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Seit Jahrzehnten bin ich – auch – im Motorsport unterwegs und habe gute Kontakte auch zu Rennfahrern. Zu jenen, die das berufsmäßig machen, aber auch zu jenen, die den Motorsport intensiv als Hobby betreiben. Ich kenne darum auch die immer wieder gern geäußerte These: Rennfahrer dürfen keine Angst haben! - Das hört sich gut und richtig an. Schließlich ist der Beruf eines Rennfahrers ein gefährlicher Beruf und man bewundert die Leute, die ihn gewählt haben. Besonders dann, wenn sie ihn erfolgreich ausüben. Aber gerade die erfolgreichen Rennfahrer haben immer schon mal über ihre Angst, bzw. ihre Ängste gesprochen. Sowohl ein Walter Röhrl hat sich darüber Gedanken gemacht, wie auch ein Niki Lauda. Auch für einen Lewis Hamilton ist das ein Thema, über dass man sich Gedanken machen sollte. Andere „Rennfahrer“ (in Anführungszeichen) haben – wenn sie denn danach gefragt werden – eigentlich immer eine klare Meinung, die sich daran orientiert, dass sie wohl davon ausgehen, dass man immer das sagen sollte, dass Zuhörer, Zuschauer oder Fragende am meisten beeindruckt: Ein Rennfahrer darf keine Angst haben. Eine „Rennfahrerin“ (und Moderatorin!) hat das mal mit dem klugen Zusatz (?) geäußert: „Sonst ist er im falschen Sport!“ - Ich würde das anders sehen: Wer als Rennfahrer nicht über die natürliche Hemmschwelle „Angst“ verfügt, der wird in „seinem Sport“ mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell sterben! - Aber dazu möchte ich dann noch ein paar erklärende Sätze für meine Leser folgen lassen, die auch die im Titel gestellte Frage ein wenig differenzierter beantwortet:
Mal dumm gefragt: Dürfen Rennfahrer Angst haben?
Angst ist eine der wichtigen Grund-Emotionen des Menschen. Zu den weiteren wichtigen Emotionen, die eigentlich uns erst „menschlich werden lassen“, gehören auch Freude, Wut, Trauer und Ekel. Die Angst sollte eigentlich immer allgegenwärtig sein, weil sie uns schützt. Sie trägt zu einer risikobewussten Auseinandersetzung mit der Umwelt, unserem direkten Umfeld bei.
Eine gesunde Angst schützt z.B. auch jeden normalen Menschen im Straßenverkehr, weil uns die Angst daran hindert, zu schnell zu fahren, risikoreich zu überholen. Auch das Lampenfieber der Künstler vor einem Auftritt, ist ein Stück Angst. Die verstärkt die positive Anspannung, die so hilft, dem Publikum eine maximale Leistung zu bieten.
Natürlich hilft die Angst nicht einem untalentierten Rennfahrer zu einem talentierten Rennfahrer zu werden, aber dann doch, weil er so unfallfreier fährt.
- Denn nur wer unfallfrei die Ziellinie erreicht, hat auch Aussicht auf Erfolg.
So verwundert es auch nicht, wenn einer der besten Rennfahrer unserer Zeit, Max Verstappen, schon über seine Angst gesprochen hat. Die Angst zu versagen. Alle Menschen tragen also in sich – neben anderen Emotionen – auch die Anlage zu einer „natürlichen“ Angst. Man „schönt“ dieses eigentlich natürlich vorhandene Gefühl, wenn man es als „Respekt“ vor etwas bezeichnet.
Nun gibt es auch – weil zwar alle Menschen nach dem gleichen Konzept aufgebaut sind – aber dann durch eine differente, genetisch bedingte Anlage, auch schon mal leichte, krankhafte Entwicklungen. Man kennt sie als Flugangst, als Angst vor dem Fahren mit dem Aufzug. Es gibt auch die „Schwellen“- oder „Ladenangst“, die „Telefonangst“ und andere „Ängste“, die man schon eher mit „gering fehlerhaft“ benoten könnte.
- Aber man vermeidet gerne, darüber zu sprechen, wenn man davon betroffen ist!
