Neue Erfahrungen: Wenn der Vater mit dem Sohne…

Wer schon immer im realen Motorsport unterwegs war, für den sind Rennen auf dem Bildschirm eine neue Erfahrung. Wenn aber ein junger Mann sich bisher am Bildschirm ausgetobt hat, nun alles zu wissen glaubt, sind für den die ersten Runden am Steuer eines normalen Renntourenwagens auch eine neue Erfahrung. - Eine neue Erfahrung hat mein Leser – der Vater – auch mal als Fahrer bei der VLN gemacht, wo er sowohl „alte“ Renntourenwagen, als auch „neue“ GT3 kennen lernte. Da gibt es Unterschiede, die z.T. wirklich krass sind. - Von seinen Erfahrungen mit den Fahrkünsten seines Sohnes, der vorher den dann auch real genutzten Nürburgring-Grand-Prix-Kurs am Computer genutzt hatte, hat dieser Vater in einer Leser-e-Mail an Motor-KRITIK berichtet. - Wieder eine neue Erfahrung! - Es gab auch andere Leser-Informationen zu dem Thema. - Es war nicht die einzige Leserzuschrift zum Thema „Digitaler Sport“. - Und dann geschah am letzten Samstag bei einem offiziellen DNSL-Lauf… -Das erzähle ich dann gleich mal zu Anfang. Aber eigentlich war der erwähnte Leserbrief – für mich – noch eindrucksvoller! - Das „neue Erfahrungen“ im Titel zu dieser Geschichte passt in jeder Hinsicht zu dem, was ich heute aus dem „e-Mail-Briefkasten“ bei Motor-KRITIK erzählen bzw. hier einfach einkopieren möchte.

Neue Erfahrungen. Wenn der Vater mit dem Sohne...

Lustig fand ich z.B. auch die Darstellung eines anderen Lesers, der davon berichtete, dass ein „virtueller (Über-)Flieger“ einem erfahrenen Käpitän einer Luftfahrtgesellschaft erzählen wollte, wie der den Jumbo zu fliegen hatte, den er gerade besteigen wollte. - Der Käp’ten – gut erzogen – hat kopfnickend zugehört! - Mein Leser, auch rennsporterfahren, hat kopfschüttelnd zugehört. - Er kennt die Unterschiede zwischen real und virtuell aus dem Motorsport.

Real gab es z.B. beim letzten DNLS-Lauf der „Winterserie“ am letzten Samstag (6. März) „Zoff“, der dann so endete – wie man auf der VLN-Internetseite lesen kann:

„Die Rennleitung disqualifizierte die Sieger sowie die auf den Positionen zwei und vier platzierten Teams. Alle drei hatten in der Simulation iRacing beim Boxenstopp den sogenannten „Fastrepair“ genutzt, um mit nur einem Mausklick alle Beschädigungen am Fahrzeug wieder instand zu setzen.“

Das aber hier nur zum „Einstieg“, damit man weiß, wie einfach und kostengünstig es ist, im SIM-Racing eine Reparatur vorzunehmen. Genau so einfach, wie einfach einen guten Fahrer durch einen noch besseren zu ersetzen. Und niemand hätte es gemerkt, wenn nicht… - Aber man sollte nicht päpstlicher sein als ein Abt!

Nun möchte ich aber endlich mit jener Geschichte beginnen, die ich einfach schreiben muss, nachdem mich die e-Mail eines Lesers erreichte, der mir darin die ersten realen Fahrversuche seines SIM-Racing erfahrenen Sohnes mit einem richtigen, realen Renntourenwagen, auf einer richtigen, normalen – aber eigentlich einfachen - Rennstrecke geschildert hat. Man war mit mit einem richtigen VLN-Auto auf dem Grand-Prix-Kurs des Nürburgrings unterwegs. Der Vater beschreibt das Fahrzeugs so:

