(Test-)Unfälle: Man sollte drüber sprechen!

Unfälle am Nürburgring – und dann noch auf der „Nordschleife“ - die werden wegen ihrer Wirkung auf die Öffentlichkeit z.Zt. gerne mal verschwiegen. Der Tod eines Zuschauers hat Ende März unter denen die Verantwortung tragen Chaos-Reaktionen ausgelöst. Dabei war der Unfall eigentlich in den Sicherheitsmaßnahmen begründet, die man gerade zur Beruhigung einer durchs Marketing in Richtung Sicherheit sensibilisierte Öffentlichkeit frisch installiert hatte: Das „Nordschleifen-Permit“. - Blödsinn! - Reine „Geldschneiderei“! - Dass dann ganze Fahrzeugkategorien für diese Rennstrecke gesperrt wurden: Der „Schuss aus der Hüfte“ eines überforderten Sport-Funktionärs. Der sein Ziel dann auch verfehlte, nur ein Beispiel für reinen Aktionismus war. Außerdem war die Einführung von Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der Rennstrecke „Nordschleife“ zu registrieren: Eine Überreaktion von Hilflosen. - Trotz der Zustimmung einiger Rennfahrer. - Denen muss ihre Abhängigkeit zugute gehalten werden. - Dann der Bau von zusätzlichen Zäunen. - Als Zusatz-Sicherheit? - Ohne notwendige Bau-Genehmigungen, sogar ohne jeden Bauantrag? - Wenn jetzt trotzdem etwas passieren würde: Eine Katastrophe! - Meint man. - Und verschweigt Unfälle und – wenn es denn sein muss – auch Tote! - Aber eigentlich hat das alles am Nürburgring Tradition.

(Test-)Unfälle: Man sollte drüber sprechen!

Es gab einen Testunfall mit einem GT4-Prototypen in der letzten Woche. Um es vorweg zu nehmen: Der Fahrer hat keinen Schaden genommen, war Tage später schon wieder in Le Mans auf einer Rennstrecke in einem Rennfahrzeug unterwegs.

Da wir gerade darüber sprechen: Die Differenz zwischen dem schnellsten und langsamsten Rennfahrzeug liegt in Le Mans bei 40 km/h. - Und am Nürburgring? - Wobei hier aber nicht nur der Top-Speed eine Rolle spielt, sondern auch der Abtrieb!

Das zu ändern, geht nur mit Zustimmung der Industrie. Und die würde sich gerne – weil es um Geld geht – durchsetzen. Immerhin hatte Porsche vorgemacht, wie man – auch (!) - mit dem Motorsport Geld verdienen kann. - So kam es zu einer Einführung der GT3-Kategorie, die „seriennah“ sein soll. - Sein sollte. Nicht nur die aerodynamischen Hilfsmittel lassen diese „seriennahen“ Motorsport-Versionen zu abstrakten Werbeträgern ihrer Marken werden.

Die Industrie sollte zur Kenntnis nehmen, dass sie sich den Ansprüchen einer Gesellschaft, die sie selbst durch ihr Marketing in Sachen Sicherheit sensibilisiert hat (aus merkantilen Gründen!) nun auch anpassen muss. - Auch mit ihren „seriennahen“ GT3-Modellen!

Bei der GT3-Kategorie sind Einschnitte notwendig. - Beim DMSB weiß man das. - Aber man traut sich nicht mit den „Partnern“ ernsthaft zu reden. Auf der Industrieseite versucht man ein „eigenes Süppchen“ zu kochen und weiß sich eigentlich der „Hilfs“-Arbeiter sicher. - Warum sollte es im Motorsport anders zugehen, als beim Fußball?

Herr Sepp Blatter trägt seit der WM 2006 sogar ein „Großes Verdienstkreuz“ der Bundesrepublik Deutschland! - Übrigens: Kurt Beck ist da noch eine Nummer besser: Er trägt das „Großkreuz“! -

Doch zunächst mal zu den Abläufen und Geschehnissen in den letzten Tagen auf der Nürburgring-Nordschleife:

Nein, man wollte nicht auf einer „Industriewoche“ den „Hecht im Karpfenteich“ spielen. Also hatten sich Porsche und Mercedes auf einen speziellen Testtag auf der Nürburgring-Nordschleife geeinigt: Donnerstag, 28. Mai 2015.

Man würde nur die reine „Nordschleife“ zum Testen und Vergleichen benötigen, auf den Grand-Prix-Kurs hat man gerne verzichtet. So etwas gibt’s anderswo billiger. Schließlich galt es, neue Einsatzmodelle „von Morgen“, den Ansprüchen der Nürburgring-Nordschleife anzupassen.

Natürlich würde man für die „Retortenkurse“ eine andere Fahrwerkabstimmung brauchen, aber die ist ebenso nahe bei „08/15“ angesiedelt, wie die Rennstrecken. Auf der Nordschleife benötigt man z.B. vernünftige Ein- und Ausfederwege. Primitivabstimmungen wirken da nicht. (Audi könnte dazu aus Erfahrung erzählen.)

