5. März 2015: Lieber Leser!

Gesetze sind auch durch „juristische Personen“, also Firmen einzuhalten. Darum achtet man gerade bei den im DAX geführten Großunternehmen auf eine Regeltreue, auch Compliance genannt. Die Firmen haben selbst eine „Corporate Compliance“ erarbeiten lassen, die nicht nur beinhaltet, dass man sich im Rahmen der gültigen Gesetze bewegt, sondern auch selbst gesetzte ethische Standards und Anforderungen erfüllt. Da gibt es dann sogar eine Kommission, die unter Mitarbeit der Compliance-Beauftragten der DAX-Unternehmen den Rahmen vorgibt, der dann von den einzelnen Firmen in einer eigenen „Corporate Compliance“ die Mitarbeiter auf die Einhaltung dieser Vorgaben hinweist. - Im Januar 2015 hat man sich auch mit dem Verhältnis zwischen Wirtschaft und Presse beschäftigt. - Weil man meint, dass das dringend notwendig ist. - Es ist schade, dass wir in einer Zeit leben, in der man sich gezwungen sieht, Selbstverständlichkeiten regeln zu müssen. Ich habe den schleichenden Übergang hin zu der Situation miterlebt, die aktuell dazu führt, dass man einen „Kodex für die Medienarbeit von Unternehmen“ schaffen muss.

5. März 2015: Lieber Leser!

Werner Niefer, einst „Chef“ bei Mercedes, war ein bodenständiger Mann. Zwischen ihm und mir ist es häufig zu Meinungsdifferenzen gekommen, die sich aber auch aus den unterschiedlichen Position ergaben, die wir in unserer Funktion einnahmen. Seine Sicht war die eines am Profit interessierten Unternehmers, meine Sicht die eines (Motor-)Journalisten, der die Interessen der „Basis“, in diesem Fall der normalen Autofahrer vertritt.

So konnte es auch dazu kommen, dass wir uns auch schon mal „öffentlich fetzten“. Um dann Tage später unsere differente Meinung in langen, ruhigen Gesprächen zu klären. Ich schätzte seine Meinung und er nahm sich auch die Zeit, mir aufmerksam zuzuhören.

Werner Niefer sagte mir vor Jahrzehnten schon:

„Wir haben Euch Journalisten die Welt gezeigt und uns das auch etwas kosten lassen. Nun wird es Zeit, dass Ihr uns mal wieder etwas zurück gebt.“

Ich habe auf meine Funktion verwiesen und lächelnd gesagt, dass ich auch schon vor den Mercedes-Einladungen mit Messer und Gabel essen konnte. - Wir haben dann beide gelacht und - er hat mir von anderen Beispielen berichtet.

Es gab schon damals das, was man als Sittenverfall bezeichnen kann. Wollte man ihn umschreiben, könnte man – unter Verwendung einer bekannten Redensart - sagen:

  • Die Unternehmen zogen zwar die Medien in eine gewisse Richtung, aber die sanken auch gerne hin.

Als ich in diesen Tagen die Antwort auf eine Anfrage bei der Porsche-Presseabteilung erhielt, da hatte ich gerade den Besuch eines älteren, erfahrenen (Ex-)Pressechefs eines Automobilherstellers. Ich zeigte ihm die E-mail und fragte: „Ist das heute die Art, wie man als Dienstleister in einer Presseabteilung den Journalisten zuarbeitet?“

Die Antwort war:

„Die Pressearbeit der Unternehmen konnte sich so entwickeln, weil es keine Journalisten mehr gibt.“

Und er hat gelacht. - Natürlich war ich dann auch hier nicht das passende Beispiel. - Wie damals auch bei Niefer.

Motor-KRITIK-Anmerkung zum Thema: Tatsache ist z.B. dass es z.Zt. keinen deutschen Automobilhersteller gibt, der sich ein Abo von Motor-KRITIK leisten kann. Denn man kann nicht durch ein Abo journalistische Arbeit anerkennen und gleichzeitig „ die Presse korrumpieren“, wie das der Pressesprecher des Presserates formulierte, der auch sagte...

...“dass eine nicht korrumpierte Presse von zentraler Bedeutung für diese Gesellschaft ist.“

Ein anderer, Jürgen Gramke, aus dem Arbeitskreis Corporate Compliance wird in der neuesten Ausgabe von „manager magazin“ so zitiert:

„Unternehmen können heute in einem Ausmaß redaktionelle Berichterstattung kaufen, wie das früher völlig undenkbar war.“

Da gibt es dann einen Aufschrei in den Verlagen und man verweist auf die Regeln, die man sich selbst gegeben hat. - Aber wird auch danach gehandelt?

Genauso ist es mit dem gerade vom Arbeitskreis „Corporate Compliance“ erarbeiteten „Kodex für die Medienarbeit von Unternehmen“, der nun diesen – meist Aktiengesellschaften, die im DAX geführt sind – eine „Empfehlung“ sein soll.

Es ist für Motor-KRITIK keine Frage: Man wird diese sicherlich gerne übernehmen. Aber wird das dann mehr sein als „ein Feigenblatt“, wie das auch andere Richtlinien mit der Überschrift „Coporate Compliance“ sind?

Damit sich meine Leser selbst einen genauen Eindruck verschaffen können: Den oben erwähnten „Entwurf“, sowie die aktuell gültigen „Coporate Compliance“-Regeln des Volkswagen-Konzerns (nur als Beispiel für die anderer Firmen) findet man im Anhang zu dieser Geschichte.

In der neuen Empfehlung des Arbeitskreises zum Umgang mit den Medien findet sich z.B. auch der Satz:

„Die Unternehmen dürfen die Medien nicht unwahr oder irreführend informieren.“

Da hier gerade das Porsche-Statement zu einer Beteiligung veröffentlicht wurde, die bei strenger Auslegung der sich selbst gegebenen Regeln (auch die Ethik betreffend) ein „kleines Geschmäckle hat“, kann dieses Statement auch als Beispiel dafür dienen, dass man nicht „unwahr oder irreführend“ informiert.

Was kann man bei Porsche dafür, wenn die Journalisten, die dieses Statement „längten oder kürzten“ oder auch nur als Basis für eine eigene Darstellung machten, über so wenig Sachkunde verfügten, dass dass Ergebnis einer „Verzerrung“ gleichkam?

Ich war niemals Nachrichten-Redakteur. Ich war immer als Motor-Journalist unterwegs. Und das möglichst aufmerksam. Was natürlich niemals ausschließt, dass man Fehler macht.

Per Saldo aber glaube ich, den Ansprüchen die man eigentlich an einen Journalisten stellt, gerecht werden zu können. Ohne „Corporate Compliance“. - Ich kann sogar noch BITTE und DANKE sagen!

Fortsetzung folgt!
Wilhelm Hahne
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