3. Juli 2015: Lieber Leser!

„Atemlos durch die Nacht“ ist ein Lied, das von Helene Fischer gesungen, zur Zeit besonders gut beim Publikum ankommt. - Wegen der Melodie? - Wegen des Textes? - Wegen der Interpretin? - Man weiß es nicht. Sicherlich hat auch die Kombination eine Bedeutung, trägt zum Erfolg des Liedes bei. - Aber ist es vielleicht nicht doch die Zeile „Atemlos durch die Nacht“, die die Menschen anspricht? - Wahrscheinlich alle „auf dem Weg nach Nirgendwo“. Denn oftmals erscheinen nicht nur einzelne Gruppen, sondern unsere moderne Gesellschaft insgesamt ein wenig orientierungslos. Natürlich hat das Marketing unserer Industriefirmen die Orientierung nicht verloren und erstellt fleißig „Käuferprofile“. An solchen „Profilen“ werden dann die Produkte ausgerichtet. An denen orientieren sich dann wieder die Medien in ihrer Berichterstattung. Denn es kann doch nicht falsch sein, was bedeutende Anzeigenkunden als Wahrheit verkünden. Wissenschaftlich untermauert! Und in den Archiven lagert inzwischen so mancher Blödsinn, der dann später einmal wieder den Extrakt für neuen Blödsinn bilden wird. - Man muss daran glauben. - Unsere Gesellschaft irrt derweil ein wenig orientierungslos – und atemlos - durch die Nacht. - Moderne LED-Lichter weisen den Weg ins Nirgendwo. -

3. Juli 2015: Lieber Leser!

Verantwortung wird heute gerne delegiert. Arbeitsgruppen treffen Entscheidungen. Nach vielen und langen Sitzungen. Oder es werden Volksbefragungen durchgeführt. - Nicht nur in Griechenland. - Warum sollte ein Einziger für etwas die Verantwortung alleine tragen? - Man sieht doch im Fall der „Nürburgring-Affäre“, dass es sich mit dieser modernen Art von Verantwortung-Zuordnung praktisch immer gelingt, „den Hals aus der Schlinge zu ziehen“.

Da hat es gerade eine groß angelegte Umfrage zum Thema Formel 1 gegeben. Die Fahrergewerkschaft GPDA hat sie angeregt und 217.756 Personen – Fans – haben ihre Meinung kundgetan. Überwiegend wurde die aktuelle Formel 1 mit den Attributen „teuer“ und „langweilig“ belegt.

Aber von diesen Fans Lösungsvorschläge zu erwarten, die umsetzbar sind, wäre zuviel verlangt. Schließlich stehen Industrieinteressen im Vordergrund. Und Marketing-Spezialisten wissen, wie man eine Sportart „spannend“ gestaltet. - Wer sonst?

Warum hat man die Fans eigentlich befragt? - Hier folgen „moderne“, in die Zeit passende Vorschläge:

Man könnte Sieger mit Zusatzgewichten belasten, die Schnellsten im Qualifying nach hinten stellen. Natürlich könnten sie von ihren Teams „nach vorne gekauft werden“. - Für einen guten Zweck. Der am meisten zahlt steht vorne. - Und kommt so wahrscheinlich auf die Titelseite einer Zeitung.

Oder man könnte Zwangsstopps vorschreiben, in der dann die Fahrer Zeit haben, ein bestimmtes Erfrischungsgetränk zu sich zu nehmen. Natürlich muss der „Sponsor“ dafür ein paar Millionen zahlen. - Eine einmalige Werbung! - Wie wäre es mit Milch?

Geradezu simpel ist dagegen der Vorschlag der Fans, sich wieder vom „Einheitsreifen“ zu trennen. Pirelli ist da aktuell im Geschäft. Vorher war das Michelin. - Aber was soll daraus werden? Sollen etwa japanische Hersteller in Konkurrenz zu europäischen Reifenherstellern beweisen, dass sie die Kunst der „Reifenbackens“ besser beherrschen? - Das geht nicht!