Porsche und Mercedes hatten ihre Lager an der „T 13“, der Tribüne aufgeschlagen, deren eigentlicher Nutzen in der letzten Zeit darin bestand, die Nürburger Bürger vor dem Lärm auf dem Grand-Prix-Kurs ein wenig zu schützen.

Man hatte kleine Partyzelte aufgestellt, um bei evtl. schlechtem Wetter – nur Politiker sehen im Nürburgring eine „Ganzjahresdestination“ - ein wenig geschützt zu sein. Als Reifen-Partner waren für Mercedes Dunlop, für Porsche Pirelli vor Ort.

Die fahrerischen „Speerspitzen“ waren bei Mercedes, Bernd Schneider und Porsche, Sven Müller. Schneider bemüht sich darum, den Nachfolger des Flügeltürers-SLS, dessen letzte „Serien“-Version bei „Black Falcon“ landete, dem Mercedes-Benz AMG GT3 das Laufen beizubringen, während sich Sven Müller nicht nur mit dem neuen Porsche 911 GT3 R beschäftigte, sondern auch noch einen GT4-Prototypen bewegte.

Sven Müller ist jetzt 23 Jahre alt, hat Kart- und Formel-Erfahrung und befindet sich seit 2014 im Förderprogramm von Porsche. Dass er hier am Nürburgring als Testfahrer zum Einsatz kam, liegt auch daran, dass er gerade in dem Porsche-Cup-Lauf, ausgetragen vor dem 24-Stunden-Rennen in diesem Jahr auf der Nordschleife bewiesen hat, dass er fahrerisch zu den Besten gehört.

Aber die Porsche-Techniker loben auch sein technisches Verständnis. Er kann seine Fahreindrücke so wiedergeben, dass sie auch durch die Techniker in die richtige Richtung umgesetzt werden können. Aus Sicht der Porsche-Mitarbeiter war Sven Müller für die Tests am Nürburgring eine gute, die richtige Wahl. Und die Arbeit begann auch so, wie sie vorgesehen war.

Es ging voran. Vor allen Dingen der Prototyp, den die einen als „Porsche GT4“, die anderen als „Porsche NR“ (NR = Nürburgring) bezeichnen, war mit seinen Fahrleistungen auf der Nordschleife, vor allen Dingen auch im Vergleich zum Porsche 911 GT3 R, eine Überraschung. - Die Basis war der neue Porsche „Cayman“.

Nur kam Sven Müller dann mit diesem Fahrzeug von einer seiner schnellen Runden nicht zurück. - Abflug - und dann abgebrannt! -  Der Schaden dürfte – weil man die Entwicklungskosten nicht vergessen darf - im siebenstelligen Euro-Bereich liegen, da das Fahrzeug restlos ausbrannte.

  • Ergänzung, 2. Juni 2015, 10:15 Uhr: Aus der Nachrecherche heute – ich komme gerade aus Adenau - ergibt sich eine Korrektur. Das Fahrzeug ist nicht ausgebrannt. Es gab zwar einen Brand, der aber nicht den mir zunächst geschilderten Umfang hatte und durch Sven Müller selbst gelöscht werden konnte. Bei dieser Löscharbeit hat er wohl Löschstaub eingeatmet, was einen kurzen, vorübergehenden Aufenthalt im Krankenhaus erforderlich machte, bevor er direkt nach Le Mans weiter gereist ist, wo er am Wochenende – wie geschildert – zum Einsatz kam.

Aus Stuttgart waren allein um 25 Ingenieure und Techniker angereist, abgesehen vom Einsatz, den das Raeder/Manthey-Team in diesem Zusammenhang geleistet hat. - Da kehrt dann schon einmal Stille ein – und bisher freudige Mienen verdüstern sich. - Zum Glück blieb der Fahrer praktisch unverletzt. - Hatte er übertrieben?

Motor-KRITIK hat sich die Unfallstelle einmal nach Tagen – an diesem Wochenende - angesehen.

Hier wurden auf vielen Metern die Leitplanken erneuert. Damit das nicht so auffällt, wurden sie an einer Stelle – stilgerecht – mit Farbe beschmiert. (Übrigens: Die „Schatten“ auf dem Foto sind durch die unscharf dargestellten Maschen des FIA-Zauns entstanden, durch die man hier hindurch fotografieren muss.) Das mit der Farbenschmiererei gerade ein Hinweis auf eine Ehrung erfolgte, die jemand erfuhr...

...weil er – an diesem Streckenabschnitt – einen (wie ich meine) selbstverschuldeten „Flugunfall“ nach dem „großen Sprunghügel“ überlebt hatte, entbehrt nicht einem gewissen Kontrast: Einer, Stefan Bellof, erfährt für seinen Unfall eine Ehrung, einem anderen, Sven Müller, wird man diesen teuren Totalschaden an der gleichen Stelle vorwerfen.

Soweit meine Erfahrung an diesem Streckenabschnitt reicht – ich habe ihn in meinem Leben ein paar tausend Mal passiert – ist dieser Unfall nicht Sven Müller zuzuschreiben. Wie meine Fotos zeigen, kam er vom „großen Sprunghügel“ am „Pflanzgarten“ zur schnellen, „voll“ zu durchfahrenden Rechtskurve und ist dann auch danach rechts eingeschlagen.

