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Mich hat die Nachricht von seinem Tod via Internet erreicht. Da rückt man dann mal seinen Stuhl zurecht, zupft nervös ein paar Krümel aus dem Pullover und – wundert sich, dass man noch lebt. Eggenberger wurde 79 Jahre alt. - Kein Alter. - Das sagt sich so einfach. Aber es ist für so manchen Menschen nicht einfach, überhaupt so alt zu werden. - Ruedi Eggenberger war noch einer „vom alten Schlag“. Wenn ich jetzt die Informationen lese, die an seine Erfolge mit „großen Rennfahrern“ erinnern, so ist das ganz „im Stil der Zeit“. Dabei waren nicht die „großen Namen“ für ihn wichtig. Mit denen hat er vielleicht seine Arbeit der breiten Öffentlichkeit verkaufen können. Da ich mit ihm – wie man das heute nennen würde - „Hintergrundgespräche“ geführt habe, weiß ich, welche Rennfahrer ihm wirklich nahe standen, welche er schätzte, mit denen er – obwohl er sich über deren „Forderungen“ oft ärgerte – dann auch „nach vorn gebracht“ haben. - Ich habe „mit denen“ eine „Mehrzahl“ angedeutet, aber eigentlich war es nur Einer.
Ruedi Eggenberger – eine Erinnerung an ihn
Ruedi Eggenberger war Schweizer. Und er war so genau, wie man das auch Schweizer Uhren nachsagt. Er war immer auf der Suche nach der Vollkommenheit, nahm dabei auch keine Rücksicht auf Arbeitszeiten.
Aber das kommt im Rennsport schon öfter vor. Aber dass jemand einen Fahrer, der einen durch sein Anspruchsdenken immer weiter brachte, obwohl sich Ruedi Eggenberger von ihm gequält fühlte, dann per Saldo doch als für sich notwendig akzeptierte, das gibt es schon seltener.
Dieser Fahrer war Helmut Kelleners. Wenn man heute seinen Namen nennt, dann vielleicht als Vater vom Rennfahrer Ralf Kelleners. Helmut kommt eben aus einer anderen Generation als die Nachwuchs-Motorjournalisten. Ruedi Eggenberger schätzte sein technisches Wissen und sein Einschätzungsvermögen für richtige und wichtige Zusammenhänge.
Helmut Kelleners hatte eben nicht nur zwei Lehren hinter sich, eine als Motorrad- eine zweite als Automechaniker, er hatte auch das Autofahren gelernt, sein Talent über die Praxis in vielen „kleinen“ Berg- und Rundstrecken-Rennen, Renn-Slaloms und Rallyes ständig verbessert. - Er arbeitete gerne mit Eggenberger zusammen. - Andere Rennfahrer, solche „mit großen Namen“ profitierten von dieser gemeinsamen Arbeit.
Ich kann mich noch gut an die Abstimmungsarbeiten erinnern, die Eggenberger zusammen mit Helmut Kelleners hier am Nürburgring an dem Procar-M1 durchführte. Eggenberger wohnte immer, wenn er am Nürburgring war, in Nürburg im „Hotel zur Burg“, bei der Familie Daniels. Dort kam er dann oft sehr spät erst zum Abendessen, weil Helmut Kelleners ihn mal wieder „gezwungen“ hatte, noch dieses und jenes zu versuchen, obwohl er eigentlich gedacht hatte, das man nun fertig wäre.
Als dann Helmut Kelleners mit diesem M1 gegen harte Konkurrenz im Jahre 1980 in Monte Carlo im Procar-Rennen auf Platz 2 fuhr, war das für Eggenberger nur die Bestätigung, dass Helmut „die richtige Nase“ für die Entwicklung z.B. des Fahrwerks in die richtige Richtung hatte. Ich glaube kaum, dass es einen Fahrer gibt, der mehr Rennen für Ruedi Eggenberger bzw. sein Team bestritten hat, als Helmut Kelleners. Es sind sicherlich deutlich mehr als Fünfzig gewesen!
Ich habe Ruedi Eggenberger auch mal zu der Zeit in der Schweiz besucht, als er für Opel tätig geworden war. Auf dem Weg zum Genfer Salon habe ich bei ihm Zwischenstation gemacht. Was mich beeindruckt hat war z.B. ein Aufzug, mit denen er ein Rennfahrzeug vom Erdgeschoss in die Werkstatt in den 1. Stock befördern konnte. Wir haben dann zusammen in seinem Büro gesessen und „gesponnen“, wie man das schon mal unter „Verrückten“ macht.
Als wir dann wieder auf dem Gang standen, da hat er mir mit einem verschmitzten Lächeln angedeutet, dass er mir noch etwas Besonders zeigen möchte. Und wir sind zusammen über den langen Gang bis zu einer Bürotür gegangen, an der der Gang zu enden schien. Ruedi blieb stehen, drehte sich zu mir um und gab damit den Blick auf die Tür frei. - Das war dann die Überraschung! Und ich war auch tatsächlich verdutzt. Auf der Tür gab es das Türschild mit dem Namen „Karl Mauer“.
Karl Mauer war damals Motorsport-Chef bei Opel in Rüsselsheim und öfter zu Detailgesprächen bei Ruedi Eggenberger in der Schweiz. Damit er dann – so zwischendurch – auch noch andere Arbeiten im Interesse seiner Firma erledigen konnte, hatte ihm Ruedi Eggenberger ein Büro zur Verfügung gestellt.
Ich habe Ruedi Eggenberger gemocht. Er war für alle die mit ihm zusammen gearbeitet haben, immer ein zuverlässiger Partner, einer von der Art, die in der „modernen Art“ des Rennsports immer seltener geworden sind. Da wird es sicherlich welche geben, die Ruedi Eggenberger nicht vermissen werden. - Im Motorsport wird man eben „sehr schnell alt“. - Und wird entsprechend behandelt, übersehen und vergessen.
Darüber muss sich ein Ruedi Eggenberger nun nicht mehr aufregen. Aber ich bin schon ein wenig traurig, weil hier ein Teamchef von uns gegangen ist, für den der Motorsport wirklich ein wichtiger Teil in seinem Leben war, nicht nur ein Übergang von Irgendwoher nach Irgendwohin.
Ich kenne Leute, die das genauso empfinden.
Wenn wir ihn nicht gesehen haben, haben wir ihn – vielleicht – nicht vermisst. Aber wenn wir uns trafen, war er eine Bereicherung. Jetzt, da er nicht mehr unter uns ist, begreift man erst, dass der Motorsport wieder um eine Persönlichkeit ärmer geworden ist.