Wenig Erfahrung begründet fehlende eigene Meinung!

Ich muss mit dem Vorwurf leben, mich beim Schreiben meiner Geschichten in Motor-KRITIK wenig journalistisch zu benehmen. Da muss ich einfach hinnehmen, dass man mir vorwirft, nicht immer klar bei der „Nachricht“ zu bleiben, wie man es von einem „richtigen“ Journalisten erwartet, sondern diese Nachricht mit der eigenen Meinung zu mischen, was lt. Journalistenschule ein Fehler sein soll. - Ich empfinde mich als Fach-, nicht als Nachrichten-Journalist und fühle mich so quasi verpflichtet eine eigene Meinung in meine Geschichten einzubringen. Nein, ich gehöre nicht zu der Art von Journalisten, von denen einer der besten Vorstandsvorsitzenden einer deutschen Automobilfirma, Eberhard von Kuenheim, einmal in meiner Gegenwart einem „Journalisten“ sagte: „Ihr Journalisten habt es gut! - Ihr braucht von Nichts auch nur etwas zu verstehen und könnt über alles schreiben.“ - Dieser Journalist war da gerade zum Chefredakteur einer nicht unbekannten Motorradzeitschrift ernannt worden und wir befanden auf dem Vorstellungstermin für ein neues BMW-Motorrad. - Heute möchte ich einmal an einem aktuellen Beispiel – über das ich gerade gestolpert bin – darstellen, warum meine Geschichten oft schon mal ein wenig anders sind, als die meiner Kollegen.

Wenig Erfahrung begründet fehlende eigene Meinung!

Lesen bildet. Selbst das Lesen von „Groschen-Romanen“. Darum habe ich auch kein Problem damit hier zu schreiben, dass ich mir jede Woche die „Auto Bild“ kaufe, die gerade – wieder mal – zum Jahresende um 20 Cent teurer geworden ist. Nachdem z.B. Mercedes keine Prospekte für die gefertigten Modelle mehr machen lässt, ist man auf solche Druckerzeugnisse angewiesen, weil man in denen auch mal zurück blättern kann.
Jetzt über den Winter fehlt mir dann in „Auto Bild“ der Motorsport-Teil. Da muss ich dann schon ins Internet gehen, um zu lesen, was meine Kollegen zu diesem oder jenem Thema schreiben.

Nachdem am 9. Januar 2020 in der aktuellen „Auto Bild“ Nr. 2 des neuen Jahres auch nichts über Motorsport zu lesen war, habe ich dann mal ins Internet geschaut und dort unter "Auto Bild" eine Geschichte – auch vom 9. Januar 2020 – gefunden, die getitelt war:

„VLN mit zahlreichen Neuerungen“

Das hat mich, der ich nicht nur nahe am Nürburgring wohne, sondern auch jahrzehntelang in der VLN unterwegs war, natürlich interessiert. Ich war z.B. am Ende einer solchen Geschichte ziemlich sprachlos, wie man Information an Information - ziemlich kritiklos - hintereinander gereiht hat. Natürlich stimmt dann auch der Titel. - Aber was hat ein Leser davon, der sich einmal gründlich informieren möchte?

Man kann nicht wiedersprechen, wenn der Autor die VLN-Langstreckenmeisterschaft als die „größte Langstreckenserie der Welt“ bezeichnet. Aber es ist sicherlich ein wenig unpräzise, wenn ich dort lese, dass „bei jedem Rennen durchschnittlich 170 Rennwagen am Start“ sind.
Wenn man die offiziellen Starterzahlen des Jahres 2019 nimmt, waren es z.B 161,8 Fahrzeuge. Da hätte der Journalist allerdings addieren und dividieren müssen. Dazu hat man heute in einer Redaktion keine Zeit mehr. - Da ist es einfacher, dann schnell etwas Wesentliches zu berichten:

„Langstreckenserie: Die VLN bekommt ein neues Gesicht“

Man liest, dass die VLN in 2020 nun als „NLS“ (Nordschleifen Langstrecken-Serie) ausgetragen wird. Ich habe diesen Vorgang bei mir schon kommentiert, habe damit aber meine Meinungsbildung nicht abgeschlossen und inzwischen den Eindruck gewonnen, dass man „am Ring“ nun ein wenig zurück rudert.

