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...ist eine Kunst die keiner kann!“ - Das ist der Titel eines Märchens der Gebrüder Grimm. Daran musste ich jetzt aber denken, weil es zu meiner Mercedes-Geschichte aus dem Leserkreis die unterschiedlichsten Beanstandungen gab: „Zu lang!“ - „Sie haben zu wenig Rückrufe vermeldet.“ - „Warum sind Sie so kritisch einer deutschen Firma gegenüber?“ - „Bei all’ dem was da vorgefallen ist, hätten Sie auch mal Tacheles reden können!“
Eigentlich habe ich versucht, als Journalist verantwortungsvoll zu informieren. - Da hatten es die Gebrüder Grimm leichter. Deren Märchen beginnt so:
„Weit weg von den Menschen lebte ein Vater mit seinem Sohn. Als der Sohn größer wurde, hatte er einen Wunsch. „Ich möchte mich in der Welt umsehen und hören, was andere Menschen so meinen“, sprach er zu seinem Vater. Dieser schüttelte den Kopf. „Wünsch dir das nicht, mein Sohn, jeder sagt nämlich etwas anderes. Was du auch tust, nie kannst du es allen recht machen.“ „Das glaube ich nicht“, der Bub gab nicht eher Ruhe, bis sich der Vater mit ihm aufmachte.“…
Ich gebe gerne zu, dass ich mich beim Zählen der Rückrufe eher in unserem Sprachraum bewegt habe. Schließe ich die große weite Welt mit ein, so sind wir schnell bei den Zahlen einer Jahresproduktion von Daimler/Mercedes! - In den USA waren es in den ersten Monaten des Jahres allein rd. 1,3 Millionen Mercedes, bei denen bei den wegen eines ungenauen „Sicherheitssystem“ eine neue Software aufgespielt werden muss. - Dann soll es mit Sicherheit mehr Sicherheit geben! - Und in China… -
Aber vielleicht sollte ich mich mehr auf den letzten Rückruf „bei uns“ konzentrieren, von dem – im deutschen Sprachraum – gut 120.000 Mercedes-Fahrzeuge betroffen sind. (KBA-Rückruf-Nr. 010641) Ein Sprecher des Stuttgarter Unternehmens sagt dazu:
“Das Inertisierungssystem würde im Falle eines Unfalls gezielt Argon-Schutzgas zur Kühlung an die Stellen leiten, an denen es zu einem Kontakt zwischen austretendem Kältemittel R 1234yf und heißen Bauteilen kommen könnte. Eine nicht korrekte Verbindung der Gasteilung könnte dazu die vorgesehene Verteilung des Argon-Schutzgases und damit das Herunterkühlen beeinträchtigen. Im Falle eines Unfalls könnte das Brandentstehungsrisiko nicht wie vorgesehen reduziert werden.”
Das ist richtig – und sagt trotzdem nichts über die Gefahr aus, in der sich der Fahrer eines solchen Fahrzeugs befindet. Das Kältemittel R 1234yf, gegen dessen Verwendung sich – aus gutem Grund! - Daimler/Mercedes lange gewehrt hat, bildet beim Auftreffen auf heiße Motorenteile ein hochgiftiges Gas, Flusssäure (HF), wie Mercedes bei Tests festgestellt hatte. Aber das KBA und die EU verdonnerten den Hersteller trotzdem zur Verwendung dieses – aus Herstellersicht – für den Nutzer gefährlichen Mittels, weil das zuvor verwendete Kältemittel, R134a, als klimaschädlicher gilt!
Nun spricht man nicht offen – gegenüber den Kunden – über die Gefährlichkeit des neuen, in der Klimaanlage verwendeten Mittels, vor dem der Nutzer durch ein System mit Argon-Schutzgas „gezielt“ geschützt werden sollte. - Nun sorgt ein möglicher Defekt in dieser „Sicherheitsanlage“ für einen Rückruf, den sicherlich einige Kunden wegen der unvollkommenen werksseitigen Information „auf die leichte Schulter nehmen“.
Zum Thema Flusssäure (HF) sagt die BASF in einer Leitlinie für medizinisches Personal:
„Patienten, die selbst oder deren Kleidung mit Flusssäure benetzt ist, können Rettungskräfte und andere Personen durch direkten Kontakt oder durch Flusssäuredämpfe gefährden.
• Flusssäure ist eine in hohem Grade ätzende Chemikalie, die äußerst schmerzhafte Wunden verursachen kann.
• Fluorid-Ionen werden sehr gut und schnell über alle Einwirkungswege aufgenommen; eine Hypokalzämie und andere metabolische Veränderungen können die Folge sein. Systemische Vergiftungen können in Störungen des zentralen Nervensystems, Herz-Kreislauf-, und Nierenversagen sowie Atemstillstand resultieren."
Damit möchte ich die Motor-KRITIK-Information über den – nicht letzten – Rückruf der Firma Daimler/Mercedes des Jahres 2021 beenden. - Aber auch noch auf das Ende des Grimm’schen Märchens verweisen, das von den Gebrüdern Grimm so niedergeschrieben wurde:
“Kann man es denn keinem Menschen recht machen?“, fragte der Junge. „Nein, das kann man nicht, mein Sohn, wie du ja selbst gesehen hast“, sprach der weise Vater. Beide waren froh und glücklich, als sie abends wieder friedlich in ihrer gemütlichen Hütte saßen.“
Auch ich habe es jetzt – mit dieser Geschichte – sicherlich nicht allen Menschen recht gemacht!
Aber auch keine Märchen erzählt!