6. April 2015: 24 Hours Previous!

Englisch ist die Sprache des Motorsports. Das habe ich so mal gehört. Aber ich kann kein Englisch, obwohl ich in dieser Sprache einmal Unterricht erhalten habe. Trotzdem habe ich vier Jahrzehnte Motorsport aktiv betrieben und glaube ihn trotzdem verstanden zu haben. Von den um 20 Personen, die morgen ab 10 Uhr vormittags die Stühle am „Runden Tisch“ in den miteinander verbundenen Räumen 1039 und 1040 im Frankfurter Flughafen-Hotel (Sheraton) besetzen, wird die Mehrzahl von sich behaupten Englisch zu sprechen, - Aber verstehen sie auch etwas vom Motorsport? - Ich versuche mit nachfolgender Geschichte auch Leseranfragen zu beantworten, die mich in perfektem Deutsch erreichten und beweisen, dass das aktuelle Geschehen am Nürburgring – auf der Nordschleife – vielen unverständlich bleibt, weil es doch Sicherheitseinrichtungen gibt... - So wie mir mit hoher Wahrscheinlichkeit unverständlich bleiben wird, was morgen als Ergebnis einer sicherlich langen Sitzung von „Fachleuten“ des Motorsports verkündet wird. - Aber es wird sicherlich das Format haben, auch in den Medien ausführlich erwähnt und kommentiert zu werden.

6. April 2015: 24 Hours Previous!

Es ist lange, lange her, da stand ich mit einer jungen Frau, die sich um den Service in der Opel-Louge oberhalb der Boxen des Grand-Prix-Kurs am Nürburgring bemühte, an der Theke. Wir unterhielten uns über Gäste, die wir beide als regelmäßige Besucher nicht nur der VLN-Rennen, sondern auch der Opel-Lounge kannten.

Ein gewaltiges Klirren ließ mich herumfahren und meine Gesprächspartnerin vor Schreck erstarren: Ein schweres Metallteil war durch die große vordere Scheibe geschlagen, hatte sie praktisch zerstört, war in einen – zum Glück leerstehenden – Ledersitz eingeschlagen und hatte dort im Bezug einen gewaltigen Riss hinterlassen. - Hätte dort jemand gesessen... - Es saß niemand dort!

Was war passiert? - Bei einem im Rennen (VLN-Lauf!) vorbeifahrenden Renntourenwagen – es war tatsächlich ein Opel – war die Schwungscheibe abgerissen, hatte den an der Boxengasse schon immer stehenden FIA-Sicherheitszaun - nach Durchschlagen von Getriebegehäuse und Motorhaube – überflogen, hatte die Scheibe durchschlagen und – niemanden getroffen. - Zufall.

So ist man danach zur Tagesordnung übergegangen. Niemand hat gefordert, dass nun der FIA-Sicherheitszaun an dieser Stelle um mindestens 10 Meter erhöht werden müsse, um die Besucher der Loungen zu schützen.

Man sollte sich – nicht nur als Besucher von Motorsport-Veranstaltungen – darüber klar sein:

Die absolute Sicherheit gibt es nicht!

Trotzdem darf man nach so einem Unfall wie er jetzt beim 1. VLN-Lauf geschah, nicht ohne jede weitere Überlegung zur normalen Tagesordnung übergehen. Jeder Mensch der unnötig stirbt ist ein Verlust. Betriebswirtschaftler können das sicherlich auch mit Zahlen belegen. Aber es geht auch um etwas, was leider in unserer kommerzialisierten Gesellschaft immer weniger eine Rolle spielt: Menschliche Gefühle und Emotionen - Menschlichkeit!

Die werden sicherlich wohl kaum morgen beim „Runden Tisch“ eine Rolle spielen. Hier geht es um die Umsetzung und Darstellung von Entscheidungen, die nicht nur einen sportlichen, sondern auch den geschäftlichen Erfolg in einer Sportart sicherstellen, die mehr und mehr von Marketingüberlegungen bestimmt wird. - Und darunter leidet! (s. Formel 1!)

Wenn man folgende Zuschauerfrage liest, weiß man eigentlich, welche „Anforderung“ die morgigen Entscheidungen am  „Runden Tisch“ in Frankfurt erfüllen müssen. Es geht nicht wirklich um Sicherheit, sondern um die Darstellung von Sicherheit, wie sie auch für die Besitzer moderner Automobile durch die Automobilindustrie und die gesetzlichen Anforderungen der EU geschaffen werden.

