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„Un halt de Schnüss!“ - Aber eigentlich ist ein solcher Hinweis gar nicht notwändig, denn die letzte offizielle Pressemitteilung der Nürburgring Betriebsgesellschaft GmbH ist eine vom 11. März 2014, die von der Kopfzeile bestimmt wird: „Bieter Capricorn erhält Zuschlag beim Nürburgring“. - Es ist tatsächlich schon 13 Tage her, dass man im Vorspann zu dieser offiziellen Pressemitteilung lesen konnte: „Transaktionsvolumen beträgt über 100 Mio. EUR - Bis zu 25 Mio. EUR sollen in die weitere Entwicklung des Nürburgrings investiert werden“. - Wenn inzwischen aktuell beim SWR oder in der “Rhein-Zeitung“ zu lesen ist: „Nürburgring macht Millionengewinn“, so ist das zufällig exakt die Zusatzinformation, die lt. Drehbuch in diesem Moment als Ergänzung die Meinung der Öffentlichkeit stützen soll, die da lautet: „Alles wird gut!“ - Motor-KRITIK möchte jedoch in Richtung der Insolvenz-Sachwalter deutlich machen:
„Nürburgring? - Dommer ne Jefalle!“
„Un halt de Schnüss“. - Tatsächlich ist es kaum auszuhalten, in welch plumper Form die Politik über die Insolvenz-Sachwalter versucht, die Meinung ihrer Wähler zu beeinflussen. Wer glaubt denn den Aussagen der „Ring-Sanierer“, wie sie sich selbst bezeichnen, ohne jemals etwas in Richtung Sanierung für den Nürburgring getan zu haben? - Es wurde ausschließlich der Verkauf des Nürburgrings in seiner Gesamtheit (einschl. „Grüne Hölle“ und „ring°racer“) betrieben und dieses Verhalten einer Auflage der EU zugeschrieben. - Und die EU schweigt dazu?
Dann gibt es aktuell nach Angaben der „Ring-Sanierer“ - wie die „Rhein-Zeitung“ schreibt - für 2013 am Nürburgring einen Gewinn „vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen“ zu vermelden, der bei rd. 3 Millionen Euro liegt. - Motor-KRITIK möchte sich durch solche überraschenden Zahlen von anderen Überlegungen und Beobachtungen nicht ablenken lassen.
Wer jemals etwas mit Buchhaltung zu tun hatte, der weiß nicht nur, dass SOLL rein und HABEN raus bedeutet, dass es keine Buchung ohne Gegenbuchung gibt, dass in jeder Firma nach einem einmal erstellten Kontenrahmen verbucht wird und dass es nicht nur DEBITOREN, KREDITOREN und SACHKONTEN gibt, sondern auch den Begriff „Rechnungsabgrenzung“ - und den gleich als „aktiv“ und „passiv“ - und dass man den auch nutzt, um z.B. Zahlungseingänge für 2014 in 2013 entsprechend „abzugrenzen“, so dass sie das aktuelle Jahres-Ergebnis (in diesem Fall 2013) nicht beeinflussen.
Kann es sein, dass das den Insolvenz-Sachwaltern entfallen ist, da ihnen – aus welchen Gründen auch immer – eine Fachkraft, ein Finanzexperte mit Einzelprokura, entkommen ist? Ursplötzlich wurde er von den Mitarbeitern am Nürburgring vermisst. Und seit dem 17. März 2014 ist im Handelsregister beim Amtsgericht in Koblenz zu lesen:
„Prokura erloschen: Steffan, Jörg Günter, Neuss, *31.03.1960“
Das ging alles sehr schnell, denn schließlich war der Mann mit Einzelprokura erst seit Februar 2013 bei der Nürburgring Betriebsgesellschaft GmbH im Handelsregister eingetragen. Ob es seiner plötzlichen Entlassung – um eine solche, die andere sogar als „fristlos“ bezeichnen , handelt es sich wohl - auch eine verspätete Zahlung der Februargehälter 2014 zugerechnet werden kann, ist nicht zweifelsfrei zuzuordnen. Vielleicht hatte der aktuelle Geschäftsführer dieser GmbH einfach die Zahlung zu spät freigegeben. - Zufällig.
Es ist viel passiert in den letzten Wochen, was einfach in den großen Wogen der „Transaktionsvolumen“ von Capricorn untergegangen ist. Aber eigentlich passt alles zu dem Bild, das leider nicht die Aussagen von Mainzer Politikern stützt, die nicht müde werden zu betonen, dass die Landesregierung keinen Durchgriff auf die Arbeit der Insolvenz-Sachwalter gehabt habe. - Oder hat Motor-KRITIK hier etwas falsch verstanden?
Es ist aus Motor-KRITIK-Sicht schon erstaunlich, wenn die Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Landtages am Donnerstag letzter Woche (20. März 2014) und das Ergebnis in der offiziellen Darstellung so geschildert wird:
„Die Vorlage aller Zahlen, Daten und Fakten rund um den Verkauf des Nürburgrings an die Firma Capricorn forderte die CDU-Fraktion in einem Berichterstattungsantrag in einer gemeinsamen Sitzung des Wirtschafts- und des Innenausschusses unter Vorsitz von Friederike Ebli (SPD).
