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Wenn es um die Nürburgring-Affäre geht, geht es um die Betrachtung und Beachtung vieler Details. Aber wer kennt sie schon alle, hat sie nicht nur wahrgenommen, sondern kann sie auch zuordnen und in ihrer Bedeutung werten? - Da scheint es mir einfacher, doch mal die Betrachtungsweise zu ändern: Nicht von unten – sozusagen klein-klein – eine Argumentationskette aufzubauen, sondern die aktuelle Situation des Nürburgring-Skandals mal „von oben“ zu betrachten.
„Fragen Sie bitte Herrn Prof. Dr. Reitzle!“
Der wird Ihnen gerne seine Sicht der Dinge zu den Zukunftsaussichten des Euro mitteilen. - Was das mit dem Nürburgring zu tun hat? - Aus diesen An- und Aussichten und dem aktuellen Verhalten unserer Bundeskanzlerin ergibt sich die Stärke der Bundesregierung in ihrer Verhandlungsposition in Sachen Nürburgring gegenüber der EU-Regierung in Brüssel.
Denn machen wir uns nichts vor: Die Landesregierung Rheinland-Pfalz ist kein Verhandlungspartner für die EU-Kommission in Brüssel. Brüssel kann – und wird – ausschließlich mit Berlin verhandeln. Darum war die Reise der Delegation der Landesregierung am 11. April nach Brüssel auch eigentlich vom Wert einer Reise zu einer Zeugenaussage vor Gericht. Man hat einem Arbeitsausschuss vorgetragen, nicht den Entscheidern.
Die Entscheider sind auch kaum durch die mehr theoretischen Darlegungen von parteilich beeinflussten Argumenten zu beeindrucken, sondern mehr durch sachliche Vorteile. Wenn unsere Bundeskanzlerin durch die Welt reist, um -zig Milliarden Euro – Steuergelder! - zur „Rettung“ (?) des Euro unter „schwache Völker“ zu verteilen, um so vielleicht den Euro zu stützen und die europäische Einheit (Regierung!) zu retten, dann ist das für europäische Beamte in Brüssel eindrucksvoller, als irgendwelche Sachargumente für eine kleine Provinz-Region in der Eifel.
Die EU steht auf der Kippe! - Das ist die Realität!
In Brüssel weiß das jeder und versucht mit Aktionismus in vielen Details von der Hauptschwäche einer scheinbar souveränen EU-Regierung – dem Euro – abzulenken.
Das wird den Euro nicht retten. Obwohl Angela Merkel scheinbar den „Stein der Weisen“ nutzt. Aber darum wird man sie auch in Brüssel im Fall der Nürburgring-Affäre nicht abblitzen lassen. Immerhin wird man sich verpflichtet fühlen, Scheingefechte zu führen. Dafür braucht man dann Statisten aus der Provinz, die mit ihrer Darstellung von eigener Leistung dann scheinbar den Weg zu einer für beiden Seiten verträglichen Lösung öffnen.
Nach meiner Einschätzung gibt es da längst eine inoffizielle Absprache zwischen Brüssel und Berlin, aber man muss sie – für die breite Öffentlichkeit – erst noch entwickeln, wachsen und reifen lassen.
Das Drehbuch für die Endlösung ist längst geschrieben. Jetzt muss es den Betroffenen nur noch als die mögliche Ideallösung verkauft werden.
Wobei man als Beobachter berücksichtigen sollte, dass es zwei getrennte Verfahren sind, die man nun offiziell einer Lösung zuführen muss:
1) Das Insolvenzverfahren der GmbH-Tochter der Landesregierung von Rheinland-Pfalz
2) Das Beihilfeverfahren der EU gegen die Landesregierung von RLP, das in der Abwicklung über die Bundesregierung in Berlin laufen muss.
Beide Verfahren haben ihre eigenen Gesetze und via Insolvenz-Sachwalter und Gläubiger-Ausschuss sind hier die Weichen längst gestellt.
Im Beihilfeverfahren denkt man in Brüssel zunächst einmal an die eigene Zukunft. Die ist ungewiss und duster, da sie von der Zukunft der EU-Währung – dem Euro – mitbestimmt ist.
