Nicht nur in Shanghai ist Medientag

Mit Pressekonferenzen versucht man Meinung zu machen, von Tatsachen abzulenken oder bestimmte Fakten so zu beleuchten, dass sie in der Öffentlichkeit so wahrgenommen werden, wie es einer Firma, einer Sportart, einem Veranstalter gerade in den Kram passt. Der Geschäftsführer der capricorn NÜRBURGRING GmbH, Carsten Schumacher, hat das gerade getan. Er hat – entsprechend der funktionierden Vorlage von Kurt Beck – dann Fehlentscheidungen eingeräumt. Und natürlich möchte man die Formel 1 am Nürburgring nicht grundsätzlich verlieren. Aber – so Schumacher – die habe „seit Schumacher“ (und hier meint er natürlich Michael und nicht sich selbst) „an Zugkraft verloren“. Die „Ersparnis“ durch den in 2015 in Deutschland ausfallenden Grand-Prix umreißt er mit „500.000 bis 1 Million Euro“. - Was der Wegfall der Formel 1 für die Eifel-Region bedeutet, davon hat er nicht gesprochen. - Diese Pressekonferenz war gestern. Heute ist dann in Shanghai Medientag bei der Formel 1. Da steht dann das Mercedes-Team im Focus, wo man Hamilton unterstellte, vielleicht beim letzten Rennen, dass von Vettel/Ferrari gewonnen wurde, ein wenig die Übersicht verloren zu haben, wenn der die Reifenwahl des Teams beim letzten Wechsel kritisiert hatte. - Aber Aussagen gegenüber der Presse sind mit Vorsicht zu behandeln und sollten nicht von den Problemen ablenken, die sich „Toto“ Wolff, der Macher mit Übersicht im Mercedes-Team, z. Zt. wohl selber macht, indem er sich von Lewis Hamilton zu Aktionen hinreißen lässt, die aus einem verzögerten Vertragsabschluss resultieren. - Meint Motor-KRITIK. - Und versucht nachstehend die Erklärung zu liefern.

Nicht nur in Shanghai ist Medientag

In Shanghai ist man schon 6 Stunden weiter als in Deutschland. China ist uns also auch auf der Uhr ein wenig voraus. Der Mercedes-Zeitplan für die Medien, die auch hier in zwei wesentliche Gruppen geteilt und entsprechend behandelt werden, sah für heute – auf die Ortszeit bezogen – so aus:

  • 16:15 Uhr: Lewis Hamilton, für TV-Teams, hinter der Box
  • 16:25 Uhr: Nico Rosberg, für TV-Teams, hinter der Box
  • 16:25 Uhr: Lewis Hamilton, für Print Media, in der Team-Hospitality
  • 16:40 Uhr: Nico Rosberg, für Print Media, in der Team-Hospitality

Was gesagt wird (werden darf!) entspricht in jedem Fall der vorher festgelegten Sprachregelung. Fernsehteams werden – wie man oben sieht – in 10 Minuten abgefertigt, den Print-Medien räumt man 5 Minuten mehr ein.

Nun ist Motor-KRITIK zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, was dort gesagt wurde. Aber der Tenor der Aussagen dort kann kein anderer gewesen sein als der, der schon in den letzten Tagen geäußert wurde.

Man versucht der Öffentlichkeit zu verkaufen, dass die Formel 1 wieder spannend geworden ist. Alle Beteiligten versuchen den Fehler, den „Toto“ Wolff beim letzten Rennen gemacht hat, nun dazu zu nutzen, um sich selbst, das Team und die Formel 1 besser aussehen zu lassen, als sie eigentlich sind.

Auslöser dieser „spannungsgeladenen Situation“ ist eigentlich Lewis Hamilton in der Kombination mit „Toto“ Wolff. Beide verhandeln über eine Vertragsverlängerung, die die Zeit von 2016 bis 2019 betreffen soll. Was einen Abschluss erschwert ist, dass zu viele Leute in die Thematik eingebunden sind, die bedeutend weniger verdienen als der, um den es hier eigentlich geht: Lewis Hamilton.

Inzwischen hat man mit der Ausarbeitung von Details um 80 DIN-A4-Seiten Papier gefüllt, ohne sich einig geworden zu sein. Lewis Hamilton führt die Verhandlungen selber, nachdem er sich von seinem Manager getrennt hat.

Als erste „kleine Mahnung“ an Mercedes (und „Toto“ Wolff) hat er auf das Führen der Startnummer 1 verzichtet, die ihm als Gewinner der Weltmeisterschaft 2014 zusteht. - Bei Mercedes gibt man sich gelassen, während man innerlich kocht.

Lewis Hamilton bringt aber Leistung, wie er mit dem Gewinn des ersten WM-Laufes bewiesen hat. Natürlich auch dank des hervorragenden Materials, das ihm Mercedes zur Verfügung stellt. - Aber trotzdem ist man sich bisher noch nicht einig geworden. - Obwohl es immer schon mal so aussah.

Als zweite „kleine Erinnerung“ hat sich dann Lewis Hamilton für gut 1,8 Millionen Euro einen Ferrari „LaFerrari“ gekauft. Das ist ein Super-Hybrid-Sportwagen mit einer ähnlichen Technik, wie sie auch in den Formel 1-Fahrzeugen zum Einsatz kommt.