„Ein konventionelles Rennauto! In unserer Garage alleine aufgebaut. Circa 200 PS, 5-Gang H-Schaltung (gerade-verzahnt). ABS, ESP hat das Ding nicht mehr. Die einzige „moderne“ Komponente ist eine Einspritzanlage.“

Vorher hatte mein Leser mir die Unterschiede zu einem modernen GT3 zu vermitteln gesucht, der von ihm so beschrieben wurde:

...„DSG-Getriebe, Drehzahlbegrenzer, Servo-Lenkung, ABS, ESP, ASR, Klima und was weiß ich noch alles für Helferlein“…

Mein Leser glaubt schon einen Vergleich ziehen zu dürfen wenn er schreibt:

„Eine Runde NS mit einem konventionalen Rennfahrzeug, stellt schon alleine vom Auto her eine körperliche Herausforderung dar, und dann kommt noch die Strecke mit ihren Schwierigkeiten dazu. Wie schnell ist da ein Motor überdreht, oder eine Getriebe hinüber weil beim Zurückschalten die Drehzahl vom Zwischengas nicht gestimmt hat oder einfach nur der falsche Gang reingedrückt wurde!

Dies im Vergleich zu einem modernen sportlichen Fahrzeug mit allen möglichen Hilfen: Mit so einem Fahrzeug können sie sich ganz auf die Strecke konzentrieren. Überdrehter Motor? Nicht möglich! Getriebeschaden? Wie soll das gehen? Mit wenigen Worten! Es ist zu einfach geworden!“

Dann kommt er zur Schilderung der Beobachtungen aus dem Beifahrersitz und vergleicht zunächst noch schnell virtuell mit real:

„Virtueller Rennsport ist kein Sport. Sport hat immer was mit körperlich und geistiger Anstrengung zu tun. Rennsport bedeutet auch ein Fahrzeug vor zu bereiten, Anreise zur Rennstrecke, Nenngeld, Einsatzkosten, Urlaub…., nicht nur Zuhause den PC hochfahren und ein Programm starten.“

Das hatte der junge Mann – unter 20 – nämlich bisher gemacht, bevor sein Vater mit ihm auf dem abgesperrten Nürburgring-Grand-Prix-Kurs mit dem Renntourenwagen des Vaters seine ersten realen Erfahrungen auf einer Rennstrecke machen durfte.

Natürlich hatte er vorher immer wieder am Bildschirm geübt, glaubte – wie der oben erwähnte „Über-Flieger“ – nun auch die Realität fest im Griff zu haben. Der Vater schildert seine Eindrücke von den Fahrkünsten seines Sohnes – auf dem Grand-Prix-Kurs (!) - vom Beifahrersitz  aus erlebt  so:

„Die erste Ausfahrt aus der Boxengasse, überrascht mit welchem Kraftaufwand man so ein geradeverzahntes Getriebe schalten und die Kupplung treten muss. Ach was wären doch jetzt Schaltwippen am Lenkrad schön!
Der Junior schafft es durch die ersten Kurven und bis in den vierten Gang, dann bremsen und zurückschalten. Man hört dass das Getriebe noch da ist, aber ein Gang geht nicht rein. Die Trockenübungen mit dem Außenriss des rechten Fuß, Zwischengas zu geben, ist im fahrenden Auto, wenn man es dann auch noch abbremsen muss, scheinbar doch eine ganz andere Sache. Also wird erst einmal ohne eingelegten Gang durch die Kurve gerollt. Ach was wären doch jetzt Schaltwippen am Lenkrad schön und eine automatische Drehzahlanhebung.
Wieder schafft es der Nachwuchs bis in den dritten Gang. Die Ideallinie kennt er ja schon! Dem Computer sei Dank. Einlenken...oh viel zu früh...also wieder aufmachen...oh wo kommt der Schnellere von hinten plötzlich her...Ups, Runterschalten nicht vergessen...mit dem Außenriss auf‘s Gaspedal...der Motor heult auf… Bremskraft fast keine...das Kiesbett kommt näher...gerade so kommen wir durch die Kurve, wieder ohne eingelegten Gang. So wiederholt sich das Ganze bis wir endlich wieder in der Box stehen.“

