Gibt es die „Diktatur der Demokratie“?

Am 27. November wurde in der Adenauer „Hocheifelhalle“ „Klartext“ geredet. Der SWR hatte zu einer Live-Sendung (Radio) geladen. Das eigentliche Thema war die Situation am Nürburgring und der Titel lautete, „Ring frei? Das Entscheidungsrennen in der Eifel“. - Was beim SWR wohl nicht richtig eingeschätzt worden war: Hier geht es nicht – nur – um eine Rennstrecke; es geht um das Schicksal einer ganzen Region. So war es kein Wunder, dass die Halle gefüllt war, denn der Nürburgring beeinflusst das Leben aller hier in der Region. Und es ist allen klar, dass die Landesregierung die Schuld an einer Entwicklung trägt, die nun nicht nur – rein rechnerisch - zu einer Belastung für alle Bürger von Rheinland-Pfalz wird, sondern jeden in der Region auch rein persönlich trifft. Auf die Frage eines Zwölfjährigen, ob er in 20 Jahren noch den Nürburgring erleben kann, hatten die Politiker der drei Parteien zunächst keine Antwort. - Aber die Frage war auch an den Abgesandten der SPD gestellt, dem nicht nur zu dieser Frage kein „Klartext“ einfiel und eigentlich dem Publikum verdeutlichte, wie weit die Politik von der Realität an der Basis entfernt ist. Wenn der Rennfahrer und Nürburgring-Fan, Christian Menzel, dem Repräsentanten der SPD im Verlauf der Live-Sendung die Schulnote 6 zuordnete, war das vielleicht ein wenig ungerecht: Denn im Kindergarten verteilt man keine Schulnoten. Motor-KRITIK war auch dabei. Diesel Mal auf dem Podium, der Bühne. Und musste dann – aus gegebenem Anlass – auch mal die begründete Frage aufwerfen:

Gibt es die „Diktatur der Demokratie“?

Es war Nils Wiechmann, der hier von den GRÜNEN als argumentativer Stützpunkt für deren Versagen in der neuen Landesregierung (seit 2011) aufgeboten war, der mit seinem Hinweis auf „demokratische Abläufe“ eine erste gedankliche Anregung lieferte. Die wurde dann vom SWR-Moderator, Thomas Meyer, unterfüttert, wenn der die Bedeutung der anwesenden Parteivertreter unter Hinweis auf Landtag, Parlament – eben die Strukturen einer Landesregierung – noch zu überhöhen suchte.

Der einzige Politiker, der mit seinem Wissen um das Geschehen am Nürburgring wirklich ernst genommen werden konnte, war Alexander Licht von der CDU. Der SPD-Vertreter war ein glatter Ausfall. Mainz hatte ihn „ins Wasser geworfen“, aber Marc Ruland war leider „Nichtschwimmer“.

Immerhin war er von dem was er hier erleben durfte, auch als Reaktion aus dem Publikum, sehr beeindruckt. Ich nehme ihm ab, das ihn – wie er sagte – das sehr beeindruckt hat, „unter die Haut ging“, wie er es selbst formulierte, was aber nichts daran ändert, dass mit diesem Abgesandten aus dem Lager der Mainzer Landesregierung – mal wieder! - verdeutlicht wurde, wie ernst man die Entwicklung am Nürburgring nimmt, bzw. wie man das öffentliche Interesse daran, minimieren möchte.

Natürlich hätte an diesem Abend Malu Dreyer auf die Bühne gehört. Die Regierungschefin hätte sich der öffentlichen Kritik stellen müssen und sicherlich auch „Klartext“ zu hören bekommen. Diese Forderung war nicht nur einmal aus dem Publikum zu hören, die dann von Alexander Licht mit einem leichten Schmunzeln so kommentiert wurde: „...und Sie können davon ausgehen, wenn Malu Dreyer hier sitzt, dann wird auch Julia Klöckner dabei sein“.

Interessant es war auch, vom Moderator der Sendung, Thomas Meyer, zu hören, dass sich der SWR sehr bemüht hatte, von der „Käufer“- bzw. Betreiberseite jemanden auf die Bühne zu bekommen. Die „Russen“ hatten abgelehnt, weil das „Geschäft“ ja noch nicht definitiv bestätigt und abgewickelt sei, als „Betreiber“ hatte zwar Dr. Axel Heinemann („GetSpeed“) zunächst zugesagt, aber dann – sicherlich unter dem Einfluss der russischen Investoren, abgesagt.