Aus Motor-KRITIK-Sicht kann nur ein Materialfehler, ein Bruch, der Auslöser für diesen Unfall sein.

Man kommt nach dieser Rechtskurve an „Posten 177“ vorbei. Direkt danach ist der Porsche dann eingeschlagen. Sein Weg in die Leitplanken war auch noch nach Tagen auf dem Asphalt fotografisch festzuhalten. (s.o.)

Sven Müller war am Wochenende nach diesem Unfall schon wieder bei den Vortests zum 24-Stunden-Rennen von Le Mans unterwegs, hat darum auch nicht am Porsche-Cup-Lauf am Lausitzring teilnehmen können.

Das Training in Le Mans war für ihn als Rennfahrer sicherlich auch wichtiger, als ein paar Punkte in einem deutschen Cup zu sammeln. Sven Müller ist in Le Mans als Reservefahrer, als 4. Mann auf den zwei Werks-Porsche (Manthey-Team) gemeldet.

Nach den Vortests dort liegt der beste Manthey-Porsche auf Platz 4 der LM GTE-Pro-Kategorie. Nach Aston Martin, Chevrolet Corvette und Ferrari 458. - Porsche wird das nicht gefallen. Von 64 Teilnehmern an den Vortests platzierte man sich auf Platz 39 und 42, während der beste LM GTE auf Platz 35 landete. Der Abstand beträgt rd. 1 Sekunde pro Runde zum Aston Martin V8.

Am Nürburgring wurde der aussichtsreiche Porsche-„Nachwuchsstar“ in einer anderen Kategorie gerade zerstört. - Die Porsche-Zukunft wird auch – wie anderswo – im Sportwagenbereich bei einem Mittelmotor-Sportwagen liegen.

Aber warum spricht man nicht über den Unfall? - Nicht die realen Abläufe bestimmen heute die „moderne“ Berichterstattung, sondern das, was man aus Marketinggründen für wichtig und richtig hält.

Da wird dann immer wieder nach dem Motto „Alles wird gut“ berichtet. Selbst so kleinen Zeitungsmeldungen, wie sie heute z.B. zu lesen waren, ist nicht zu trauen. „Drei Schwerverletzte“ hat es danach am Samstag bei „Touristenfahrten“ auf der Nürburgring-Nordschleife gegeben.

Auf der Geraden, auf der bei Rennen eine 250 km/ eine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt, sind kurz nach der letzten Kurve, dem „Galgenkopf“ dann noch in der Beschleunigungsphase zwei Motorradfahrer aufeinander gefahren. Einer fuhr langsam, gemütlich; der andere offensichtlich „voll“. Und dann in den anderen. - Beide sind lt. Zeitungsbericht, dem der Polizeibericht zugrunde liegt, schwer verletzt.

Ich erinnere mich an den Unfall einer Motorradfahrerin bei „Touristenfahrten“ vor Jahren (Motor-KRITIK berichtete), die von zwei BMW-Mitarbeitern in zwei BMW-Renntaxi's unterwegs, in der so genannten „Mutkurve“ „in die Zange genommen“ und über die Leitplanken in die Tiefe geschickt wurde. - Die Motorradfahrerin, Frau eines Tierarztes, war auch „schwer verletzt“. - Sie ist dann nach der Einlieferung im Trierer Krankenhaus verstorben.

An diesen Fall von „schwerverletzt“ habe ich deshalb eine Erinnerung, weil damals natürlich auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet war. Die hat den Fall untersucht und z.B. die Anwälte der beiden BMW-Mitarbeiter befragen lassen, ob sie zum Zeitpunkt des Unfalls schneller als 130 km/h gewesen wären. - Die Antwort hätte sich der Staatsanwalt eigentlich selber geben können. - Natürlich waren sie nicht schneller.

Aufgrund ihrer guten – auch firmeninternen – Beratung haben die Fahrer natürlich auch niemals dem Ehemann der tödlich Verletzten ihr Beileid ausgesprochen oder in irgendeiner Form Kontakt aufgenommen.

Unsere moderne Gesellschaft ist in ihrem Denken und Handeln – aus Motor-KRITIK-Sicht – ein wenig „krank“.

Wie man auch an dem Verhalten nach Unfällen am Nürburgring und in deren öffentlicher Darstellung oder Nicht-Darstellung sehen kann.

Oder am GT3-Reglement ablesen kann, das primär durch Firmeninteressen bestimmt ist.

Oder, dass man inzwischen „Erlkönige“ auffällig beklebt, damit sie in einer Art „Vorberichterstattung“ durch die Presse geistern.

Darum wurde hier ein „Erlkönig“-Unfall besprochen, der von „Erlkönig“-Jägern – oder wie immer man sie bezeichnet – leider übersehen wurde.

Nun fand er auch zu einem Termin statt, der nicht offiziell verkündet war.

Na, so was aber auch!

MK/Wilhelm Hahne

 

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