Stefan Bellof und ein Marketing-Quickie

Jeder Motorsport-Fan weiß, wer Stefan Bellof ist. Auch wenn sie ihn niemals kennengelernt haben, nichts anderes von ihm wissen, als dass er „sauschnell“ war. Auch das wissen sie nur vom Hörensagen. Sie kennen auch das Foto aus einem Bellof-Buch, wo Porsche-Mitarbeiter vor dem Schrotthaufen eines Porsche 956 stehen und in Richtung Sprunghügel „Pflanzgarten“ blicken. Es gibt auch schon eine „Stefan-Bellof-Straße“ auf dem Gelände der insolventen Nürburgring GmbH. Doch das scheint nicht zu reichen. Qualifizierte Unqualifizierte versuchen sich in einer Namensgebung für einen bestimmten Streckenabschnitt auf der Nürburgring-Nordschleife:

Stefan Bellof und ein Marketing-Quickie

So ist auf der Nürburgring-Internetseite zu lesen: „Stefan-Bellof-Tribute erinnert an 30-jährigen Rundenrekord“. Im Rahmen des „41. AvD-Oldtimer-Grand-Prix“ (9. - 11. August 2013) wird eine Kurvenfolge nach dem „großen Sprunghügel“ am „Pflanzgarten“ die offizielle Bezeichnung „Stefan-Bellof-S“ erhalten.

Porsche feiert im Rahmen der Rennveranstaltung das „50. Jubiläum Porsche 911“ u.a. mit einem großen Porsche-911-Corso. Derek Bell, der damalige Fahrerkollege von Stefan Bellof wird mit der „007“, dem restaurierten Porsche 956 aus der damaligen Zeit, der nun einem englischen Sammler gehört, auf der Nürburgring-Nordschleife mit Demonstrationsfahrten zu sehen sein. Als „Tüpfelchen auf dem i“ ist dann den Marketing-Spezialisten noch die Ehrung von Stefan Bellof durch die Namensbenennung einer Kurvenkombination eingefallen.

Ein Leser schreibt auf „facebook“ dazu:

„...nur traurig dass ich letztens im porsche museum nichts über bellof gesehen habe, aber dafür über X *kotz*

Man sollte Porsche das nicht verübeln. Stefan Bellof wurd „werksseitig“ damals wohl nicht so ernst genommen. Jochen Mass, auch ein Team-Kollege von Stefan, erschien morgens zu Testfahrten mit dem 928-Dienstwagen, Stefan Bellof war pünktlich mit seinem Opel-Manta zur Stelle.

Die von Bellof auf der Nordschleife (20,832 km) gefahrene Zeit ist aus der Sicht wohl aller Rennfahrer, die jemals die Nordschleife im Rennen umrundet haben, eine „sagenhafte“ Zeit. Stefan Bellof umrundete am 28.Mai 1983 im Training mit dem Porsche 956 dieses Urgetüm von Rennstrecke in exakt 6:11,13 min; das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 202,07 km/h.

Schneller war bisher niemand auf diesem Stück Rennstrecke, dass zum Zeitpunkt des Rennens nur in dieser Form gefahren wurde, weil gerade der GP-Kurs im Entstehen war. Ich erinnere mich noch sehr gut. Auch an die diesem Rennen voran gegangenen Testfahrten, die unter der Leitung von Porsche-Rennleiter Peter Falk stattfanden. Das war z.B. der Moment, an dem ich Stefan Bellof bei der Anfahrt mit seinem Opel Manta erlebte.

Ich war damals 20 Jahre älter als Stefan Bellof und fragte ihn nach seinen Erfahrungen beim Wochen vorher auf der Nordschleife erlebten Formel 2-Rennen, bei dem Bellof auch unterwegs gewesen war. Stefan Bellof konnte dem Fahren mit einem Formel 2 auf der Nordschleife keinen besonderen Reiz abgewinnen.

„Das geht ja einfach alles voll“, sagte er. - Jochen Mass, der dabei stand, sah meinen verständnislosen Blick und musste lächeln.

Stefan Bellof war zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre alt, er wirkte auf mich mit seiner Einstellung zu Gefahr und Risiko wie ein Kind. Es gab eigentlich keine Gefahren für ihn, er war wie „Jung-Siegfried“, fühlte sich unverwundbar.