So kam dann Wilhelm Hahne auf die Bühne. Bei meiner Ankunft in der Halle freuten sich die SWR-Mitarbeiter, dass ich vorher noch einmal „Backstage“ kam – wie man das nannte – weil mich keiner von ihnen kannte. - Ich habe dann später den Titel der Sendung - „Klartext“ - auch wörtlich genommen und auch eine Möglichkeit offen ausgesprochen, von der an allen Wirtshaustheken der Eifel (und anderswo nur hinter vorgehaltener Hand) gesprochen wird: Der Nürburgring als „Geldwaschmaschine“. - Immerhin muss man zumindest damit rechnen, dass er in die Hand eines Oligarchen kommt, der auf Zypern schon zwei Holdingfirmen etabliert hat.

Aber ich möchte noch einmal die Zahlen wiederholen, die mich – nicht erst seit gestern – gedanklich beschäftigen. Es mag sein, dass ich da von der Zeit beeinflusst bin, in der ich aufwachsen musste: Die Zeit nach 1933, meinem Geburtsjahr. So hat mich auch aktuell die Frage beschäftigt, ob es eigentlich – rein von der Zahl her – eine „Diktatur der Demokratie“ geben kann.

Ich habe meine Gedanken – von Zahlen unterfüttert – an diesem Abend einmal öffentlich gemacht, weil ich aus meiner Leserschaft dann irgendwann mal auf ein Echo hoffe (bitte mit Argumenten unterlegt!) die meine Theorie widerlegt.

Meine Frage in „Klartext“ war mit folgenden Zahlen unterlegt:

  • Wir haben in Rheinland-Pfalz rd. 4.000.000 Einwohner.
  • Die CDU hat hier rd. 45.000 Mitglieder.
  • Die SPD hat rd. 40.000 Mitglieder
  • Die GRÜNEN nennen 3.100 Mitglieder.

Nun wird aber die Regierungszusammensetzung vom Wahlergebnis bestimmt. Bei den Wahlen 2011 lag die Wahlbeteiligung bei 61,8 Prozent. Die war aufgrund der Auffassung vieler Wähler, dass man z.B. mit der „richtigen Wahl“ die sich abzeichnende Katastrophe am Nürburgring beseitigen könne, gegenüber der Wahl fünf Jahre vorher, schon deutlich höher. Damals hatte sie bei nur 58,2 Prozent gelegen. - Wertet man das 2011er Wahlergebnis einmal in Zahlen aus, dann..

  • ...waren rd. 2.500.000 Wähler an den Wahlurnen
  • Auf SPD und GRÜNE, die Parteien die später die Regierung stellten, entfielen rd. 1.200.000 Stimmen.
  • Damit wurde die derzeitige Regierung rein rechnerisch von 29 Prozent der Einwohner von RLP bestimmt. - Einer Minderheit!

Mache ich da einen gedanklichen Fehler, wenn ich von einer „Diktatur der Demokratie“ spreche?

Auffallend an diesem Abend war, dass mit Ausnahme der CDU, die Regierungsparteien praktisch eine 2. Garnitur an den Start geschickt hatten, während die regionale politische Prominenz, wie z.B. der Verbandsbürgermeister Nisius (CDU) oder der Landrat des Landkreises (auch CDU), dem der Nürburgring geographisch zugeordnet ist, überhaupt fehlten.

Herr Nisius hat wohl ein Händchen dafür, im richtigen Moment die falschen Entscheidungen zu treffen (oder umgekehrt), während der Landrat Dr. Pföhler das typische Verhalten von Politikern zeigt, indem er überall dabei ist, wo man Beifall und anderes positive Beiwerk erhalten kann, während er kritischen Situationen gerne ausweicht, bzw. sie auszusitzen versucht.

Aber immerhin war er (auch) mal Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der heute insolventen Nürburgring GmbH.

Aktuell ist ihm das mit dem Aussitzen bei Motor-KRITIK gerade nicht gelungen. Er liefert aber ein wunderschönes Beispiel dafür, wie heute sogar einem Provinzpolitiker auf der Basis des so genannten „Informationsfreiheitsgesetzes“ mit Hilfer einiger Anwälte gelingen kann, Auskünfte gegenüber einem Journalisten zu vermeiden, die für die Öffentlichkeit von großem Interesse sind.

Darum wird es zu diesem Thema auch in nächster Zeit eine ganz auf dieses Thema bezogene Geschichte geben – müssen. - Ehre, wem Ehre gebührt!