Mal abgesehen davon, dass alle Reifenhersteller auf der Welt den Käufern und Nutzern ein Produkt anbieten, das auf einem Konzept beruht, das man vor hundert Jahren als gültig betrachtete. - Im Interesse einer konstanten kommerziellen Entwicklung hat man neue Ideen und Ansätze unterdrückt!

Die Fans haben – übrigens mehr als 100.000 - z.B. Zusatzpunkte für die schnellste im Rennen gefahrene Runde gewünscht. Da hätte dann z.B. ein Raikkönen in diesem Jahr schon mal Zusatzpunkte erhalten, obwohl es gelungen war, das vor den Medien weitgehend zu verbergen, weil es auch sonst die Stimmung bei den neuen Vertragsverhandlung für Ferrari verschlechtert hätte.

Wenn Sie mich fragen: Raikkönen ist aus meiner Sicht der bessere Rennfahrer als Vettel, wie auch Hamilton ein besserer – komplexerer – Rennfahrer als Rosberg ist.

Achten Sie mal darauf, wie die Industrie versucht, aus Rennfahrern PR-Mitarbeiter nach eigenem Marketing-Strickmuster zu machen. Das hat im Endeffekt ungefähr das gleiche Ergebnis, als würde man den Willen eines Rennpferdes dadurch brechen, dass man sich beim Liegen auf seinen Hals setzt. Das arme Pferd wird sich wehren und wehren und wehren. (Es kann so niemals aufstehen!) - Bis es schließlich aufgibt. - Und damit ist dann ein Rennpferd mit dem natürlichen Hang an die Spitze zu wollen – kein Rennpferd mehr. - Vorbei!

Ähnlich sind heute die Verhandlungen um „Gehälter“ mit Rennfahrern. Man versucht sie so lange zu demütigen, bis sie begreifen, dass sie nur ans „große Geld“ kommen können, wenn sie sich unterwerfen, die Marketing-Strategien der großen Werke akzeptieren. - Die Bezeichnung Sport verdienen solche Veranstaltungen nicht an denen sie dann teilnehmen. - Müssen! -

Die Industrie interessiert sich nicht für Fahrer-Weltmeister, sondern favorisiert die Teamwertung. Mercedes arbeitet z.B. am liebsten mit „Siberpfeil-Statistiken“.

Nicht nur Worte wie Moral und Ethik werden heute von Politikern missbraucht, sondern auch das Wort Menschenführung von Managern. Den meisten Managern ist dafür ein natürliches Gefühl verloren gegangen.

Wie überhaupt das Selbstverständnis der Manager mit dem Steigen ihrer Gehälter ins Unendliche gewachsen scheint. Eigentlich glaubt man inzwischen daran, die Meinung der Öffentlichkeit durch eine direkte Einflussnahme auf Politik und Medien steuern zu können. - Oder durch einen Boykott.

Mit richtigem Aufwand und mit Nutzung eines Mythos, den eine bestimmte Modell-Bezeichnung umgibt, glaubt man auch, wieder den (Verkaufs-)Erfolg eines neuen Modells bestimmen zu können. Achten Sie doch aktuell einmal auf die Versuche von Alfa, mit einer neuen „Guilia“ wieder an ein außergewöhnliches Modell in seiner Zeit - aus den 60ern – dann in 2016 anschliessen zu können. Und versuchen Sie mal zu begreifen – wenn sie die erste „Giulia“ kennen – was das neue Modell mit dem alten mehr gemein hat als den Namen.

In „Auto-Bild“ kann man lesen:

„Schön, dass du wieder da bist

Ein Glück! Sie heißt Giulia, sie trägt diesen Namen zu Recht und muss den Vergleich mit der gleichnamigen Sportlimousine von 1962 nicht fürchten. Forza Alfa!“

Die neue „Giulia“ wirkt neben der Ursprungs-“Giulia“ wie eine ursprüngliche Naturschönheit, die man mit einer Reihe von Schönheitsoperationen „aufgespritzt“ hat. - Genuss im Stil der neuen Zeit?

