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Natürlich rauschte es ein wenig im Blätterwald. Aber das Rauschen war „einseitig“. Die Meldungen ähnelten sich zu sehr. Man versuchte erst gar nicht Zusammenhänge herzustellen, Auswirkungen zu begreifen. Man hatte offensichtlich „den Wind“ nicht begriffen, der auf dem Gebiet des Motorsport schon etwas bewegen könnte, vielleicht zum Sturm wird. So haben die meisten Leser dieser Meldungen auch nicht begreifen können, was – und wie groß - die Auswirkungen sein werden. Und wo sie überall auftreten könnten. - Manche Insider halten dagegen schon den Atem an. - Motor-KRITIK hat einmal „stille Post“ gespielt und den Eindruck erhalten, dass wichtige „Strippenzieher“ im deutschen Motorsport schon begriffen haben, dass ihnen in naher Zukunft wahrscheinlich etwas Wichtiges verloren gehen könnte: Millionen nämlich! - Dummerweise werden das Euro sein. - Und das alles, weil ein Vorstandsmitglied der Post – wie es so schön heißt – seinen Posten niedergelegt hat. - Anders, verständlicher: Man hat ihn vor die Tür gesetzt: Dr. h.c. Jürgen Gerdes ist im Bonner „Post-Tower“ Vergangenheit. Die Post nennt es eine Trennung wegen „unterschiedlichen Auffassungen über die strategische Schwerpunktsetzung des Unternehmens". Nach rd. 30 Jahren Arbeit bei der Post, seit 2007 als Mitglied des Vorstandes, wird Jürgen Gerdes nun bei dieser Firma zum 30. Juni 2018 ausscheiden und sein Büro im 29. Stock in der Bonner Zentrale räumen. - Aber das wird Auswirkungen haben, die die Mehrheit der Leser dieser Nachricht noch nicht begriffen hat.
Fast übersehen: Dem Motorsport „geht die Post ab“!
Es gibt keine bedeutende Serie im deutschen Motorsport – aber auch einige von internationaler Bedeutung – in der man nicht irgendwie vom Sponsor Post oder DHL profitiert. - Das beginnt mit der Nachwuchsförderung im Motorsport, wo die Arbeit der „Deutsche Post Speed Academy“ seit vielen Jahren unverzichtbar scheint, wo deren Arbeit im Ereignis bedeutsamer ist, als die so mancher großer e.V‘s.
Die Triebfeder bei Schaffung dieser „Academy“ war jener Jürgen Gerdes, der nun ausscheidet. Er ist ein Autofan, mag die getunten Audi‘s von Abt und ist ein Fan des Motorsports, was ihn nicht daran hindert, auch ein Fan von Schalke 04 zu sein.
Im 29. Stock des „Post-Tower“ residierte Jürgen Gerdes bisher, abgeschirmt durch ein Vorzimmer, dem noch ein Wartezimmer für seine Besucher vorgelagert war. Dort bekam man schon einen Eindruck von dem Sport den der Dr. h.c. - 2017 verliehen durch die HHL Graduate School of Management, Leipzig - besonders mochte: Den Motorsport, der durch kleine Automodelle hinter Glas dokumentiert wurden und den Fußball, der symbolisch durch ein Fähnchen von Schalke 04 dargestellt war, einem Verein, den Jürgen Gerdes besonders gerne mag. - Er ist ein Schalke 04-Fan!
Nein, er war in der Firma nicht besonders beliebt, galt schon als etwas abgehoben, unbequem, ruppig, arrogant. Er hatte bei der Post so einige Aufs und Abs hinter sich. Jürgen Zumwinkel – wer erinnert sich nicht seiner telegenen Verhaftung? – hatte ihn einst (2007) zum Vorstand gemacht. Jetzt – quasi zum Abschied – stellte der Aufsichtsratsvorsitzende von Deutsche Post DHL Group, Nikolaus von Bomhard, fest:
„‘Unter der Führung von Jürgen Gerdes hat sich die Division Post - eCommerce - Parcel über mehr als ein Jahrzehnt sehr erfolgreich entwickelt. Er hat kundenorientierte Innovationen und die Internationalisierung erfolgreich vorangetrieben und über viele Jahre maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg der Gruppe beigetragen. Zuletzt hat er im Ressort Corporate Incubations erste wichtige Schritte unternommen, um die Weichen für die Zukunft des Unternehmens in den Feldern Digitales, E-Mobilität und Automatisierung zu stellen‘“.