Und hier pokert Angela Merkel in eigentlich unverantwortlicher Weise mit Milliarden Euro für den Bestand des Euro. Was ihr in Brüssel gute Haltungsnoten in der Kür beschert, dem Bundesbürger aber eine Höchstbelastung durch weiter erhöhte Staatsschulden.
Wer hier einmal ganz nüchtern auf die reale Sachlage von einem kenntnisreichen und erfahrenen Manager hingewiesen werden möchte, der sollte – wie ich es im Titel empfehle – Herrn Prof. Reitzle, Linde-Vorstandsvorsitzender und Conti-Aufsichtsratschef, ansprechen und sich aus seiner Sicht einmal die Zukunft des Euro darstellen lassen. (Das ist eine Empfehlung an die Kollegen!)
Dann wird man sehr schnell die Auswirkungen, den „Druck“ dieser Aussichten auf die Entscheidungsfindung im Fall der Nürburgring-Affäre begreifen. Dass es sich hier um eine politische Affäre handelt, sollte man dabei nicht vergessen.
Auf der anderen Seite dürfen die Einflüsse durch Beratungsleistungen von kompetenten Anwalts-Sozietäten im Hinblick auf die Abwicklung des Insolvenz-Verfahrens nicht übersehen werden. Denn eigentlich – und darüber sollten wir uns klar sein – sollte die von Kurt Beck ausgerufene Insolvenz nur dem Zweck dienen, die Landesregierung von der Belastung durch den Nürburgring mit all seinen – z.T. unkalkulierbaren – Facetten zu befreien. - Und zwar endgültig!
Dieses Ziel muss unbedingt erreicht werden. Sagt man – natürlich hinter vorgehaltener Hand – im politischen Mainz, im Regierungslager und setzt jetzt eine Reihe von Statisten zur Umsetzung der Drehbuchvorlage ein. Denn per Saldo soll der Wähler den Eindruck haben, dass bei der kommenden Entscheidung – so oder so – in jedem Fall er, der Wähler, mit eingebunden war. Man braucht ihn wieder bei der nächsten Wahl.
Wenn man sich einmal nüchtern die Zahlen anschaut, bei denen in den genannten zwei getrennten Verfahren die Rede ist, dann müssen wir ganz nüchtern – nicht von den Traumzahlen der Insolvenzanmeldung ausgehend – doch
im Fall 1) von rd. 350.000.000,-- Euro
im Fall 2) von rd. 450.000.000,-- Euro
sprechen. Selbst wenn die 450.000.000 Euro durch sachliches Argumentieren auf vielleicht 150.000.000 Euro senken kann, so ergibt sich für die Landesregierung in der Summe eine Gesamtbelastung von 500.000.000 Euro. (Sie können „Landesregierung“ auch durch „Steuerzahler“ ersetzen.)
Dem gegenüber stünde der mögliche Erlös beim Verkauf der Gesamtanlage, die von mir – wenn ich ein günstiges Horoskop unterstelle – mit 150.000.000 Euro maximal ansetzen kann. Dieser Verkaufserlös steht in keiner Relation zur tatsächlichen Schadenssumme, die sich in den nächsten Jahren noch erhöhen wird, weil die sogenannten „Infrastrukturmaßnahmen“ zu einer konstanten weiteren Kostenbelastung führen. - Um es anders zu sagen: Ein Gesamtverkauf der Anlage ist wirtschaftlich unsinnig und kann eigentlich nur von Politikern, für die ein unverantwortliches Handeln keine Folgen hat, ins Auge gefasst werden.
Ich habe bereits im Frühjahr 2010 zwei Politikern in Mainz als „Lösung“ empfohlen, den so genannten „Freizeitpark Grüne Hölle“ an der B 258 abzureißen und wieder als Parkfläche auszuweisen. Mein Vorschlag „damals“:
Die Diskothek in die „Arena“ verlegen.
Zwei Restaurants im „Boulevard“ ansiedeln.
Dieses Angebot evtl. noch durch eine Eisdiele ergänzen.