So ist auf neuen Verträgen zu dieser Serie, von denen ich erfuhr, oben links auf dem DIN A4-Bogen immer noch von VLN die Rede, während rechts daneben dann der „Schmutzige Löffel“ präsentiert wird. Wenn sich Leute darüber wundern wird denen erklärt, dass „natürlich“ der Begriff VLN erhalten bliebe. „NLS“ wäre praktisch nur der Oberbegriff. Wer dann vielleicht noch fragend – und ein wenig verständnislos – guckt, dem sagt man dann vielleicht ergänzend, dass das so wäre wie mit den zwei Begriffen „ITR“ und „DTM“. - Was mich dann ein wenig erstaunt gucken lässt.

Jedenfalls scheint „denen da oben“ die schnell aufkommende öffentliche Kritik an einer „Namensänderungen“ nicht so angenehm zu sein und man „rudert ein Stück zurück“. - Mal sehen, wo diese Entwicklung endet, die sicherlich nicht als positiv empfunden werden kann.

Da wird in der „Auto Bild“-Geschichte dann z.B. auch von „positive Zeichen für die TCR-Klasse“ geschrieben. Man kann – lt vorläufiger Ausschreibung (!) - in 2020 mit einem TCR-Fahrzeug nicht mehr – auch nicht nach Software-Änderung – in der SP3T starten, „was der eigentlichen TCR-Klasse die Starter kostete“. - Schreibt „Auto Bild“. -  Da fragt man sich dann als Beobachter der VLN-Läufe, um welche Starterzahl da wohl die TCR-Klasse geschmälert wurde. - Da muss man nicht lange rechnen: In der SP3T war in 2019 immer nur ein „passend gemachtes“ TCR-Fahrzeug am Start.

Da sind dann Klassensiege in der SP3T leicht gefallen. - Aus dem gleichen Grund hat man dann wohl für 2020 wieder eine „Astra OPC-Klasse“ eingeführt. „Auto Bild“ schreibt: „ Da es noch immer zahlreiche Fahrzeuge gibt, wird die Klasse wieder eingeführt und das technische Reglement angeglichen.“ - Schau‘n wir mal, wie viele Fahrzeuge 2020 am Start sein werden. - Motor-KRITIK-Vorhersage: Ein bestimmter Fahrer wird hier wohl die Anzahl seiner bisherigen Klassensiege deutlich steigern können.

Da werden in „Auto Bild“ die in 2020 für alle teilnehmenden Fahrzeuge vorgeschriebenen Boxen-Mindeststandzeiten wertfrei als „der Sicherheit dienend“ dargestellt. Außerdem „ sollen auch die Diskussionen über ungleiche Durchflussmengen an den Zapfsäulen eingebremst werden“. - Was dort nicht geschrieben steht ist, dass es zwar neue Tanksäulen geben wird, aber man wird das „unterirdische System“ nicht ändern, das eigentlich die Durchflussunterschiede schafft.

So wird jetzt in 2020 die neue Regelung gegen Ende eines jeden Rennens für ein Chaos in der Boxengasse sorgen, weil wohl jeder normal denkende Teamchef bei den ersten normalen Tankstopps (auch Reifenwechsel), das Fahrzeug schnell wieder auf die Strecke schicken wird, denn man weiß ja nicht, was im Laufe eines solchen Langstreckenrennens noch passiert.

Passieren wird also mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass gegen Rennende noch -zig Fahrzeuge die „nicht abgesessene Standzeit“ in der Boxe „abfeiern“ müssen und so für ein kleines Chaos sorgen werden. - Hier wurde – wieder einmal – eine Entscheidung von Leuten am „grünen Tisch“ getroffen, die sich selber als „Fachleute“ empfinden.