Der Vater schreibt zu der beobachteten Reaktion seines Sohnes weiter:

„Sichtlich frustriert, steht der Junior vor dem BMW und zweifelt an sich selbst.“

Der Vater zeigt nun seinem Sohn mit ein paar schnellen Runden – der Sohn sitzt auf dem Beifahrersitz – wie es eigentlich wirklich geht. - Dann ist der Sohn wieder dran:

„Die ersten Runden ähneln wieder seiner ersten. Je länger er fährt desto besser wird es, aber dennoch, nach diesem Tag ist eine Getriebe-Revision mit Sicherheit nötig. Nach 30 Minuten muss er raus an die Box. Krampf im linken Bein. Eine Flasche Wasser ist in wenigen Sekunden leer! Es herrschen ca. 60° im Auto. Der Helm, Handschuhe und Overal ist nicht die geeignete Sommerbekleidung. Ach was wäre doch jetzt eine Klimaanlage schön, oder besser ein kühles Wohnzimmer mit Rennsitz und Computer! Dabei eine leichtes T-Shirt und kurze Hose an.“

Es wird weiter geübt und der Sohn fährt immer besser. Doch etwas stört! - Der Vater schreibt mir:

„Einzig die anderen Teilnehmer stören ihn. Muss das denn sein, dass andere auch auf der Rennstrecke sind?“

Aber er lässt seinen Sohn weiter Runden drehen und erhöht auch das Drehzahl-Limit – nun 6.500 -  damit auch etwas Renn-Feeling aufkommt. Das Ergebnis:

„Das erste Anbremsen der Kurve aus nun erheblich höherer Geschwindigkeit geht komplett in die Hose. Er bremst, bekommt auch einen Gang runter geschaltet und plötzlich schiebt der BMW mit blockierenden Rädern gerade aus ins Kiesbett. Ach was wäre doch jetzt ein ABS schön gewesen!
Tja, progressives Bremsen muss auch geübt sein. Bremsen, Zwischengas und dann noch Bremskraft verringern, wie soll das gehen? Dann das noch mit anderen, im Zweikampf um eine Position?

Meinem Sohn wird bewusst, das was Papa und seine Kollegen in den „alten“ Karren da veranstaltet haben und zum Teil im Historischen Motorsport heute noch leisten ist eine andere Nummer als das was die „Stars“ in den GT‘s machen. Unbestritten auch die Jungs leisten körperlich schon einiges.

Hm? - Aber mit dem Resetknopf kommen wir aus dem Kiesbett hier nicht raus!“

Was hat dieser Tag einem jungen, am Motorsport wirklich ernsthaft interessierten Menschen nun gebracht? - Der Vater schreibt mir zu den gewonnenen Erkenntnissen seines Sohnes:

- „echter“ Motorsport ist schwierig von der Fahr-Technik her
- „echter“ Motorsport ist anstrengend
- eine reales Rennauto lässt sich durch ein Reset nicht einfach wieder auf die Strecke stellen
- im „echten“ Motorsport muss man eine Bindung zu seinem Rennauto haben, sich bewusst sein, dass man durch eine Fehler sehr viel Arbeit und Geld „versenkt“
- im “echten“ Motorsport kann ein Fehler nicht nur einem selbst sondern auch anderen körperlich weh tun
- Geschwindigkeit bekommt ein andere Bedeutung, wenn Fliehkräfte auf den Körper einwirken
- ein Rennauto ist ungemütlich, der Gurt schmerzt nach vielen Stunden auf den Schultern, der „leichte“ Helm wird am Nachmittag Tonnen schwer.“

Welche Schlüsse zieht nun ein junger Mann aus diesen Erfahrungen? - Der Vater schreibt mir:

„...mein Sohn spielt auf dem Computer keine Rennspiele mehr. Warum wohl?