Und der Verbraucher glaubt der Industrie, verliert über die Zeit jene „Wachheit“, die z.B. die Tiere in der Wildnis auszeichnet. Damit verglichen leben wir heute in einem Zoo, werden regelmäßig gefüttert, glauben uns gut „bewacht“ und schrecken nur auf, wenn im Nachbargehege dann etwas Böses passiert.

An der Nürburgring-Nordschleife ist zum ersten Mal ein Zuschauer ums Leben gekommen und ein Leser fragt z.B.:

Wenn der FIA-Zaun direkt hinter der Leitplanke gestanden hätte, wäre der Unfall dann nicht so schlimm ausgegangen?

Wir könnten – genauso theoretisch – die Frage zu klären versuchen, ob denn die Reifenstapel vor der Leitplanke für den Unfalltod eines Zuschauers von Bedeutung waren.

Tatsache ist jedoch, dass moderne Rennsportwagen unter gewissen Vorausetzungen – wie wir spätestens seit Le Mans wissen - zu Flugzeugen werden können. Da wäre dann die Grundsatzfrage zu stellen:

  • Brauchen wir diese Art von Rennsport-Fahrzeugen?
  • Wenn JA: Warum?
  • Weil sie für die Zuschauer vor Ort – und im Fernsehen – attraktiv sind?
  • Warum sind dann die Rennsportfahrzeuge einer vergangenen Epoche immer noch attraktiv, wie man z.B. beim AvD Oldtimer-Grand-Prix beobachten kann?
  • Waren die Fahrer dieser alten „flügellosen“ Renn- und Sportwagen bessere Rennfahrer als die heutigen?

Der DMSB-Präsident hat – wie man hören und lesen konnte – im Hinblick auf dien morgigen „Runden Tisch“ zugesagt:

„Ziel ist es dabei, nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, die sicheren und fairen Motorsport auf der Nordschleife auch in Zukunft ermöglichen. Dabei wird es keine Denkverbote geben.”

Ich beobachte den Herrn Präsidenten seit einer Zeit, als er auf der – inzwischen nicht mehr existierenden – Nürburgring-Südschleife seine ersten Fahrversuche auf einem 700er BMW (ohne Führerschein) machte, er in Nürburg – verbotener Weise - eine Dampfwalze steuerte, erfuhr von seinem Scherz, in Garmisch seiner Großmutter unbeobachtet Hotelsilber in die Handtasche zu stecken, habe ihn aber auch beobachtet, als er als einer der wenigen Fahrer in der Lage war, dass Renn-ABS eines VW Scirocco-Werkswagens auf der Nürburgring-Nordschleife optimal zu nutzen. - Ich schätze ihn als Fahrer!

Man darf gespannt sein, sollte aber keine zu hohen Erwartungen in die Entscheidungen des „Runden Tisches“ haben, die sicherlich auch in den Fernseh-Nachrichtensendungen Erwähnung finden dürften. Der „Runde Tisch“ wird politische Entscheidungen treffen, die auch am Geld orientiert sind.

Haben Sie schon mal in den 20 Uhr-Nachrichten der „Tagesschau'“ gehört:

„Heute sind wieder 162 Menschen an der Folgen einer Sepsis gestorben.“ -?-

Dafür fehlt offenbar der „journalistische Aufhänger“. - Jährlich sterben 60.000 Menschen in Deutschland (!) - von um 160.000 daran Erkrankten - an einer Blutvergiftung (Sepsis). Von Kameras unbeobachtet und von „Youtube“ nicht wahrgenommen.

Aber zurück zum „Runden Tisch“. - Von dem werden wir dann morgen erfahren, wie man den Motorsport noch sicherer macht. Vielleicht, indem man die Rennfahrzeuge – wie bei den Serien-Automobilen geplant – in Zukunft nicht mehr mit Fahrern besetzt, sondern „autonom“ in Rennen unterwegs sein lässt? - Schließlich soll doch der Motorsport den Boden für die Serie bereiten.

Und brauchen wir bei dem vorhandenen Fernsehangebot dann noch Zuschauer „vor Ort“?

MK/Wilhelm Hahne

PS: Die o.e. junge Frau aus der Opel-Lounge ist übrigens schon lange tot. Sie ist – jung – und trotz einer gelungenen Operation, an einem schnell wachsenden Hirntumor gestorben.

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