Wo ein Derek Bell oder ein Jochen Mass sich Runde für Runde näher an das Kurven-Optimum heran arbeiteten, da „machte das Bellof einfach“. - Geht doch! - Wo ist das Problem?

Man muss diesen Typen live erlebt haben, um zu begreifen, wie „weit weg“ er von allem war, was andere als „Grenzbereich“ bezeichneten. Er war immer auf der “anderen Seite“ des Grenzbereichs, den andere Fahrer – wenn sie ihn erreicht haben – dann (mit viel Glück!) im Krankenhaus reflektieren können. Bellofs Fahrzeugbeherrschung war sensationell, geradezu – wie ich das mal in einem Gespräch mit einem anderen Rennfahrer formuliert habe - „tierhaft“.

Beim Fahren schien bei Stefan Bellof nur der „Instinkt“ eine Rolle zu spielen, nicht das, was andere Erfahrung nennen; oder dass man auch mal „den Kopf einschalten muss“. Stefan Bellof war aus meiner Sicht ein „Renn-Tier“. - Was aber Fehler nicht ausschloss.

So auch dieser Abflug vom Sprunghügel im „Pflanzgarten“ beim Rennen 1983. Der Porsche 956 hatte Unterluft bekommen. Dabei war Bellof in diesem Rennen vorher seine schnellste Runde mit 6:25,91 min gefahren. Wenn man seine sagenhaften 6:11,91 min = 100 Prozent setzt, dann betrug seine Leistung „vor dem Abflug“ exakt 96,2 Prozent.

Für uns alle, die den Unfall damals miterlebt haben, was es ein Fahrfehler von Stefan. Er muss den Curb links angefahren sein, das Auto wird angehoben, bekommt dann die Unterluft, die das Gefährt unkontrolliert zu Tal segeln lässt. - Und deswegen soll Stefan Bellof nun geehrt werden?

Noch eine kleine Korrektur: Wenn jetzt in der Veröffentlichungen immer vom „historischen Rundenrekord“ geschrieben wird. - Es war keiner! - Ein Rundenrekord kann nur beim Rennen erzielt werden. Das ist so ähnlich wie bei einem Handicup beim Golf. Auch das kann nur bei einer offiziellen Veranstaltung ermittelt werden, nicht bei einem Spiel zwischen zwei oder drei Leuten, nur so zum Spaß – oder beim Training.

Aber wer weiß das schon? - Tatsache ist, dass Stefan Bellof aus den verschiedensten Gründen ein Ausnahme-Motorportler war. Die, die ihn erlebt haben, brauchen keinen „Stefan-Bellof-Tribute“, um ihn nicht zu vergessen. Und die, die ihm nun im August diese Ehre bereiten, das sind die „qualifiziert Unqualifizierten“, die eigentlich selbst für den Motorsport kein Verständnis haben. Erst recht nicht für Leute, die rein aus Spaß so schnell um die Nürburgring-Nordschleife fahren, obwohl sie noch nicht einmal vom einsetzenden Sportwagenhersteller für würdig empfunden wurden, einen Porsche-Dienstwagen zu besitzen.

Ich habe einen schalen Geschmack im Mund, wenn ich an diese Art der Ehrung im August denke. Stefan Bellof braucht das nicht. Die Nordschleife wird sich darum auch nicht besser „verscherbeln“ lassen. - Warum das also alles? - Weil es den Porsche 911 nun 50 Jahre gibt?

Ich denke da lieber still an die ruhige und einfühlsame Arbeit eines Peter Falk, dem unauffälligen Porsche-Rennleiter in der Bellof-Zeit. - Ich denke, er hat nicht nur Stefan Bellof verstanden, er wird auch meine Geschichte zum „Stefan-Bellof-Tribute“ verstehen. Genauso wie Derek Bell, Jochen Mass und Jacky Ickx, der „Jung-Siegfried“ als Letzter erlebte. - In der „Raidillon de l'Eau Rouge“, wie sie exakt benannt ist.

Aber wer nimmt heute noch etwas genau? - Man zimmert sich die Dinge so zurecht, wie man sie braucht. - Und zollt „Tribute“.

MK/Wilhelm Hahne

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1 Kommentar

Danke!

<p> F&uuml;r diesen sch&ouml;nen Einblick in eine Zeit vor mir ;)</p>

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