Ich habe damals „aus dem Bauch heraus“ die möglichen Abriss- und Umbaukosten mit 40 Mio Euro angenommen. So wären eine Reihe von Bauschäden gleich mit beseitigt, der Schimmel definitiv „besiegt“ und der erste Schritt zur Belebung des „Boulevard“ getan, der als „Unterbau“ der Tribüne nicht beseitigt werden kann.
Was die Millionen-Investition eines Hubschrauber-Landesplatzes auf dem Dach eines Hotels soll, hat sich mir damals nicht erschlossen und tut es heute immer noch nicht. Das Thema Achterbahn sollte man als Bau-Mahnmal pflegen, eine andere Funktion wäre nicht sinnvoll.
Hotel und Freizeitdorf (Drees) sollten verkauft werden, aber keinesfalls vom jetzigen Betreiber zu den (aus meiner Sicht) unsinnigen Bedingungen eines Managementvertrages weiter betrieben werden.
Die Möglichkeiten der Kartbahn – die übrigens keine „roten Zahlen“ schreibt – sollten weiter genutzt werden und sind auch ausbaufähig.
Die Rennstrecken selbst müssen wieder vom Land übernommen und deren Pflege dann dem Landesbetrieb für Mobilität (LBM) übertragen werden, der die Rennstrecken z.B. dazu nutzen könnte, neue Arten des Straßenbelags (wie z.B. „Flüsterasphalt“) zu erproben. Mit Unterstützung der BAST und damit des Bundesverkehrsministeriums. Das – und die Nutzung der Automobilindustrie der Strecken zum Tests von Serienprodukten – würde neben dem so genannten „Breitensport“ die Strecken wieder dem ursprünglich gedachten – sinnvollen - Zweck zuführen.
So bliebe auch der Rennstrecken-Zugang anderen interessierten Firmen und auch durch so genannten „Touristen“ erhalten. Nach Aussagen der bisherigen privaten Betreiber, aber auch z.B. der Insolvenz-Sachwalter, ist ein wirtschaftliches Betreiben der Rennstrecken durchaus möglich und wäre dazu noch eine Belebung des gesamten wirtschaftlichen Umfeldes, wenn sie denn als „Infrastrukturmaßnahme“ genutzt werden, als die sie immer gedacht waren.
Es gibt bisher einen einzigen Politiker, der zum Thema Nürburgring eine vernünftige Aussage gemacht hat, die ich versucht habe durch meine Darstellung oben zu konkretisieren: Michael Billen (CDU).
So kommt mal wieder zusammen, was wohl zusammen gehört:
Der Nürburgring als „ungeliebtes“ Projekt und Michael Billen als „ungeliebter“ Politiker.
Das wird Julia Klöckner (CDU) nicht glücklich machen, die in der Sache geschickt politisch zu taktieren suchte, aber auch nicht Christian Baldauf (CDU), der demnächst vor dem Landgericht in Koblenz zur Sache Nürburgring als Zeuge verhört wird.
Das Ergebnis ist fast nebensächlich, obwohl es manche Dinge dann klarer sehen lässt.
Aber noch eindeutiger wird die Aussage eines Prof. Reitzle zum Thema Euro (und Europa!) sein. - Wenn man ihn denn fragt.
Dass man gerade aktuell in Adenau (und Umgebung) aus der Lethargie erwacht ist, passt ins Bild. - So und so. - Manche Dinge brauchen eben mehr Zeit, als die Umsetzung von „Nürburgring 2009“. -
Nur Politiker sind schnell, wenn es um die Umsetzung ihrer Visionen zum Erreichen ihrer Ziele geht. Und sie machen es auf unnachahmliche Art: Schritt für Schritt, unaufhaltsam so, dass sich der Prozess hin zur Vollendung nicht abbrechen lässt.
Vor dem Landgericht Koblenz wird gerade verdeutlicht, wie man so etwas macht. - Und selbst politische Gegner einbindet.
Ich bin nicht erstaunt, dass der Anteil der Nichtwähler im Land immer größer wird.
MK/Wilhelm Hahne