Beim Ferrari-Sportwagen bringt es ein Zwölfzylinder-6,3-Liter-Motor zusammen mit einem Elektromotor unter idealen Voraussetzungen auf 963 PS. - Für Lewis Hamilton vielleicht gerade das richtige „Spaß-Automobil“, das auch einem Mercedes Formel 1 an reiner Motoren-Leistung klar überlegen ist.

„Toto“ Wolff gibt sich gelassen: „Wir haben damit kein Problem.“

Aber beim zweiten Rennen hat er dann schon versucht, Lewis Hamilton eine kleine Lektion zu erteilen. Natürlich hat Ferrari die Gunst der Stunde und eine clevere Strategie genutzt, um sich besser in Position zu bringen. Aber erst der (bewusste?) Reifen-Fehlgriff beim letzten Wechsel bei Hamilton, hat den Sieg von Vettel ermöglicht.

„Toto“ Wolff hat dazu angemerkt, dass die Reifenwahl exakt richtig war, ein Fahrer in seiner Situation schon einmal die Übersicht verlieren und das evtl. nicht richtig beurteilen könne. Wolff meint aktuell – auf die Situation bezogen:

„Die nächste Chance dazu erhalten wir in China - auf einer Strecke, die für das Team in der Vergangenheit ein gutes Pflaster gewesen ist. Lewis weist dort eine großartige Bilanz auf und Nico wurde dort in den Kreis der Sieger aufgenommen. Wir haben alle Werkzeuge zur Verfügung. Jetzt müssen wir an diesem Wochenende das Beste daraus machen.“

Aktuell beurteilt Lewis Hamilton die Situation so, lässt sich nicht provozieren, sondern in die Mercedes-PR einbinden:

„Letztendlich haben wir die bestmöglichen Entscheidungen getroffen. Es gibt jedoch stets Raum für Verbesserungen. Deshalb haben wir hart daran gearbeitet, um alles für das kommende Rennen in China zu analysieren.“

Das, was als eine „kleine gedankliche Anregung“ für Lewis Hamilton gedacht war, wurde zu einer Niederlage von Mercedes, die natürlich (intern) „Toto“ Wolff voll getroffen hat. So wurde dann auch aus der Vertragsverlängerung, deren Abschluss sozusagen stündlich erwartet wurde, dann wieder einmal nichts.

Lewis Hamilton lässt das kalt. Er weiß, dass Mercedes in Shanghai gewinnen muss, wenn das interne Ansehen von „Toto“ Wolff bei Mercedes nicht einen größeren Schaden nehmen soll. Und ein Mercedes-Sieg führt nur über ihn. Solange Mercedes Lewis Hamilton und Nico Rosberg das gleiche technische Material zur Verfügung stellt, wird Lewis Hamilton der Schnellere sein.

Nico Rosberg sagt zwar: „Ich will dieses Rennen gewinnen.“ - Aber das sagt eigentlich jeder Sportler vor jedem Start. - Aber nur einer kann gewinnen. Und das wird unter normalen Umständen immer der Bessere sein. - In diesem Fall also Lewis Hamilton, weil er – so die Meinung von Motor-KRITIK – der komplexere Rennfahrer ist. - Noch. - Obwohl Nico Rosberg aktuell betont:

„Shanghai ist eine großartige Strecke für mich. Dort habe ich 2012, in meiner dritten Saison mit den Silberpfeilen, meine erste Pole und meinen ersten Sieg geholt. Es war kein perfekter Start in mein sechstes Jahr mit dem Team, aber ich bin fest entschlossen, dass an diesem Wochenende umzukehren.“

Unter normalen Umständen wird sich Vettel und Ferrari mit Platz 3 in Shanghai begnügen müssen. - Wenn nicht Williams oder auch Lotus schon hier ein wenig besser sind..

Es lohnt sich also schon, unter diesen Gesichtspunkten am Sonntag einmal etwas früher aufzustehen, um dann später besser beurteilen zu können, wer nach dem Rennen den größeren Blödsinn erzählt.

RTL überträgt am 12. April 2015, morgens ab 7:00 Uhr das Rennen. Nachfolgend noch dazu ein paar Informationen:

Strecken-Charakteristiken

  • Streckenlänge 5,451 km
  • Rennrunden: 56
  • Renndistanz: 305,066 km
  • Rundenrekord: 1:32.239 min
  • Rekordhalter: Michael Schumacher, 2004
  • Anzahl der Kurven: 16 (7 Links-, 9 Rechtskurven)
  • Weg von der Pole bis Scheitelpunkt Kurve 1: 380 m
  • Länge des Speedlimits in der Boxengasse: 351 m
  • Zeit in der Boxengasse bei 80 km/h: 23,0 sec
  • Bremszonen: 7, davon 1 stark
  • Brems-Energie: Niedrig
  • Reifenmischungen: M / S
  • DRS-Zonen: Kurve 16 – 1 und Kurve 13 - 14
  • Beste Überholstellen: Kurve 1 / 14
  • Wahrscheinlichkeit eines Regenrennens: 30 Prozent
MK/Wilhelm Hahne
Durchschnitt: 4.9 (bei 42 Bewertungen)

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