In diesem Zusammenhang muss ich einen Interviewpartner der SWR4-Moderatorin aus dem Publikum erwähnen, der sich freiwillig meldete und einmal öffentlich erzählte – was von mir in meinem Buch (2010) schon versucht wurde zu verdeutlichen: Wie man schon in der Entstehungsphase des Projekts „Nürburgring 2009“ unter politischen Druck geraten konnte, wenn man als Lehrer in einem Adenauer Gymnasium nur versuchte, den Schülern das System der Demokratie nahe zu bringen. Der engagierte Lehrer hatte sie getreu der These, „Jeder hat das Recht auf eine freie Meinungsäußerung“, dazu angeregt, doch die in der Leistungstufe in Sozialkunde entstandenen schriftlichen Meinungsäußerung zum Thema Nürburgring über die Regionalzeitung öffentlich zu machen.

Wie in meinem Buch zu lesen, war der Druck der vorgesetzten Behörden auf den Lehrer „damals“ dann so stark – wie er gestern sagte: Sowohl von ROT wie SCHWARZ! - dass er sich einen Anwalt nehmen musste, mir gegenüber jede weitere Aussage vermieden hatte, indem er sich damals in Urlaub nach Berlin begab. - Ich erinnere mich deutlich daran, habe auch Jahre später bei einem Vortrag in Mayen gerade dieses Beispiel gewählt weil... - Lassen Sie mich einfach die letzten Absätze zu diesem Thema aus meinem Buch zitieren, der den Schulbesuch des damaligen Geschäftsführers der Nürburgring GmbH, Dr. Walter Kafitz, auf 22 Seiten schildert:

„Dr. Kafitz sorgt am Ende für einen guten Abgang: 'Hätte ich solchen Unterricht in der Schule gehabt, hätte die Schule mir Spaß gemacht!' - Beifall – und die Erklärung der Schüler: '... wir fühlen uns darum ernst genommen!'

Wie ernst sie genommen werden, erfahren die Schüler - und ich - dann in den Tagen nach der Veranstaltung. Da wird der Versuch gestartet, junge Leute 'passend zu machen'. Es wird Druck auf Einzelne ausgeübt, damit sie den weiter geben. Auch an mich. Und ich verspreche, die Leserbriefe (die mir schon vorliegen) nicht mehr zu veröffentlichen. - Versprochen ist versprochen. Die Schüler möchten sich nicht in eine Schublade einordnen lassen. Sie betrachten sich nicht als Gegner von 'Nürburgring 2009', sondern als Kritiker. Aus gegebenem Anlass. - Aber sie haben nun 'die Schnauze voll!' - Weil sie sich auch falsch verstanden fühlen. Und weil der Lehrer... - Und weil... -

Und so ringen sie mir die Zusage ab, ihre Leserbriefe nicht mehr zu veröffentlichen. - Versprochen ist versprochen!

Aber ich habe nicht versprochen, mir keine Meinung zu den Vorgängen (nach gründlicher Recherche) zu bilden. - Darum musste diese Geschichte sein. Sie ist nicht nur eine Schilderung der Vorgänge, sondern stellt auch meine Meinung zu dieser besonderen Facette zum Thema 'Nürburgring 2009' dar. - Welche Meinung nun die Schüler zur Gesamtwirkung der Veranstaltung haben, muss man sie schon selber fragen.

Mich stimmt das alles sehr, sehr traurig. - Ist das die Welt in der wir leben?“

Man sollte nicht nur von Demokratie reden, sondern sie auch leben, vorleben. Demokratie ist nicht, wenn man Jugendliche so unter Druck setzt, dass sie an ihrer eigenen Meinung – und ihrem demokratischen Verständnis - leiden müssen. Demokratie ist nicht, wenn man einen Lehrer unter Druck setzt, der die Schülern in Sozialkunde mit den positiven Möglichkeiten in einer Demokratie vertraut machen will.

Gelebte Demokratie ist es sicherlich auch nicht, wenn man die Staatsanwaltschaft und Polizei unter einem strafrechtlichen Vorwand in das Haus eines Journalisten schickt, um das durchsuchen und die Arbeitsmittel des Journalisten beschlagnahmen zu lassen. Auch so etwas kannte ich vorher nur aus der Diktatur. - Ich habe mich durch solche Druckmittel nicht beeinflussen lassen.

Aber es ist schon ein Hohn, wenn ein solches Verfahren dann – unter Einschaltung eines der fähigsten Strafrechtler in Deutschland (und entsprechenden Kosten!) – von der Staatsanwaltschaft „wegen zu geringem Interesse der Öffentlichkeit“ eingestellt wird.

Muss man sich bei all' diesen Abläufen im Umfeld des Projekts „Nürburgring 2009“ nicht fragen, ob es neben der „reinen Lehre“ von der Demokratie nicht auch ein in Rheinland-Pfalz gelebtes System einer „Diktatur der Demokratie“ geben kann?