Und schildert mir dann seine Erkenntnisse aus den Erfahrungen mit seinem Sohn so:

„Ich sehe im SimRace eine große Gefahr für den realen Motorsport. Nicht nur dass dem deutschen Motorsport der Nachwuchs wegbricht, nein auch die Akzeptanz in der Gesellschaft wird wegbrechen. Dies ist schon in einigen Meinungen von SimRacern in ihren Berichten zu erkennen. Werden die jungen Menschen anstatt früh morgens als Sportwart an der Strecke, lieber im heimischen Zimmern vor dem PC als SimRacer sitzen? Werden die Rennstreckenbetreiber die Digitalisierung von Streckenüberwachungen vorantreiben müssen, weil es aus o. g. Gründen kaum noch Sportwarte gibt? Werden die Rennsport-Besucher fernbleiben, weil vieles als Live-Stream im Netz kostenfrei zu sehen ist, weil sie selber aktiv als SimRacer teilnehmen können? Wird der Amateur Rennsport wegbrechen, weil kleinere Rennserien die dann steigenden Streckenmieten nicht mehr aufbringen können?

Und er schließt seine e-Mail an mich mit der Feststellung:

„Ich bin wahrlich kein großer Schreiber, Herr Hahne, aber ich hoffe ich konnte ihnen klar machen, wie ich versuche, jungen Menschen und SimRacern den Unterschied zwischen realen und virtuellen Rennsport deutlich zu machen.

Virtueller Rennsport ist kein Sport. Sport hat immer was mit körperlich und geistiger Anstrengung zu tun. Rennsport bedeutet auch ein Fahrzeug vor zu bereiten, Anreise zur Rennstrecke, Nenngeld, Einsatzkosten, Urlaub…., nicht nur Zuhause den PC hochfahren und ein Programm starten.“

Ich habe diesen Leserbrief hier in den wesentlichen Teilen nur veröffentlicht, weil so eine Lesermeinung vielleicht glaubhafter ist, als meine bisherige Argumentation.

Obwohl wir uns darin doch kaum unterscheiden, weil wir uns für den aus unserer Sicht „richtigen Sport“ entschieden haben!

Das bedeutet aber nicht, dass ich z.B. den „spielerischen Umgang mit Motorsport“ und deren Fans nicht akzeptieren würde. - Auch so eine blitzschnell mögliche Reparatur mit einem „Mausklick“ gefällt mir! - Und sie ist so preiswert!

Hier noch ein Tipp für SIM-Racer, auf den ich beim Stöbern im Internet (bei „heise“) aufmerksam wurde und aus dem ich gerne zitiere, weil das für „Gamer“ eine Anregung sein kann:

„Herman Miller und Logitech bieten den wohl teuersten Zockerstuhl an. … In der speziellen Gaming-Variante hat Herman Miller in das Sitzpolster und in die Rückenlehne zusätzlichen Schaumstoff eingebettet. Dadurch ist die Sitzfläche recht weich und angenehm. Wir hatten auch nach langem Sitzen nie das Gefühl, dass der Stuhl drückt oder unkomfortabel ist. … Wir hätten uns wenigstens ein paar interessante Zusatzfunktionen vorstellen können. Warum nicht einen optionalen Getränkehalter an der Seite anbieten oder eine subtile RGB-Beleuchtung verbauen? Denkbar wären auch Halterungen für Headset und Co. Toll wäre doch auch eine zusätzliche Dreingabe in Form von Spielecodes gewesen - irgendetwas, das die Gaming-Vermarktung rechtfertigt.“…

So lassen sich dann sicherlich auch Langstreckenrennen in einem virtuellen GT3 besser ertragen. - Vielleicht ogar ohne einen Fahrerwechsel!

So ein Stuhl ist auch deutlich billiger als das Nenngeld für den Einsatz eines GT3 in einem NLS-Lauf!

MK/Wilhelm Hahne
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