Es gibt keine Anmerkung in der „Auto Bild“-Geschichte, das jedes teilnehmende Fahrzeug 2020 mit einem neuen elektronischen Gerät ausgestattet sein muss – auf eigene Kosten anzuschaffen – dass schon im Vorfeld zu „Code 60“-Situationen warnt. - Auch aus Sicherheitsgründen! - Natürlich! - Weil die „Code 60“-Regelung in der Vergangenheit zu vielen Auffahrunfällen führte. - Die sollen minimiert werden. - Aber das wird nirgendwo gesagt oder geschrieben, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Dass man in den V-Klassen – wie in der „vorläufigen Ausschreibung“ zu lesen, inzwischen die vordere Bremsanlage freistellt, wird bei „Auto Bild“ nicht erwähnt. Auch nicht, was das kostenmäßig für die Teams bedeutet. - Aber es vereinfacht natürlich die technische Kontrolle!

Weil die Sicherheit in der Boxengasse weiter erhöht werden soll, müssen nun alle dort arbeitenden Monteure feuerfeste Kleidung tragen. - Verbindlich vorgeschrieben! - Wenn man die in den letzten Jahren ständig gestiegene Zahl an „Helfern“ in der Boxengasse mit erlebt hat, kann man die Kostenbelastung für die Teams schon einschätzen.

Bei entsprechenden Rückfragen bei Teams wurde mir allerdings erklärt, dass man sich diesen Luxus nicht unbedingt leisten kann und die Boxenmannschaft für 2020 wohl „ausdünnen wird“ um Kosten zu sparen.

Vielleicht kann der Streckenvermieter – oder der jeweilige Veranstalter – so die Lücken füllen, die bei den Strecken-Marshalls entstanden ist. - Nicht auf jedem Gebiet wird nämlich bei der VLN die Sicherheit groß geschrieben!

Einige  Renn-Teams werden wegen der laufend gestiegenen Kosten nicht mehr am Start sein. Dafür werden sicherlich ein paar neue Teams auftauchen. Aber die Entwicklung der „größten Breitensportserie der Welt“ wird auch in 2020 keine positive Entwicklung erfahren. - Weil die Kostenentwicklung nicht als positiv empfunden werden kann.

Da kann man nicht – wegwerfend – mit dem Spruch argumentieren: Aber es wird doch alles teurer! - Oder noch schlimmer: Aber das Geld kostet doch heute nichts mehr!

Da fallen so „Vereinfachungen“, dass man nur noch einmal im Jahr – zu Beginn der Saison – an einer Fahrerbesprechung teilnehmen muss wohl kaum ins Gewicht. - Man kann immerhin bei weiteren Läufen als Fahrer später im Fahrerlager erscheinen, länger schlafen.

Vielleicht hat „Auto Bild“ wirklich mit der Feststellung recht:

„Die VLN bekommt ein neues Gesicht“

Aber hat sie das nicht schon seit geraumer Zeit? - Wenn es so weiter geht, wird das Gesicht der VLN zu einer „Fratze“ werden!

Nein, die Entwicklung im deutschen Motorsport ist nicht unbedingt positiv zu betrachten. Und das nicht erst, seit dem sich auch das Landesamt für Steuern (so heißt die OFD in RLP offiziell) für den Motorsport – und auch die „größte Breitensportserie der Welt“, ihre Veranstalter und Teams interessiert.

Motor-KRITIK wird auch darüber in 2020 weiter informieren! - Weil man darüber wohl wenig bei „Auto Bild“ erfahren kann.

MK/Wilhelm Hahne

PS: Bitte sehen Sie mir nach, dass ich auf die Überarbeitung des Nordschleifen-Permit durch den DMSB nicht eingegangen bin. - Meine persönliche, grundsätzliche Meinung dazu dürfte den Motor-KRITIK-Lesern bekannt sein.

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