Und man arbeitet, weil das heute beeindruckt, mit hohen PS-Zahlen und niedrigen von „Null auf Hundert“-Sekunden. Die Leser erfahren im Lauftext, dass bei der neuen „Giulia“ mit

„radselektiver Drehmomentverteilung und einem elektromechanischen Bremssystem zur Gewichtsverteilung

gearbeitet wird. - Und niemand hat's in der Redaktion begriffen? - Alfa wird’s gleich sein, Hauptsache die angeregte Grund-Stimmung und „Anmache“ kommt rüber!

Anderes Beispiel: Da gibt es das Mercedes-Benz Innvovationsmagazin „next“, in dessen neuester Ausgabe eine Geschichte zum Thema „Elektromobilität“ klar machen soll:

„Norwegen ist das fortschrittlichste Elektromobilitätsland.“

Autor ist ein Walter Wuttke. Ich kenne einen Walter Wuttke, aber mit „h“ (Walther). Ein Blick ins Impressum - und mir ist zumindest klar, wie das (wahrscheinlich!) lief:

Die Redaktion von „next“ sitzt in Berlin. Wuttke hat vor Jahren (2012) eine Norwegen/Elektroauto-Geschichte für den Berliner „Tagesspiegel“ geschrieben. Da wird man sich dann erinnert haben. Und warum sollte Walther Wuttke keine Geschichte für „next“ über Norwegen schreiben? Tatsächlich gibt es dort viele Elektro-Automobile, obwohl – wie Wuttke schreibt – die Voraussetzungen durch die vorhandene „anspruchsvolle Topografie“ und die „langen, kalten und dunklen Winter“ eigentlich schlecht sind.

Wir bei Motor-KRITIK haben da wohl eine falsche Sicht der Dinge. Wir empfinden die Voraussetzungen in Norwegen für die Nutzung von Elektro-Automobilen als relativ gut. Nicht nur weil der Staat dort das E-Auto bisher (das ändert sich demnächst!) wirklich eindrucksvoll fördert:

Käufer sparen:

  • 25% Mehrwertsteuer,
  • Zulassungsgebühren,
  • Import- und Zollabgaben,
  • eine Sondersteuer (die sich an der Motorisierung und den Abgaswerten orientiert)
  • die sonst übliche Maut.

Sie erhalten:

  • kostenlosen Strom an öffentlichen Säulen,
  • können höhere Kilometer-Pauschalen in der Steuererklärung abrechnen,
  • in der Stadt die Bus-Spuren nutzen,
  • kostenlos parken.

Ab Januar 2018 wird das zwar ein wenig anders, aber wir finden, dass gerade in Norwegen auch sonst geradezu ideale Voraussetzungen für die Einführung von E-Autos herrschen:

  • 75 Prozent der Gesamtbevölkerung wohnen in größeren Städten,
  • auf Landstraßen ist die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h begrenzt.

Trotzdem: Betrachtet man den Verkaufserfolg der E-Automobile in Norwegen einmal mit journalistischer Brille, so fällt auf, dass der Anteil an „Tesla S“, einem nicht billigen Automobil, dort ungewöhnlich hoch ist. Was nichts anderes bedeutet als: Die Vorteile, die der norwegische Staat dem Käufer von E-Automobilen bietet, wird überwiegend von der „Upper-Class“, von den Reichen des Landes genutzt.

Aber diese Art der Darstellung war sicherlich nicht für „next“ gewünscht. Dieses „Innovationsmagazin“ ist eben ein schönes Magazin mit schönen, erbaulichen Geschichten, auf teurem Papier, das den Leser zum „Auto von morgen“ hinführen soll.

Die Vorhersagen bedeutender Industrie-Manager haben schon – wie wir inzwischen wissen können – vor Jahrzehnten nicht gestimmt. Jetzt versucht man neu eine „Aufbruchsstimmung“ zu schaffen, die aber noch keine wirklich überzeugende Basis hat. - Aber schöne Geschichten zu dem Thema sind nicht verboten.

