5. August 2013: Lieber Leser!

 

Ein paar Tage Urlaub tun gut. - Ich habe sie mir gegönnt. Dabei habe ich mich aber durchaus mit Themen beschäftigt, die mich auch sonst im Jahr beschäftigen. Dieses Mal habe ich noch einmal alte Leserbriefe und Kommentare gelesen und dabei gemerkt, dass ich sie heute – mit einem gewissen zeitlichen Abstand zu Geschehnissen – anders empfinde, als zur Zeit der ersten Wahrnehmung als Reaktion auf eine meiner Geschichten. Nun habe ich auch – weil das die Leserbriefe eigentlich erforderten – auch noch mal meine dazu passenden Geschichten gelesen. Erstaunt war ich schon, dass ich meine Geschichten (immer noch) gut fand, manche sogar „erstaunlich gut“, betroffen hat mich aber gemacht, dass ich das Leser-Echo nicht immer unbedingt richtig verstanden und eingeordnet habe. - Jedenfalls kann ich aber heute sagen, dass wirklich keiner der Leser-Kommentare oder -E-mail überflüssig waren. Sie waren sehr oft „auf den Punkt“. Aber manche habe ich erst – mit ein wenig Abstand zur „damaligen“ Bindung an „mein Thema“ - in diesen Urlaubstagen verstanden.

 

5. August 2013: Lieber Leser!

Da war z.B. das Echo eines meiner Leser auf meine Detroit-Geschichte aus dem Januar dieses Jahres. Ich hatte vor Wochen noch einmal daran erinnert, weil ich Detroit und das „Bim-Bam-Borium“, das um diese Veranstaltung gemacht wird, einfach schrecklich finde. Ich hatte auch an die Entstehung dieser – wie die Industrie meint - „wichtigen“ Automobilausstellung erinnert.

Meine Einstellung dazu ändert sich auch nicht dadurch, dass man in Detroit evtl. einem Herrn Winterkorn live begegnen kann. Vielleicht hat ein Herr Winterkorn ja die Bedeutung, die der Bedeutung von Detroit als Ausstellungort einer Auto-Show entspricht. - Kann ja sein.

Einer meiner Leser hat mich daran erinnert, dass ich Detroit durchaus nicht nur als insolvente Kommune, als Ruine mit Wahrzeichen vergangener Markenpotenz amerikanischer Vorzeige-Hersteller darstellen dürfe. Schließlich dürfte man z.B. die Bedeutung von Detroit in Vergangenheit und Gegenwart im weltweiten Musikgeschäft nicht vergessen.

„Neben 'Motor City', woraus z.B. das MOTOWN Label hervorging, nannte man die Stadt auch schon mal Hitsville USA, weil die Hälfte der Top 100 Charts hierher kamen. Musikalisch ist die Stadt immer noch eine der kreativsten der USA. Auch gibt es ganz in der Nähe hervorragende Universitäten ( Ann Arbour / Michigan State University) und nach wie vor im Norden Detroits eine der grössten Konzentrationen an Millionärsfamilien in den USA.

Waren Sie mal auf Belle Isle ? Detroit ist übrigens die einzige US Stadt mit europäischem Grundriss. Was den 80% Afroamerikanern, wie Sie süffisant feststellen wohl nicht anzulasten ist. Es war der Comte du Cadillac, der dafür verantwortlich zeichnete, ein französischer Militär, der gern in Frauenkleidern paradierte.

Es sind "Downtown" über 90% Schwarze! Weisse sieht man nur im Auto. Trotzdem kann man dort wunderbar herum spazieren und trifft auf sehr freundliche und humorvolle Menschen. Man fühlt sich deutlich willkommener als z.B. im Süden Chicagos.

Aber ja, Sie schreiben über Autos. Dann waren Sie vielleicht Downtown mal im Nikis, wo der erste Ford von den Olds Brüdern zusammengeschraubt wurde, auf den Ford dann nur noch seinen Namen pappte und ihn vermarktete. Ich will gar nicht zu weit in die Abgründe dieser Stadt vordringen, die ein Dauerabschreibungsmodell der Reichen ist. Das Renaissance Center ist nur ein Beispiel, dieser schwarzen Hauptstadt Amerikas. Gewissermassen der Spiegel, der dem weissen Amerikaner das Negativbild des amerikanischen Traums zeigt. Nicht wenige Schwarze sprechen dort von offenem Vollzug, wenn sie über ihr Leben dort reden. Unter diesen Umständen blüht die Kriminalität. (ca. 400 Tote per anno) Trotzdem übertreiben Sie mit Ihrem New York Vergleich. Die Zahl der Tötungsdelikte dort ist höher, auch wenn man nach Ed Koch mit dem eisernen Besen durch New York gegangen ist, um den Leuten gerade dort das "gute" Amerika zu zeigen.

Dearborn ist nichts anderes als ein Vorort Detroits und gerade mal 12 km vom Zentrum entfernt. Und warum ist Ford nun dort ?, Weil sie den ganzen Dreck lieber in Detroit liegen gelassen haben, als ihn beizeiten zu entfernen. Man spricht im übrigen auch von der Region Detroit, Teil dieses gigantischen Industrie- Gürtels bis Chicago. Die Stadt selber war mal unter den top ten der grössten Städte der USA war (7th City ist auch so ein Name dieser Stadt)

Sinnbild dieses Wahnsinns ist ein Parkhaus. Das Michigan Theater. Humilation; das ist der Begriff, der Detroit am passendsten beschreibt. Sie kauen da nur Plattitüden wider.“

Ich habe mal den größten Teil der Darstellung (nicht alles) meines Lesers einkopiert. Natürlich habe ich ihm geantwortet. Aber jetzt erst – in ein paar Tagen mehr Losgelöstsein vom Alltäglichen – habe ich den Gedanken meines Lesers weitergesponnen.

