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Natürlich musste sich in den letzten Jahren alle Kritik auf die handelnden Personen in Sachen „Nürburgring 2009“ konzentrieren. Das waren nun mal die Herren Dr. Walter Kafitz, als Hauptgeschäftsführer der Nürburgring GmbH, Prof. Ingolf Deubel, als der Aufsichtsratsvorsitzende der Gesellschaft gleichzeitig auch Finanzminister des Landes und Kurt Beck, der „Landesvater“, als der Antreibende im Hintergrund, der alles verstanden hat, aber offensichtlich nichts begriffen. - Aber selbst diese Vergangenheit hat eine Vergangenheit, an die ich heute noch einmal erinnern will, da gerade heute mit dem Ausscheiden des Herrn Dr. Walter Kafitz, als leitender Mitarbeiter bei der österreichischen Rennstrecke „Spielberg“ auch wieder aktuell eine „Erinnerung“ erfolgte. - „Nürburgring 2009“ hatte eine andere Ausgangsposition, die man einfach nicht wahrgenommen hat, weil sie „zu ihrer Zeit“ einfach ohne besondere Bedeutung schien. Sie wurde nicht von der Öffentlichkeit registriert.
Startposition: Freizeitangebot Nürburgring
Man muss sich erinnern, dass es Rudolf Scharping (SPD) war, der seit 1991 das Land Rheinland-Pfalz regierte. Dieser Rudolf Scharping war es auch, der auf seine Art die Einstellung des Herrn Dr. Walter Kafitz (SPD) als Hauptgeschäftsführer der Nürburgring GmbH sicherstellte. Als Radfahrer hilft man sich eben untereinander.
1994 ging Rudolf Scharping dann in die Bundespolitik und übergab das Regierungs-Ruder in Rheinland-Pfalz an Kurt Beck (SPD), der so nicht nur Dr. Walter Kafitz zur Erinnerung an seinen Vorgänger übernahm, sondern auch die Koalitionsvereinbarung zwischen der SPD und der FDP, in der für die Wahlperiode 1991 – 1996 festgeschrieben war:
„Für den Nürburgring soll die umweltverträgliche Konzeption eines Freizeitparks unter besonderer Berücksichtigung des Charakters und der bisherigen Aktivitäten des Ringes entwickelt werden. Das alte Projekt ist beendet.“
Und die Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz in Mainz (nicht vergessen: unter der Leitung von Rudolf Scharping) beauftragte die ETI, das Europäische Tourismus Institut GmbH in Trier (inzwischen längst aufgelöst),
„ein touristisches und gewerbliches Entwicklungskonzept für den Raum Adenau zu erarbeiten“.
Diese Arbeit der ETI wurde im Juli 1993 abgeschlossen und konnte so dann auch von Rudolf Scharping an Kurt Beck weitergereicht werden. - Es gab also schon bei Beginn der Regierungszeit von Kurt Beck eine Basis für eine Entwicklung, die aber so nicht gedacht war, wie sie dann umgesetzt wurde.
Aber als guter Freund von Rudolf Scharping hat natürlich auch Dr. Walter Kafitz versucht, die Grundidee „auf seine Art“ umzusetzen.; natürlich so, dass er und „seine Firma“ davon profitierten.
Aber auch andere Politiker, die in der Staatskanzlei 1993 der SPD dienten, waren bereit eine Bresche für ein Nürburgring-Projekt zu schlagen, wenn z.B. der Chef der Mainzer Staatskanzlei, Staatssekretär Karl-Heinz Klär feststellte: Der Nürburgring sei als unbestrittener Wirtschaftsfaktor Nummer Eins für die Region zu wichtig, als dass sein Schicksal allein von unsicheren Entwicklungen im Rennsport abhängig bleiben dürfe.
Klär sagte auch (nachzulesen im Archiv der „Rhein-Zeitung“):
„Die Umsetzung des Entwiklungskonzeptes sei 'nicht Opfer, sondern Chance: die Chance mit Gemeinsinn eine höhere Wirtschaftsleistung und Steuerkraft in der Region zu erzielen'“.
Aber auch der ehemalige Landrat des Kreises Ahrweiler, Joachim Weiler (CDU), gehörte zu den Befürwortern aller Nürburgring-Projekte, so dass eigentlich alle wichtigen Parteien der damaligen Zeit für die heute registrierten Fehlentwicklungen am Nürburgring eine Mitschuld tragen. Dabei hatte sich die ETI, obwohl eine Initiative der Landesregierung, unter der Leitung von Prof. Dr. Albrecht Steinecke schon um die Schaffung einer möglichst objektiven Grundlage für die abschließende Stellungsnahme der „Lenkungsgruppe“ bemüht.
