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Ich bin immer wieder ein wenig erstaunt, wie wenig der Faktor Mensch im Motorsport Berücksichtigung findet. Eigentlich scheint es ihn gar nicht zu geben, wenn man einmal die unterschiedlichsten Fahrer und ihre Entwicklung – jetzt durch das Beispiel Raikkönen angeregt – Revue passieren lässt. Es ist sicherlich normal, dass immer das Ergebnis gewertet wird. War jemand erfolgreich, weniger erfolgreich? - Hat er evtl. versagt? - Doch die Gründe werden nicht hinterfragt. Schließlich ist heute alles messbar! - Es wird nicht nur überwacht, ob – und wie – das Sportinstrument, das Rennfahrzeug funktioniert, sondern auch bewertet, wie und wo ein Fahrer – der „Bediener“ des Fahrzeugs - bremst, die Gaspedalstellung kann „ausgelesen“ werden, man wertet erreichte Geschwindigkeiten aus. - Innerhalb eines Teams wird dann verglichen, abgeglichen und benotet. - Das von Leuten, die den Computer einschl. der Software perfekt beherrschen, aber oft noch niemals in ihrem Leben Rennen gefahren sind. - Es bleibt auch der menschliche Faktor unberücksichtigt. - Auch in der so genannten „Volksmeinung“. - Da geht dann nichts über einen Michael Schumacher, einen Klaus Ludwig oder auch einen Sebastian Vettel. - Dass das alles aber auch Menschen mit gewissen Stärken, aber auch Schwächen sind, wird dabei vergessen. - Was zählt, ist immer das Ergebnis. - Alle kommen eigentlich auf unterschiedlichen Wegen dazu, doch man könnte – wäre man menschlich einfühlsam – das Ergebnis oft noch verbessern. - Wenn man sich nicht nur um das „Sportinstrument“, sondern auch um den „Menschen“ bemühen würde, der schließlich in voller Harmonie mit der vorhandenen Technik das beste Ergebnis erzielen soll.
Beispiel Raikkönen: Sind Menschen „unberechenbar“?
Ich lese heute in der Zeitung: „Vettels neuer Nebenmann“. - Es geht um „den Neuen“, Charles Leclerc, im Ferrari-Team für die Saison 2019. - In diesem Titel spiegelt sich das Wissen und Verständnis für den Motorsport wider, wie er in unserer Zeit empfunden werden muss. - Es zählt nur der Erfolg! - Und der Erfolg wird – auch – bestimmt, von der Position im Team. Da wird in den Spitzenteams der Formel 1 einer zur „Nummer 1“ erklärt, der andere wird damit zum „Wasserträger“. - Man kennt das schließlich aus dem Radsport.
Im Motorsport ist es aber anders als es – abhängig vom jeweiligen „Chef“ - auch in großen Firmen zugeht. Da gibt es – wie eigentlich überall – auch „So‘ne und Solche“! - Im Motorsport hätte man aber im gleichen Team möglichst einen „Spitzenmann“ und einen „Teamplayer“. Das sorgt dann, wie auch in großen Firmen, für Ruhe, führt aber nicht zu wirklichem Fortschritt. Der wird dann durch die „Konkurrenz“ erzwungen.
Ohne Zweifel war Raikkönen neben Vettel im Ferrari-Teams eine geradezu ideale Ergänzung, bis zu dem Moment, da man eine Vertragsverlängerung nicht mehr ins Auge fasste. Aus welchem Grund sollte jetzt noch Raikkönen den „Wasserträger“ spielen? - Also war er z.B. in Monza schneller im Qualifying. - Und, so sagen Fachleute, hat er nun einem Sebastian Vettel die MW 2018 „kaputt gemacht“. - Armer Vettel!
Bei Mercedes ist dagegen die Lage anders: Ein Valtterie Bottas aktzeptiert die fahrerische Überlegenheit eines Lewis Hamilton und handelt dann – aus eigenem Antrieb (!) - in bestimmten Situationen auch entsprechend. Es bedarf da keiner Anweisung.
Bei Ferrari war die Situation anders, aber Raikkönen akzeptierte, dass man Vettel als „Heilsbringer“ aufbaute, so lange es ihm die Situation erlaubte, weiter „seinen Spaß zu haben“. - Das ist nämlich der eigentliche Grund dafür, dass ein Raikkönen „in seinem Alter“ noch wirklich konkurrenzfähig ist!
Da ist er mit Valentino Rossi in der MotoGP zu vergleichen, der immer noch – im gleichen Alter wie Raikkönen - wirklich konkurrenzfähig ist, mit der kleinen Schwäche, dass er nur mit perfekt auf ihn abgestimmten Sportinstrumenten wirklich topp sein kann.
