicht durch Interessierte (die im Interesse der Öffentlichkeit, der Steuerzahler, Bürger und Wähler arbeiten) in eine solche Unterlage ab, weil alle an der Aktion Beteiligten zur Vertraulichkeit verpflichtet wurden. - Eine „offene, transparente und diskriminierungsfreie“ Vertraulichkeit und Geheimhaltung! - Gibt's die?

Man verhält sich so, wie sich in vergleichbaren Situationen auch Zusammenschlüsse von Akteuren verhalten, die von juristisch empfindenden Personen sonst schon mal als „kriminelle Vereinigung“ empfunden werden.

Wenn man den gerade erst erschienenen Prüfungsbericht des Landesrechnungshofes in Speyer zum „Zukunftskonzept Nürburgring“ der Landesregierung gelesen hat, weiß man, dass solche Vereinigungen – manchmal eben auch solche „im Geiste – nicht so selten sind, wie Einwohner in der „tiefsten Provinz“ das anzunehmen scheinen.

Gab es zum 11. März 2014 wirklich ein schlüssiges und tragfähiges Finanzierungskonzept der CNG, bzw. deren Eigner, Wild/Heinemann oder Capricorn/GetSpeed? - Diese Frage sei gerade zu einem Zeitpunkt erlaubt, an dem eine Reihe von Medien ankündigen, dass der Nürburgring-Kaufvertrag durch den aktuell noch verantwortlichen Wettbewerbskommissar in den nächsten Wochen abgenickt, genehmigt wird.

Wie z.B. SWR Rheinland-Pfalz heute um 19:45 Uhr vermeldete, erhielt man diese Information „aus den Kreisen der Landesregierung“. - Ein in Sachen Nürburgring glaubwürdiger Informant? (Man lese sich für eine Antwort in den aktuellen Rechnungshof-Prüfbericht zum „Zukunftskonzept Nürburgring“ ein.)

Stand also das Finanzierungskonzept der „designierten Käufer“ zum 11. März 2014 wirklich?

Es wäre tragisch, würde die Antwort „Nada de nada“ lauten. - Weil dann die aktuelle Entwicklung nicht nur Motor-KRITIK spanisch vorkommen müsste.

MK/Wilhelm Hahne

 

Durchschnitt: 4.8 (bei 43 Bewertungen)

Kategorie: 

+ Hinweis für Leser – nicht nur an einem Abonnement Interessierte! +

 

Lieber Leser,

 

Motor-KRITIK ist vollkommen werbefrei, aber – darum – auch ein wenig abhängig von seinen Lesern. - Oder anders: Von Einnahmen. - Nicht alle Leser mögen sich gleich für ein Abo entscheiden.

Wenn Sie ab und an mal auf diesen Seiten vorbei schauen und Ihnen der hier gebotene investigative Journalismus gefällt, dann machen sie doch einfach ihre Zustimmung durch eine kleine Spende deutlich. - Auch kleine Beträge können – per Saldo – eine große Hilfe und Unterstützung sein!

Meine Kontendaten – auch wenn Sie Abonnent werden wollen - finden Sie HIER.

 

Danke!