Aber seitens der Staatskanzlei wurde damals – 1993 – schon verdeutlicht:
„Das Konzept ist kein verbindlicher Plan oder ein Förderprogramm. Es ersetzt auch nicht ein nachfolgendes Planverfahren und insbesondere nicht die darin vorzunehmenden Abwägungen. Es dient in erster Linie als Leitfaden für eine interkommunale Zusammenarbeit, die schließlich zu einer Entlastung aller beteiligten Gebietskörperschaften führen wird.“
Motor-KRITIK möchte in der Folge kommentarlos aus der Untersuchung der ETI, die im Juli 1993 abgeschlossen wurde, zitieren:
Seite 7: „An das Schienennetz der Deutschen Bundesbahn ist das Untersuchungsgebiet nicht angeschlossen.“
Seite 8: „Die mittlere Jahrestemperatur beträgt +6,5°C im Hocheifelgebiet und 7,0°C in der Ahreifel. … Auch im Vergleich der Frostdaten schneidet das Gebiet am schlechtesten ab.“
Seite 23: „Die Nürburgring GmbH (1993 41 Beschäftigte) entwickelt gemäß ihren Unternehmenszielen Geschäftsaktivitäten hauptsächlich in drei Bereichen: Motorsport- und sonstige Veranstaltungen, Fahrsicherheitstraining und Tourismus.“
Seite 48: „Die Entwicklungstendenzen des Motorsports liegen nach Aussagen der Befragten im Spitzensport anders als im Breitensport. Während der Spitzensport sich tendentiell zum publikumswirksamen Schausport entwickeln wird, tendiert der Motorbreitensport zum erlebnisorientierten Freizeitsport.“
Seite 53: „Anziehungsgründe für den Besuch der Nordschleife ist die weitläufige Streckenführung und die sogenannte 'Abenteuer-Romantik' der Nordschleife beim Campen und Grillen. Daher besteht das Publikum an der Nordschleife fast überwiegend aus Besuchern, die an dieser geselligen Camping-Atmosphäre interessiert sind.“
Seite 63: „Die Bedeutung des Nürburgrings nimmt erwartungsgemäß mit zunehmender Entfernung vom Ring ab. In unmittelbarer Nähe zum Ring werden 100% der Gäste auf den Anziehungspunkt Nürburgring zurückgeführt. … Schwächen im touristischen Angebot werden von den Befragten insbesondere im unzureichenden Schlechtwetterangebot, in der schlechten Vermarktung der Region und im mangelhaften Zustand der Wanderwege gesehen.“
Seite 110: „Mit der zunehmenden räumlichen Dichte von Freizeitunternemen durch den Ausbau ehemaliger Safari-Länder, Märchengärten etc. und durch Neugründungen sind die Freizeit- und Erlebnisparks am Ende der 80er Jahre an die Grenzen des Wachstums gestoßen.“
Seite 115: „Das Angebot soll erlebnisorientiert und entsprechend dem Leitthema 'Bewegung' gestaltet sein, ein 'Rummelplatzcharakter' aber vermieden werden.“
Seite 138: „Mit dem Dorint-Hotel am Nürburgring verfügt der Untersuchungsraum bereits über ein hochwertiges Angebot im Segment Tageshotellerie. Ein zusätzlicher Bedarf für das Untersuchungsgebiet ist nicht zu erkennen. … Für das Untersuchungsgebiet besteht dagegen Bedarf für ein Mittelklassehotel (Zwei-Sterne) mit einer Kapazität von 40 – 50 Zimmern. … Die potentiellen Standorte für ein derartiges Hotel im Untersuchungsgebiet müssen über Infrastrukturen verfügen, die über die Grundversorgung hinausgehen. Im Untersuchungsraum erfüllen nur die Gemeinden Kelberg und Adenau dieses Anforderungsprofil.“
Insgesamt – mit Anhängen – umfasst der Endbericht der ETI von 1993, aus dem oben zitiert wurde, 186 Seiten.
Und als Hinweis für die „Rhein-Zeitung“: Der Bericht über die Studie wurde vom schon lange verstorbenen Kollegen Luki Scheuer geschrieben.