Natürlich greifen meine Beispiele manchmal etwas kurz. Ich schreibe über Autos, wie auch mein Leser richtig feststellt. Trotzdem wäre es oft gut, würde man das Thema etwas weiter fassen. - Aber wo sind da die Grenzen?

Wenn ich jetzt in den Stunden der Entspannung mal an Detroit gedacht habe, mal „die Augen meines Lesers nutzend“, dann war es von dort nicht weit bis Memphis. Memphis, das ist durchaus nicht nur Elvis. Auch Memphis ist eine Musikstadt. Aber auch eine Stadt der Baumwolle, im Süden der USA. Wenn ich diese Stadt von der „Musikseite her angehe“, dann lande ich durchaus bei der Baumwolle. Denn zum Baumwollpflücken wurden billige Arbeitskräfte gebraucht. Meinten die Farmer. Und die fanden sie in Afrika. Und weil man wusste, unter welchen Bedingungen diese Farbigen nur etwas wert waren, hat man sie auch im Alltagsleben insgesamt so zugeordnet.

Und schon sind wir bei den Bürgerrechtsproblemen der damaligen Zeit, die durchaus noch ein gutes Stück meiner Gegenwart betrifft. Man sollte das nicht vergessen. Dr. Martin Luther King wurde am 4. April 1968 in Memphis erschossen. - 1968! - Das ist Gegenwart. - Gegenwart ist auch, dass die USA den Baumwollanbau inzwischen stark subventionieren, damit die Weltmarktpreise „verderben“ und „arme Länder“, die nur vom Baumwollanbau (z.B. in Afrika) leben, in Existenznot bringen.

Aber Amerika, die USA, das sind „unsere Freunde“. Und inzwischen haben die sogar einen „schwarzen Präsidenten“. - So wird Politik gemacht! Und hatte dieser „Vorzeige-Farbige“ nicht vor seiner Wahl versprochen, die Gefangenen-Lager im angepachteten Süden von Kuba („Bahia de Guantánamo“) schnellstens aufzulösen? Dort sind „Feinde der USA“ unter unmenschlichen Haftbedingungen untergebracht, werden verhört, gefoltert, gequält, außerhalb eines jeden Rechtssystems. - Und was ist bis heute passiert? - Nach den Ankündigungen von Obama!

So sind Politiker eben. Nicht nur die Amerikaner. Aber wir behandeln sie als „Freunde“, „Befreier“, die gleichen Amerikaner, die uns entgegen allen Zusagen abhören, unsere Daten sammeln und abgleichen – um uns zu schützen. - Wie auch Frau Merkel bestätigt, dass wir immer wieder von solchen Abhöraktionen (von denen sie eigentlich nichts wusste) nur profitiert haben. - Die Abhörmethoden waren ihr wirklich unbekannt. - Man kann sich schließlich nicht um alles kümmern.

Unsere Sicherheit basiert auf unserer Rechts-Unsicherheit. BND und NSA arbeiten schon lange eng zusammen. Natürlich im Interesse unserer Sicherheit. - Vor wem werden wir eigentlich geschützt?

Es ist nicht immer gut, zu viel zu denken, Zeit zum Denken zu haben. Ich bin froh, mich nun wieder mit den „kleinen Themen“ aus meinem Fachgebiet „Motor“ beschäftigen zu können. Ich habe in den letzten Jahren auch da viel dazu lernen können, zumal sich dieses Thema für mich durch das tolle Engagement der Politiker in Sachen Nürburgring deutlich erweiterte. So ist mein Horizont auf natürliche Art erweitert worden. Ich weiß inzwischen aus Erfahrung um den Wert des Grundgesetzes, weiß, wie man Pressefreiheit zuzuordnen hat. In meiner vor Jahrzehnten noch so einseitig technisch wirkenden Welt haben nun Skandale und Affären Einzug gehalten. Weil die Politik immer weiter in die Grundthemen unseres Lebens eingreift.

So kann es dann passieren, dass man im Urlaub schon mal ein wenig „weiter denkt“. Es tut mir leid, wenn ich noch nicht „mcdonaldisiert“ bin, der Vereinheitlichung zuneige.

Möge auch meiner Nachfolge-Generation dieses Ergebnis der Globalisierung erspart bleiben.

Fortsetzung folgt!
Wilhelm Hahne
Durchschnitt: 4.7 (bei 15 Bewertungen)

Kategorie: 

+ Hinweis für Leser – nicht nur an einem Abonnement Interessierte! +

 

Lieber Leser,

 

Motor-KRITIK ist vollkommen werbefrei, aber – darum – auch ein wenig abhängig von seinen Lesern. - Oder anders: Von Einnahmen. - Nicht alle Leser mögen sich gleich für ein Abo entscheiden.

Wenn Sie ab und an mal auf diesen Seiten vorbei schauen und Ihnen der hier gebotene investigative Journalismus gefällt, dann machen sie doch einfach ihre Zustimmung durch eine kleine Spende deutlich. - Auch kleine Beträge können – per Saldo – eine große Hilfe und Unterstützung sein!

Meine Kontendaten – auch wenn Sie Abonnent werden wollen - finden Sie HIER.

 

Danke!