Was er nicht sagte war, dass Jürgen Gerdes intern für das nicht Erreichen des versprochenen Jahresergebnisses (mit?) verantwortlich gemacht wird. Man wird wohl in 2018 eine halbe Milliarde Euro weniger verdienen als im letzten Jahr. - Das ist eine Menge Holz und man fragt sich, ob denn wohl die Geschäfte in diesem Jahr so viel schlechter gegangen sind.
Aber man muss auch einmal an die Ausgaben denken, die Jürgen Gerdes durch seine Weichenstellungen in Sponsoring und Werbung zugunsten des Motorsports in neue Größenordnungen verschoben hatte. Sein Nachfolger wird kaum „so sportlich“ denken. Damit ist nicht nur an die „Academy“ gedacht, aus der z.B. ein Nico Hülkenberg hervorgegangen ist.
Motor-KRITIK hat mal im Internet ein paar Screenshots gemacht, um überhaupt einen Eindruck davon zu vermitteln, wie vielfältig das Engagement der Deutsche Post DHL Group nicht nur im deutschen Motorsport, sondern auch im internationalen Motorsport war:
Da ist – wie schon erwähnt – die „Deutsche Post Speed Academy“, die ein „Kind“ des Jürgen Gerdes war. Wenn die Elektro-Rennwagen der Formel E nach Peking geflogen werden mussten, war „seine“ DHL zur Stelle und selbstverständlich profitierte auch ie Formel 1 von seinem Engagement im Motorsport, wie die Info aus März 2018 zeigt, wo man nicht nur die „Logistikpartnerschaft“ mit der Formel 1 verlängerte, sondern auch noch einen Spezialanbieter – die DOT – integrierte. - Das alles kostet Geld.
Wobei auch eine Tuning-Firma wie Abt profitierte, denn Jürgen Gerdes hat sicherlich in den letzten Jahren gerne Automobile mit mehr als 500 PS gefahren. Das waren oft von Abt getunte hubraumgroße Audi-Modelle. Man hat nicht nur bei Abt, sondern auch mit Abt in Sachen DTM oder Formel E zu Herrn Dr. h.c. Jürgen Gerdes gute Kontakte gepflegt.
Die DTM muss Herrn Gerdes auch dankbar sein, denn es gibt nicht – wie hier abgebildet – nur ein „Postauto“ in der DTM, dass von dem schnellen „Postboten“ Timo Glock gesteuert wird, sondern alle DTM-Fahrzeuge tragen nicht nur vorne – sondern auch am Heck – ein Kennzeichen, das für die Sponsorbereitschaft der Deutsche Post DHL Group steht. Gerdes pflegte auch engen Kontakt zu den „Machern“ dieser Serie, von denen der „Vermarkter“ der Serie aktuell sagt:
„Die DTM ist ein erstklassiges Produkt – das wissen und schätzen auch unsere Partner, die uns seit vielen Jahren unterstützen.“
Nach dem Ausscheiden von Mercedes Ende dieser Saison wird sich diese Sicht der Dinge ändern. Auch für Sponsoren/Partner wie die Deutsche Post DHL Group. - Wenn aber - auch - immer weniger Sponsorgelder fließen, wird es für die DTM insgesamt „eng“. Immer enger! - Berger hin, Berger her.
Aber die Post war – und ist - bisher nicht nur an und in „Auslaufmodellen“ unterwegs, sondern „im Sinne der Nachhaltigkeit“ (was immer das heißen mag) auch Partner der Formel E. - Und wie man lesen kann, geht es fast bei keinen „World-Class-Event“ ohne die Hilfestellungen von DHL.
Auch wenn das wahrscheinlich zusammen genommen nicht die Milliarde Euro ausmacht, die der Deutsche Post DHL Group in diesem Jahr im Gesamtergebnis – ausgehend von den „Vorhersagen“ ihrer Verantwortlichen – verzichten muss, so lässt sich doch eine Menge Geld sparen, indem man das Sponsoring etwas strafft, nicht mehr das Geld mit der Gießkanne im Motorsport verteilt. - Nur das Briefporto zu erhöhen reicht nicht!