Genauso wenig wie die Vorhersagen zum Verkaufserfolg von kommenden Modellen. Und das „in den Himmel heben“ von „Oldtimern“, die alle große Verkaufs-Erfolge waren. - Wenn man dazu die aktuelle Meinung und Feststellung der „Fachleute“ liest. Manchmal schüttelt es mich geradezu, wenn ich dazu die aktuelle Berichterstattung lese. - Weil ich zu der Zeit schon in der Branche aktiv war und die Realität kenne.

Übrigens: Die erste Alfa Giulia war wirklich ein besonderes Auto, wie auch junge Leute beim Betrachten dieses „alten Modells“ begreifen werden. Die erste Serie wurde übrigens ausschließlich in Weiß geliefert und hatte als Besonderheiten eine Fünfgang-Lenkradschaltung mit der ein Getriebe mit Porsche-Synchronisation bedient wurde.

Noch eine Besonderheit: Die „Giulia“ hatte eine Kugelumlauflenkung.

Heute sind technische Details für den Käufer ohne jede Bedeutung. Hört man. Darum wird auch in der Berichterstattung darauf verzichtet. Die berichtenden „Fachleute“ verstehen diese Technik ja selbst kaum. Darum werden sie auch kaum wissen, warum die Porsche-Synchronisation z.B. den Erfolg den von Borg-Warner auf diesem Gebiet kaum gefährden konnte.

Aber interessant findet man die Leasingraten, die möglichen Rabatte und die irre Komplettausstattung! -

Aber die Kollegen werden auch wohl kaum die Geschichte kennen, wie BMW dank dieses wunderbar knurrenden 1,6 Liter-Vierzylinder-Motors der „Giulia“ mit zwei obenliegenden Nockenwellen und zentral verbauten Zündkerzen, in deren Mulden – aus welchen Gründen auch immer – meist etwas Öl zu finden war, dann zu dem „kleinen Sechszylinder“ mit hohlgegossener Kurbelwelle fand. - Obwohl das bei Motor-KRITIK schon mal zu lesen war.

Heute favorisieren die Kollegen den „halben Sechszylinder“ bei BMW, eine Motorenkategorie, die sie vorher mit Verachtung straften. - BMW hatte ihnen da auch noch keine passende Vorlage geliefert. - Und der Ford-Dreizylinder? - Der verdient eigentlich eine eigene Geschichte. Die ist auch eine andere ist, als sie jetzt kolportiert wird.

Die Indstrie liefert lesenswerte Vorlagen. - Aber wer liest schon Motor-KRITIK? - Sonst würde man z.B. mal auf die offizielle Antwort der Europäischen Kommision auf die Anfrage in Brüssel warten und nicht Energien in überflüssigen Aktionismus verpuffen lassen. - Oder in die Berichterstattung über solchen Aktionismus.

Vielleicht gehört man aber auch zur Landespressekonferenz in Mainz und damit zu den „Facharbeitern“, die ihre Unterlager etwas früher in ihren Fächern dort finden, als sie anderen Kollegen zugestellt werden. - „Facharbeiter“ sind heute gefragt!

Damit diese Geschichte nicht auch ausartet – denn sie könnte sozusagen endlos weiter geschrieben werden – soll sie hier wie üblich enden:

Fortsetzung folgt!
Wilhelm Hahne

Nachtrag am Montag, 6. Juli 2015: Raikkönen war in Silverstone im 1. Training schneller als Vettel, auch im 2. Training, auch im 3. Training, er war es auch im Qualifying, fuhr im Rennen deutlich vor Vettel und machte dann bei einsetzendem Regen den Fehler, zu früh einen Reifenwechsel vorzunehmen. Das machte einen weiteren – zusätzlichen – Reifenwechsel erforderlich. - Und Vettel, der mit der besseren Übersicht, fuhr auf Platz 3 des Rennens. - Die bessere Rundenzeit im Rennen erzielte Raikkönen in der 31. Runde des Rennens. Er war dort um 0,214 sec schneller als Vettel. - Beide fuhren in der 31. Runde des Rennens ihre schnellste Runde. - Die von Raikkönen war sogar schneller als die von Bottas im Williams.

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