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Am Zeitungskiosk stapeln sich die „Großen Jubiläumsausgaben“ zur 65. IAA. Man verspricht im Editorial „alle Informationen“. - Stimmt! - Es sind die, die man von den Herstellern erhalten hat. Man kennt sogar schon die Entwicklungen, die dieses Jahr noch nicht auf der IAA stehen werden. Man ist Geheimnisträger. - Oder ist man Komplize? - Jedenfalls wird man nichts über die Vorabinformationen schreiben. - Dafür weiß man dann nicht, was aktuell am Nürburgring geschieht. Obwohl doch z.B. Porsche ein kleines Zelt vor der Tribüne 13 aufgebaut hatte, um eine ausgesuchte Klientel miterleben zu lassen, wie ein Serienfahrzeug erstmals die Nürburgring-Nordschleife unter sieben Minuten umrundet. - Getränke und Essen sind frei. - Das kommt aus Adenau. Adenau ist schließlich – lt. Plakatwerbung - „ein Stück Nürburgring“. - Und genauso sieht es aus. Automobilhersteller nutzen das besondere Image der längsten Rennstrecke der Welt, um die Leistungsfähigkeit ihrer Sportwagen zu verdeutlichen. Sie brauchen die eingeladenen Presse-Multiplikatoren, um die neuen sensationellen Zeiten in aller Welt verkünden zu lassen. - Diese Entwicklung passt zwar nicht in die Zeit, aber man braucht sie, um auf der IAA die eigene Leistungsfähigkeit zu dokumentieren. - Damit der Funke überspringt. - Emotionen kann man nur mit Verrücktheiten auslösen. - Also dann:
IAA-Vorspiel am Nürburgring
Für Porsche sind wirklich gute Fahrer unterwegs. Und die braucht man auch zur Komplettierung eines Automobils, das sensationell gut gehen soll, den Faktor Elektrizität mit aufweist und darum – entsprechend der galaxisnahen EU-Norm – auf 100 Kilometern so wenig Benzin verbraucht wie ein Moped.
Das alles ist in der Praxis zwar ein wenig anders, aber soll nun noch – auch in der Praxis – ein unübersehbares Sahnehäubchen erhalten: Die Traumzeit für eine Runde Nürburgring-Nordschleife. Die Umrundung von 20,832 Kilometer Einbahnstraße in Landstraßenqualität – sollte doch in unter sieben Minuten möglich sein. Meinen die Testfahrer. Das Marketing ist begeistert und bestellt schon mal einen Hubschrauber.
Aber dann muss auch mal trainiert werden. Porsche verfügt über einen guten Stamm von qualifizierten, schnellen Testfahrern. Die kennen den neuen Porsche 918, der jetzt auf der IAA offiziell vorgestellt wird, aus allen Entwicklungsphasen. Schließlich gibt es zur IAA nicht die erste Präsentation dieses Sportwagens, der das erkleckliche Sümmchen von 768.026 € kostet. - Zumindest dieser Preis ist „nachhaltig“.
Natürlich sind alle modernen Fahrer-Hilfssysteme darin verbaut. Trotzdem sollte der Fahrer eines solchen Fahrzeugs fahrerisch dem Niveau eines Automobils entsprechen, das eine Wert von gut ¾ Million Euro darstellt. - Porsche hat das so festgelegt. Und es wäre schon gut, wenn ein der Öffentlichkeit praktisch unbekannter Testfahrer dann... - Also Konzernchef Winterkorn wäre da schon ein Marketing-Knüller, aber man sollte so ein Ass vielleicht noch im Ärmel halten. Das macht jeder gute Falschspieler so.
So hat man dann noch im August, direkt nach dem Oldtimer-GP, noch mal anders versucht, einen ersten Versuch gestartet. Aber irgend ein Faktor hat nicht gestimmt. Und so konnte einer der 918 nach einem Startversuch am „Flugplatz“ dann von der Finanzabteilung des Hauses abgeschrieben werden. Der Fahrer wurde – wie es so schön heißt – nur leicht verletzt. Aber – nur als Beispiel – Rippenprellungen können ganz schön schmerzhaft sein. - Und das lange!
Walter Röhrl war bei den Versuchsfahrten immer beratend dabei. Aber er will sich das mit den 100-Prozent-Runden nicht mehr antun. Walter Röhrl fährt nur noch so zum Spaß. In dieser Woche mit dem Porsche 918 mal in 7:04 min risikolos (?) durch die „Grüne Hölle“.
Dann sollte es mal ein talentierter Rennfahrer versuchen. Aber dieser Versuch ergab, dass man schon ein Automobil in allen Details und seinem Verhalten kennen sollte, bevor man auf eine Rekordjagd geht. Dieser von seiner Anlage her sehr schnelle Mann fuhr mit vollem Einsatz – ohne das Fahrzeug genau zu kennen (!) - immerhin eine 7,00 auf der Uhr. - Eine tolle Leistung!
Dann kam jemand aufs Auto, der das Fahrzeug bereits sehr gut kennt: Der Porsche-Werksfahrer Marc Lieb. Der prügelte dann den 918 in 6,57 min um den Kurs. Ein normaler 918-Käufer wird sich zwar an dieser Zeit – wenn er sich denn mit dem Fahrzeug auf der NürburgringNordschleife bewegt - messen können, aber es wird zu dieser Marc Lieb-Zeit wohl meist eine Differenz von 60 – 90 sec auftreten.