Kurt Beck und seine Regierung haben (eine bei der EU unangemeldet!) „Beihilfe“ gegenüber einem landeseigenen Betrieb in einer Höhe geleistet, dass man sich fragen muss, ob der Nürburgring nicht hier schon zu einem System der „Geldumverteilung“ geworden ist. Wahrscheinlich hat die Staatsanwaltschaft eine solche Möglichkeit „wegen zu geringem Interesse der Öffentlichkeit“ niemals geprüft.

Waren die Bausummen die hier beim Projekt „Nürburgring 2009“ aufgewendet wurden, in dieser Höhe tatsächlich berechtigt? - Warum gab es z.B. „Überzahlungen“, die bis heute nicht reguliert wurden?

Es wurde an diesem 27. November 2014 wieder einmal (!) von einem Neustart gesprochen, davon, dass man nun nach vorne schauen müsse. Und ein Marc Ruland (SPD) stellte vorwurfsvoll klagend in den Raum: Aber man (er meinte die Politiker) habe sich doch nun schon für die gemachten Fehler entschuldigt. - Und nun müsse man nach vorne schauen. - Ja, man habe Fehler gemacht! - Aber man habe sich doch auch entschuldigt! (Etwas anderes fiel ihm nicht ein!)

Ich habe darauf hingewiesen, dass man als Autofahrer sicherlich auch bemüht ist, möglichst zügig vorwärts zu kommen, aber man dürfe nicht versäumen, in schnellen Abständen einen Blick in die vorhandenen Rückspiegel zu werfen. - Damit man unfallfrei vorwärts kommt!

Von den verantwortlichen Politikern hat man den Eindruck, dass sie sich zwar für die gemachten Fehler entschuldigt haben, formell, aber keinerlei Unrechtsbewusstsein empfinden. Die Fehler führen auf politischer Seite zu keinerlei Konsequenzen. Man tauscht ein paar Figuren aus, weil sonst vielleicht Erinnerungen beim Wähler aufkommen könnten. Und man versucht zu vergessen, dass es die SPD-Regierung eines Kurt Beck war, die sich auf ihre Fahnen geschrieben hatte.

„Wir machen es einfach!“

So einfach darf man es sich eben nicht machen. Und hinterher dann dafür entschuldigen, dass man trotz Millionenausgaben für „externen Sachverstand“ dann einen Milliardenwert, wie ihn das Kulturgut Nürburgring darstellt, einfach für ein „Trinkgeld“ verschleudert.

Es ist zwar menschlich verständlich, dass man nicht mehr an das Chaos erinnert werden möchte, das man einmal verursacht hat. Aber man sollte aus den nachgewiesenen Fehlleistungen dann auch für sich die Konsequenzen ziehen, damit nicht eine solche Frage auftaucht, wie ich sie gestern Abend in der Live-Sendung des SWR4 „Klartext“ mal stellen musste:

„Gibt es die 'Diktatur der Demokratie'?“

MK/Wilhelm Hahne

Korrektur vom 29.11.2014, 8:00 Uhr: Ich habe den Namen des SWR-Moderator von Peter Meier, in - richtig - Thomas Meyer korrigiert. Ich war wohl nach diesem Abend noch so von der für mich neuen Information erfüllt, dass Peter Meier, "Chef" des ADAC Nordrhein (und Ex-Präsident des ADAC, München) den Fehler gemacht hat, den CNG-Geschäftsführer Carsten Schumacher auszuladen, als der ihn zusammen mit der "neuen Zukunft" am Nürburgring, Viktor Kharitonin, besuchen wollte. Kharitonin war in Köln, Carsten Schumacher musste zu Hause bleiben. - Außerdem muss ich aktuelle Zuschauerinformationen nachtragen: Der Verbandsbürgermeister von Adenau, Herr Nisius, wurde am Abend in der "Hocheifel-Halle" gesehen. Er hatte - dort am Ausgang beobachtet - dann durchaus "ein Händchen" zum Händeschütteln der Bürger, die ihm persönlich bekannt waren. Und er hat auch schon das "Händchen" von Viktor Kharitonin geschüttelt. Darüber hatte Motor-KRITIK - berichtet. Nisius hat also durchaus Politiker-Qualitäten. - Das hat man nun davon, wenn man als Journalist auf einer Bühne "angebunden ist" und nicht in "Heckenschützenmanier" (wie es z.B. Dr. Axel Heinemann empfindet) die Halle durchstreifen kann. - Entschuldigung! -

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