Er ist tatsächlich am Oster-Sonntag gestorben. - Gestern. - Er wurde 90 Jahre alt. Er hatte die „wilde“, sehr gefährliche Zeit des Rennsports überlebt. - Aber keiner lebt ewig! - Soll man nun trauern?
Stirling Moss war ein Rennfahrer, wie er in der heutigen Zeit des Marketings nicht mehr vorstellbar ist: Er musste sich nicht „verkaufen“, er war einfach gut. Er war nicht einer, der verbissen an seiner Karriere gearbeitet hat. Er hat das getan, was ihm Spaß machte und was er konnte!
Die Mille Miglia in 10 Stunden, 7 Minuten und 48 Sekunden gewinnen! - Unfassbar! - Wahnsinn! - Ein Journalist, Denis Jenkinson, hatte das „Gebetbuch“ erstellt und man halbierte praktisch mit einem Mercedes 300 SLR im Jahre 1955 die Zeit, die der erste Sieger dieses heute unvorstellbaren Rennens im Jahre 1927 gebraucht hatte: 21 Stunden, 4 Minuten und 48 Sekunden.
1.000 Meilen, von Brescia nach Rom und wieder zurück. Also rund 1.600 Kilometer über normale Landstraßen. Und was für welche!
Ich bin 1977 zusammen mit dem BMW-Motorenkonstrukteur, dem Leiter der Motorenentwicklung, der auch mal BMW-Sportchef war, Alex von Falkenhausen, diese 1.000 Meilen auf einem BMW 328 gefahren. Das war der erste Versuch, an dieses grandiose Rennen mit einer – nennen wir es – touristischen Veranstaltung mit Renn-Oldtimern aus der guten alten Zeit der echten Mille Miglia, diese „Wahnsinnsveranstaltung“ nicht vergessen zu lassen .
• Mir hat das einen Eindruck von der fahrerischen Leistung eines Stirling Moss vermittelt!
Ich erinnere mich – es muss so um 1950 gewesen sein – Stirling Moss mit einem Cooper T5 (500er Norton-Manx-Motor + Fiat Topolino-Fahrwerkteilen!) bei einem Training auf der Nordschleife des Nürburgrings beobachtet zu haben. Ich stand eingangs der „Hatzenbach“ als ein kleiner Rennwagen praktisch in „Falllinie“ die schnelle Bergabrechtskurve anfuhr, nicht „lupfte“ oder bremste, sondern vorher hochschaltete und sich mit dem „harten Schlag“ des Einzylinder-Motors dann akustisch von mir entfernte. - Wer war das?
Nachgeschaut: Stirling Moss! - Ich habe dann schon seine weitere Entwicklung beobachtet. Sie verlief nicht steril. Stirling Moss fuhr alles was vier Räder hatte: Formel 3, Formel 2, Formel 1, Sportwagen, Tourenwagen. - Seine Erfolge waren zwar abhängig vom Produkt, aber fahrerisch war er immer „Spitze“.
Lag das in der Familie? - Jahre später habe ich seine Schwester, Pat Moss, bei der Siegerehrung zur „Liège – Rom – Liège“ kennen gelernt, die gerade diese „Fernfahrt“ mit einem Austin Healey 3000 gewonnen hatte. Siegerehrungen waren damals genauso ein Erlebnis wie der eigentliche Anlass dazu. Die Fahrer erschienen z.T. im Smoking, die Damen im Abendkleid. Pat Moss war so „normal“ wie ihr Bruder, tanzte – als es später wurde – mit nackten Füßen. Begründung: „Mit solchen Schuhen kann ich nicht tanzen!“
Für mich war nicht vorstellbar, wie man im Renntempo nicht nur so eine Fernfahrt in einem Austin Healey der damaligen Zeit überstehen, die „Fernfahrt“ - 3.500 Kilometer Non-Stop! - gewinnen und noch bei der Siegerehrung bis in den frühen Morgen durchfeiern kann.
Bruder und Schwester Moss waren aus dem gleichen Holz geschnitzt. Sie waren „natürlich“ schnell, mit einer unglaublichen Kondition gesegnet. Stirling wurde niemals Formel 1-Weltmeister, aber war ein ganz Großer seiner Zunft. Zu Recht wurde er im Jahre 2000 in England zum Ritter geschlagen.
Im Gegensatz zu den Rennfahrern der heutigen Zeit haben ihn Statistiken nicht interessiert. Er war jeweils auf die Gegenwart fokussiert. Das aktuelle Rennen war jeweils wichtig. Aus dem Resultat ergab sich Zufriedenheit oder Unzufriedenheit. - Aber dann kam das nächste Rennen!
Nun wird es keine Rennen mit Stirling Moss mehr geben. - Warum sollte ich traurig sein? - Ich habe ihn ja noch erlebt!
Aber ehrlich: Solche Typen wie Stirling Moss passen heute auch nicht mehr ins „Geschäft“!
MK/Wilhelm Hahne