Und das genau das fürchten die Kenner der Situation: Der Motorsport wird auf so manche Hilfe aus Bonn verzichten müssen. Damit verlieren Rennfahrer, Rennteams und ganze Serien Sponsorgelder, mit denen sie sich bisher als gut und bedeutend im Motorsport darstellen konnten.
- Die „fetten Zeiten“ scheinen im Motorsport zu einem Auslaufmodell zu werden!
Jemand, der mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Ausscheiden des Dr. H.c. Jürgen Gerdes bei der Post auch betroffen ist, meint vorsichtig:
„Ich erwarte nichts Gutes!“
Jürgen Gerdes war zuletzt für die Post-eigene Entwicklung eines E-Lieferwagens verantwortlich, der in einer Variante demnächst auch in England als Milchwagen Dienst tun soll. - „Alles Müller, ... oder was?“ - Dieses Projekt ist durch den Weggang von Jürgen Gerdes nicht gefährdet. Der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Post, Frank Appel, geht davon aus, dass der „Streetscooter“ mindestens in den nächsten zwei Jahren von der Deutschen Post weiter produziert werden wird. - Aber man möchte kein Autohersteller sein. - Und auch nicht bleiben! - Trotzdem wird man demnächst bis zu 20.000 dieser E-Lieferwagen im Jahr in Aachen und Düren fertigen.
Man wird der deutschen Automobilindustrie sicherlich mit der erfolgreichen Fertigung und dem Verkauf von E-Transportern nicht den Spiegel vorhalten, aber auch genau so wenig nicht weiter so einseitig der Automobilindustrie beim Erstellen neuer und Erhalten „alter“ Serien im Motorsport behilflich sein wollen.
Genauso wenig werden große und kleine Verlage damit rechnen können, dass Anzeigen weiter in der Menge anfallen, die die motorsportlichen Aktivitäten der Post und der DHL einer breiteren Öffentlichkeit verdeutlichen sollten.
„Auto Bild“ ist bisher z.B. der „exklusive Medienpartner“ der „Deutsche Post Speed Academy“ und man findet in diesem Blatt dann nicht nur Anzeigen, die die Sponsorleistungen der Post „unters Volk bringen sollen“, sondern im Interesse der „Partner“ gestaltete redaktionelle Seiten, die die Leser mit dem entsprechenden Eindruck erreichen sollen. - Wie das heute nicht unüblich geworden ist bei der Fachpresse.
Man wird – mit der Zeit – auch hier merken, „dass die Post ab geht“.
Und im Motorsport wird man sich wieder erinnern müssen, dass es mal eine Zeit gab, wo wirklich „die Post abging“! - Und das ohne die (Sponsor-)Hilfe der Deutsche Post DHL Group.
Wirklich talentierte Fahrer werden sich auch ohne Deutsche Post Speed Academy im Motorsport durchsetzen - müssen. Damit sind nicht die gemeint, die heute unter dem Titel „Nachwuchsförderung“ von kommerziellen „Bezahl-Teams“ der Öffentlichkeit verkauft werden. Motor-KRITIK meint solche, die dank entsprechendem Talent und Erfahrung auch ohne Klimaanlage ein Langstreckenrennen erfolgreich beenden könnten.
Vielleicht müsste man mal im Motorsport auch neue Klasseneinteilungen vornehmen. Ich erinnere mich, dass es auch mal kleine Hubraumklassen gab, in denen bei Langstreckenrennen heftige, sportliche Kämpfe tobten, die die „damaligen Zuschauer“ auch deswegen begeisterten, weil sie mit den Fahrzeugen stattfanden, mit denen sie zur Arbeit fuhren. - Keine „Boliden“, sondern sportlich hergerichtete „Brot- und Butter-Automobile“.
Da redete man auch noch nicht von „BoP“ und „Einheitsreifen“. - Und die Post war noch die Post. Und nicht die „Deutsche Post DHL Group“.
Kann es sein, dass damals ein Dr. h.c. Jürgen Gerdes noch keine Rolle spielte, weil auch das Geld noch nicht so entscheidend war, sondern das Wollen und – der Spaß am Sport (!) den eigentlichen Antrieb bildeten.
Vielleicht sind wir jetzt auf dem Weg zurück. - Wie die Starterzahlen bei der VLN.
Warum wohl?
MK/Wilhelm Hahne