Es gibt da bei Fahrern durchaus Unterschiede. Ein Hans-Joachim Stuck war früher z.B. einfach mit jedem Rennautomobil schnell. Er hatte die Fähigkeit, die Schwächen des Fahrzeugs hinzunehmen und fahrerisch im gewissen Rahmen ausgleichen zu können.
Oder nehmen wir mal das Beispiel des überall hoch gelobten Klaus Ludwig. Ein talentierter Rennfahrer, den ich aber – wäre ich auch Rennfahrer gewesen – nicht gerne in einem Team als Partner gehabt hätte. Klaus Ludwig war – das ist meine Meinung – ein sehr schönes Beispiel dafür, wie man mit intelligentem, quasi unauffälligem Einsatz von Tricks und Intrigen jeden Team-Kollegen praktisch „fertig machen“ kann.
Ein „Gegenstück“ dazu war als Rennfahrer Heinz-Harald Frentzen. Er war hochtalentiert, aber eigentlich ohne jeden Ehrgeiz, wenn man von seinem „Antrieb“ absieht, unbedingt einmal in die Formel 1 kommen zu wollen. Aus meiner persönlichen Sicht war Heinz-Harald talentierter, hatte fahrerisch bessere Ansätze als z.B. Michael Schumacher, mit dem er zusammen im Team bei Mercedes Sportwagen fuhr. Frentzen fehlte jeder Ehrgeiz, Dinge zu tun, die für Michael Schumacher selbstverständlich waren, weil er „nach vorne kommen“ wollte.
Seine Frau, Corinna, könnte zu den unterschiedlichen Anlagen von Heinz-Harald und Michael sicherlich bessere Worte finden, denn sie war – bevor sie Frau Schumacher wurde – die Freundin von Heinz-Harald Frentzen. - Aber: Michael Schumacher war insgesamt die perfektere Rennfahrerpersönlichkeit.
Die menschlichen Qualitäten, die jemanden zu einem „guten Menschen“ machen, sind es nicht unbedingt, die im Motorsport Erfolge generieren. Ich weiß – weil ich es gesehen habe - „wie hart“ ein Michael Schumacher oder auch ein Alain Prost fuhren. Für solche Fahrer war es niemals ein Problem, auch mal „jemanden neben die Strecke“ zu befördern. - Natürlich wollte man niemandem absichtlich wehe tun! - Aber das hat in diesem Moment nicht interessiert!
Was mich im Moment interessiert ist: Wie wird sich ein Charles Leclerc in der Saison 2019 neben Sebastian Vettel im Ferrari-Team platzieren lassen? - Charles ist erst 20 Jahre alt, in der „Neuzeit“ herangewachsen, hat schon Jahre die Unterstützung von Ferrari erfahren, weiß darum, dass „Geld die Welt regiert“ und „wer die Musik bezahlt, bestimmt was gespielt wird“.
Das sind eigentlich „Sprüche“, die im Sport – auch im Motorsport (!) - keine Rolle spielen sollten, aber an denen sich heute die meisten „Arbeitnehmer“ orientieren. Schließlich weiß man, „wie es im Leben zugeht“: „Dess‘ Brot ich esse, dess‘ Lied ich singe!“
Für Kimi Raikkönen beginnt in 2019 sozusagen eine neue Zeit. Im Sauber-Team darf er „frei aufspielen“, kann seine ganze Erfahrung einbringen. Er muss sicherlich keine Rücksichten auf Marcus Ericsson nehmen, kann beim Formel 1-Fahren wieder den Spaß haben, der für ihn als Motivation wichtig ist.
Für mich ist keine es Frage, dass er bei Sauber, seit 2018 immer mit Ferrari-Motoren der neuesten Ausbaustufe als „Alfa Romeo“-Team unterwegs, mit seiner Erfahrung eine große Hilfe sein kann. Abgesehen von seinen fahrerischen Qualitäten.
Schauen wir mal, wie oft Kimi Raikkönen in 2019 mit einem Sauber „in die Punkte fahren“ wird.
- Für Raikkönen haben sich die Aussichten, in 2019 in der Formel 1 mehr Spaß zu haben, verbessert.
Sebastian Vettel wird sich fahrerisch dagegen neu mit einem Problem herum schlagen müssen, das Charles Leclerc heißt.
Ferrari wird es als Team in 2019 nicht einfacher haben. Selbst wenn ein Charles Leclerc schon als „Jahre vorbehandelt“ empfunden werden muss, wird es „menschlich“ nicht so ganz einfach zwischen den Zweien werden.
Dazu ist bei beiden Fahrern der Erfolgsdruck zu groß! - Was dem „Team“, bei seinen Bemühungen, möglichst bald die Formel 1-Weltmeisterschaft zu erringen, nicht gerade helfen wird.
Der eigentliche Verlierer 2019 wird Sebastian Vettel heißen!
Menschlich betrachtet!