Nach der Entscheidung des Gläubigerausschusses wurde der Nürburgring an die Firma Capricorn zu einem Preis von 77 Mio. Euro verkauft. Ministerpräsidentin Malu Dreyer hatte in Medienberichten Fehler der vorhergehenden Landesregierung eingeräumt und sich pessimistisch zu dem erwarteten Verkaufserlös im Verhältnis zu den bisherigen Kosten geäußert.
Die Frage der CDU, welche Ansprüche von Gläubigern, Insolvenzverwaltern und Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften derzeit schon konkret vorlägen und möglicherweise in welcher Höhe noch zu erwarten seien, beantwortete einer der ebenfalls anwesenden Insolvenzverwalter, der Koblenzer Rechtsanwalt Jens Lieser.
Es werde dem Land auf jeden Fall ein erheblicher Betrag zufließen, betonte Lieser. Die näheren Einzelheiten seien aber noch nicht zu übersehen. Die Aufarbeitung und Verfahrensdauer könne durchaus einige Jahre in Anspruch nehmen. Dazu müsse man beachten, dass auch die EU-Kommission in Brüssel an dem Verfahren beteiligt sei.
Infrastrukturminister Roger Lewentz räumte Fehler in der Vergangenheit ein, die niemand beschönigen wolle. Das Ziel der jetzigen Landesregierung sei es gewesen, noch im ersten Quartal 2014 zu einem Abschluss zu kommen, was auch geschehen sei. Zu den 77 Mio. Euro Kaufpreis habe der Investor weitere 25 Mio. Euro angekündigt, die in das Projekt fließen werden und mithelfen sollen, unter anderem Arbeitsplätze zu erhalten. Auch in Zukunft werde der Ring der Öffentlichkeit zugänglich sein und den Motorsport im Mittelpunkt sehen. Er warb dafür, dem neuen Eigentümer mit dessen starker Ausrichtung auf Automobil- und Motorsport eine Chance zu geben.“
Es scheint „die Vorlage aller Zahlen, Daten und Fakten“ also nicht gegeben zu haben, sondern nur die exakte Zuordnung der Entscheidung für den Verkauf dem Gläubigerausschuss.
Damit hat der Gläubigerausschuss klar die Verantwortung für die getroffene Verkaufs-Entscheidung.
Klar wurde aber auch, dass das genannte „Transaktionsvolumen“ ein wenig unklar ist. Klar wird auch, dass auch hier wieder der EU eine gewisse Verantwortung zugeschoben wird, wenn zum Termin der Sitzung des Wirtschaftsausschusses im Mainzer Landtag noch keine klaren Zahlen genannt werden konnten. - Sagt man. - Wie oben zu lesen.
Motor-KRITIK hätte gedacht, dass die Insolvenz-Sachwalter gegenüber dem Eigentümer der insolventen Nürburgring GmbH eine Verpflichtung haben, alle Daten und Fakten darzulegen, sozusagen Rechenschaft abzulegen.
Motor-KRITIK darf feststellen: Das ist nicht erfolgt. Der Zuschlag an den als von Insidern als „schwach und steuerungsfähig“ eingestuften Bieter Capricorn erfolgte praktisch unter Zeitdruck, in nicht exakt überprüfbaren Abläufen, die von den Insolvenz-Sachwaltern als „vertraulich“ deklariert wurden.
So bleibt im Moment z.B. die Frage offen:
Welche Unterlagen standen dem Gläubigerausschuss für seine Entscheidung zur Verfügung?
Man könnte diese Frage noch ergänzen:
- Welche Zahlen, in welcher Stückelung und Bezeichnung, wurden dem Gläubigerausschuss z.B. als das in der Presserklärung nebulös umschriebene „Transaktionsvolumen von mehr als 100 Mio Euro“ spezifiziert dargestellt?
- Kam es evtl. zu einer „grob fahrlässigen“ Entscheidung der Gläubigerausschuss-Mitglieder, die dem Abschluss des so genannten Bieterverfahrens in dieser Form zugestimmt haben?
Diese Fragen stehen auch nach der Sitzung des Wirtschaftsausschusses weiter im Raum. Richtige Antworten können zu einer Verlagerung der Verantwortung führen und werden – wie Motor-KRITIK feststellen muss – in einer Reihe von diskret geführten Geheimgesprächen „hinter den Kulissen“ des Nürburgring-Theaters“ derzeit einer Klärung zugeführt. Wobei offenbar Leute zu gleichen Fragen – je nach Gesprächspartner – unterschiedliche Aussagen machen.
Aus der Presse-Information vom 11. März 2014:
„Die Ringsanierer sind sich sicher, dass die Europäische Kommission bestätigen wird, dass der Investorenprozess ordnungsgemäß durchgeführt wurde und der Erwerber daher nicht für eine Beihilferückforderung haften muss.“
Aber so undurchsichtig, wie sich derzeit die Abläufe um den Verkauf darstellen, kann es durchaus sein, dass nicht die EU zum Stolperstein beim Verkauf des Nürburgrings wird, sondern die aus einer ganz anderen Richtung ins öffentliche Bild rollen.
Nicht nur fähige Journalisten-Kollegen arbeiten derzeit schon daran.