Wissenschaftler sind der Meinung, dass die Steuerung unserer Angstgefühle auch genetisch bedingt – ein wenig anders - sein kann, nicht unbedingt „der Norm entspricht“. Sicher sind sie sich aber darin, dass alle unserer Emotionen – also auch die Angst – sozusagen „kopfgesteuert“ sind.
Da hat der so genannte „Mandelkern“, von Fachleuten mit „Amygdala“ bezeichnet eine besondere Bedeutung. Davon gehen alle wichtigen Emotionen des Menschen – also auch die Angst – aus. Hier entstehen sie, werden verarbeitet, reguliert. Es werden dort auch Erinnerungen gespeichert, bzw. die emotionale Speicherung verstärkt z.B. die Erinnerung an persönlich besonders bedeutsame Ereignisse.
- Es gibt von diesen „Mandelkernen“ jeweils zwei, die jeweils in jeder Gehirnhälfte – unterhalb der Schläfe – liegen und z.B. auch unser „soziales Verhalten“ mit bestimmen.
So kann eine etwas krankhafte Vergrößerung der „Mandelkerne“, zu einer Vergrößerung der Angstzustände führen. Es sind aber auch – zum Glück - wenige Fälle bekannt, wo durch eine weitgehend ungeklärte Schädigung beider „Mandelkerne“, Menschen keinerlei Angst mehr empfinden können.
Dann wird das Leben außerordentlich gefährlich, weil die Steuerung und Regulation des Alarmsystems „Angst“ nicht mehr funktioniert!
- Auch – um bei unserem Beispiel zu bleiben – der talentierteste Rennfahrer würde ohne ein Funktionieren des „Alarmsystems Angst“ einen frühen Tod erleiden!
Wir dürfen also sicher sein: Bei allen schnellen Rennfahrern unserer Zeit fährt die Angst ständig mit!
Es gibt ein – hoffentlich immer noch lebendes – Extrembeispiel, das in wissenschaftlichen Kreisen unter „S.M.“ bekannt ist. Das Nachrichten-Magazin SPIEGEL berichtete darüber schon mal im Jahre 2010.
„S.M.“ ist eine Frau, die keine Angst kennt. In ihrem Gehirn scheint eine bestimmte Region völlig zerstört. So hatte sie bei Tests keinerlei Bedenken, nach Giftschlangen zu greifen. Obwohl sie um deren Gefährlichkeit wusste! Sie hat auch versucht, eine „Tarantel“, eine wirklich giftige Spinne zu berühren. - Angst spielt im Leben dieser Frau überhaupt keine Rolle. So ist ihr Leben ständig in Gefahr! - Sie wurde schon überfallen, mit der Waffe bedroht. - Es hat sie nicht beeindruckt!
- Diese Frau hat keine Angst! Ihre negativen Erlebnisse werden nicht sinnvoll verarbeitet!
Es gibt also mit sehr hoher wahrscheinlich in der Motorsportwelt – ganz gleich ob unter Motorrad- oder Auto-Rennfahrern – keinen Sportler, der ohne „normale“ Regulierungsfunktionen von „Angst“ unterwegs ist.
Nun ist das Risiko eines „modernen“ Rennfahrers tödlich zu verunglücken zwar in den letzten Jahren -. verglichen mit dem vor einigen Jahrzehnten – wesentlich geringer geworden, aber ohne „Angst“ wäre dieser Beruf wohl auch heute bald tödlich.
Meine Leser sollten also nicht jenen „Schauspielern“ und Selbstdarstellern glauben, die es für richtig halten davon zu sprechen, dass sie „natürlich“ beim Rennen fahren keine Angst empfinden.
Das sind jene Leute, die wahrscheinlich von Allem keine Ahnung haben: Weder von sich, noch vom so genannten „Grenzbereich“, in dem sie sich in diesem Sport eigentlich bewegen sollten.
- Es gibt eben nicht nur „dumme Fragen“, sondern auch „dumme Rennfahrer“!
Aber es gibt kaum wirklich gute Rennfahrer, die „ohne Angst“ zu großen Erfolgen kommen!
Und wenn es sie jemals gegeben haben sollte, dann sind sie schon lange tot!
- „Angst“ hat gerade im Motorsport eine lebensverlängernde Funktion!