Realität ist nämlich: Wer ¾ Million für einen Sportwagen der Sonderklasse übrig hat, muss nicht unbedingt ein Fahrer der Sonderklasse sein. Die Stammtisch-Beschleunigung (von 0 – 100 km/h) mit den beim Porsche 918 vorhandenen elektronischen Fahrhilfen umzusetzen, sollte dagegen schon einigen gelingen. Nach neuesten Werksinfos geht das in 2,8 sec. In dieser Zeit werden 1640 Kilogramm aus dem Stand auf echte 100 km/h beschleunigt. (Nach allerersten Werksangaben waren es 3,2 sec. - Zur IAA wird man aber wohl die neue o.g. Zahl nennen.)
Damit verglichen ist eigentlich die Fahrleistung eines Nissan GT-R ein kleines Wunder. Dieser Sportwagen, der ein wenig dick und aufgeblasen daher kommt, bringt rd. 200 Kilogramm (= 4 Zentner Kartoffeln) mehr auf die Waage, ist mit 2,7 sec von 0 – 100 km/h noch eine Zehntel schneller als der achtmal teure Porsche. (Basispreis für einen Nissan GT-R 94.900 €)
Aber dieser Nissan ist auch nicht von irgendwelchen Strompreiserhöhungen betroffen, kommt ganz ohne Elektromotoren, Rekuperation und andere Lademöglichkeiten aus. Er ist ein Säufer, während man den Porsche 918 als trockenen Alkoholiker bezeichnen könnte. (Unter uns: So nebenbei säuft der doch ein wenig, ist nicht so „trocken“ wie vermeldet.)
Auch ein Nissan GT-R wurde in der Vergangenheit schon schnell um die Nordschleife getrieben. Nach 7:24 war man zuletzt bei 7:18 min angekommen. Nun soll diese Zeit noch mal verbessert werden. Gestern war man bei 7:12 min. Aber das sind nur Abstimmungs-Testzeiten, denn bei so schnellen Runden bedarf es exakter Abstimmungsarbeiten auch – beim Reifen. Nach meiner Schätzung wird man wohl bei knapp unter 7:10 min landen. - Nicht schlecht für ein Automobil, das unter 100.000 Euro kostet.
Wäre am Dienstagmittag nicht ein Reifen bei einem der Test-Nissan (vorne) auf der langen Geraden der „Döttinger Höhe“ geplatzt, ich hätte viele Details garnicht mitbekommen. Ich habe sie im Nachhinein recherchieren müssen.
Am Mittwochmorgen klingelte bei mir kurz nach 8 Uhr das Telefon. Nichts ungewöhnliches. Beim Blick aufs Display sehe ich, dass mein Telekom-Anrufaufzeichner mir etwas sagen will, was ich verpasst habe. Da hat mich doch schon um 6:02 Uhr ein Leser angerufen um mich zu fragen:
„Wie gehen Sie jetzt mit dem Hausverbot am Nürburgring um.“
Habe ich etwas verpasst? - Ich weiß nichts von einem Hausverbot. - In der Folge erreichen mich weitere Anrufe mit ähnlichen Fragen zum gleichen Thema und ich erfahre, dass ein Fotograf ein Hausverbot für Hahne auf „facebook“ vermeldet hat.
Bei der Post um 9:30 Uhr ist kein Brief der NBG oder eines Anwalts dabei. Und ich werde weiter mit Fragen zum Hausverbot gelöchert. Erst am späten Abend, ich sitze in einer Virneburger Kneipe in geselliger Runde und trinke ein Bier (nach dem anderen), da erfahre ich, dass mein kleiner Bruder Armin am Dienstagmittag wegen „rüpelhaftem Verhalten“ am Nürburgring vom Platz gestellt wurde.
Ich fasse es nicht. Bruder Armin soll sich daneben benommen haben? - Und ich beginne am Mittwoch (dieser Woche) mit der Recherche.
Armin meidet Kontakte zu mir. Er möchte nicht in irgendwelchen Verdacht geraten. Nicht nur meine Leser haben begriffen, dass ich nicht zu den Lieblingen der Industrie zähle. - Ich respektiere das Verhalten meines Bruders.
Auch wenn eine Frage aus der Bibel („Bin ich der Hüter meines Bruders?“) nun als Entlastung angeführt werden könnte, so kümmere ich mich doch nun um die Angelegenheit. Und stoße darauf, dass bestimmte Leute glaubten, an meinem Bruder ein Exempel statuieren zu müssen. Hahne und Platzverweis kommt immer gut. - Wie die Anrufe bei mir beweisen.
Ich werde das zum Anlass nehmen, in den nächsten Wochen einmal etwas zum Thema Sicherheit auf der Nürburgring-Nordschleife zu schreiben und über die Sicherheitsmaßnahmen zu berichten, unter denen z.B. die Industrie ihre „Industriewochen“ durchführt.
Dann werden auch mögliche Kaufinteressenten für die Nürburgring-Nordschleife begreifen, was in Zukunft noch alles an Kosten auf sie zukommt, wenn sie die gesetzlichen Regierungsauflagen aus Mainz (ohne jede finanzielle Hilfe aus Mainz!) erfüllen wollen. Dazu gehört nämlich nicht nur guter Wille und eine gesetzliche Regelung, sondern richtig viel Geld. - Siebenstellig.
Und ein wenig Einfühlungsvermögen in menschliches Verhalten. - Unter anderem. - Aber das bestimmt dann wohl auch das Vorspiel beim Verkauf des Nürburgrings. Um das sich wohl auch noch die Staatsanwaltschaft kümmern muss.
Heute wollte ich nur mal über das IAA-Vorspiel am Nürburgring berichten, auf das ich erst durch meine Leser wirklich aufmerksam wurde. - Danke!
Und nächste Woche beginnt dann die IAA, „die automobilste Show der Welt“, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) meint.
Ich werde über meine Eindrücke berichten, werde „vor Ort sein“.