Hendrik Hering und die Netiquette

Nach der Demo von rd. 2.000 Bürgern gegen den Verkauf des Nürburgrings an irgendeinen Privat-Investor, für das Verbleiben der Rennstrecken in Öffentlicher Hand, hat es wohl eine Menge von „mehr oder weniger sachlichen Posts“ auf dem Facebook-Account von Ex-Minister Hendrik Hering gegeben, „die ich sehr genau gelesen habe“. Schreibt er. Nun haben sie wohl nicht seiner Vorstellung von „Netiquette“ entsprochen. Und so hat er sie gelöscht. - Alle. - Trotzdem hat er auf seiner Facebook-Seite mit einer ausführlichen Stellungnahme geantwortet. Die ist für alle gedacht, „die sich in den letzten Tagen mit ihren sachlichen Posts gemeldet haben“. - Motor-KRITIK möchte auf ein paar Kernsätze eingehen und natürlich erklären, was der Herr Ex-Minister und heutige SPD-Fraktionsvorsitzende wahrscheinlich meint, aber wohl nicht so genau weiß.

Hendrik Hering und die Netiquette

Wenn man die Zuordnung der Zuschriften auf Facebook durch Herrn Hering objektiv werten will, muss man eine neutrale, nicht durch das Projekt „Nürburgring 2009“ belastete Institution bemühen. Das ist in diesem Fall Wikipedia, wo man lesen kann:

„Ziel der Netiquette ist eine möglichst für alle Teilnehmer angenehme Art der Kommunikation.“

Oder anders:

„Es geht um ein angemessenes, respektvolles Benehmen.“

Man könnte das – wenn man den „Fall Hering“ als Beispiel nehmen will – dann bezogen auf die Nürburgring-Affäre der Mainzer Landesregierung – respektvoll! – so machen:

Dem Herrn Ex-Minister sei bescheinigt, dass es ihm dank seiner glasklaren Übersicht als Jurist gelungen ist, in den wenigen Jahren seiner Tätigkeit eine größere Summe Geldes zu vernichten, als einem normalen Steuerzahler möglich ist, im Laufe seines Lebens zu verdienen. - Eine großartige Leistung, die leider nicht Eingang ins „Guiness-Buch der Rekorde“ gefunden hat. - Wir bedauern das zutiefst und betrachten seine Leistung schon als ein Stück Sozialismus der Tat, da sie ohne Rücksicht auf irgendeinen persönlichen Vor- oder Nachteil erfolgte. - Aber immer mit Zustimmung seines ihm freundschaftlich verbundenen Vorgesetzten Kurt Beck. - Danke, für eine solch herausragende Lebens-Leistung!

Doch nun zu der ausführlichen Stellungnahme, in der sich u.a. folgende Darstellungen finden:

„Anders, als von einigen Interessengruppen suggeriert, ist ein Verkauf des Rings durch die Insolvenzverwalter nicht zu verhindern.“

Um der Netiquette zu entsprechen: Richtig! - So müsste es sein, wenn die Insolvenz-Sachwalter (so die exkate Bezeichnung) sich bei der Abwicklung exakt an die Paragraphen des Insolvenzrechts halten würden. Könnte man ihnen in dieser Beziehung eine „Auslegung“ nachweisen, würde man zumindest die jetzt angebrochene Verkaufsphase abbrechen müssen. - Meine ich.

„Durch die Insolvenz hat die Landespolitik nur noch geringen Einfluss auf das Verfahren.“

Richtig! - Ein „geringer Einfluss“ war deshalb überhaupt nur möglich, weil die Abwicklung „in Eigenverwaltung“ vorgenommen wird. Da bestimmt der Eigner der GmbH z.B. den Insolvenz-Geschäftsführer. Also die Landesregierung. Die hatte sich vorher schon für die Insolvenz ihrer GmbH aufgrund einer „Beratung“ entschieden, weil man sich in jedem Fall (und um jeden Preis!) vom Projekt Nürburgring trennen wollte. Die gesamte Abwicklung verläuft also „unter geringem Einfluss der Landespolitik“ wie nach einem Drehbuch. - Man denke nur einmal an den landespolitischen Einfluss auf den Gläubigerausschuss! - Oh, oh, oh!

„Wir haben allerdings dafür gesorgt, dass nach dem Verkauf ein öffentliches Zugangsrecht am Nürburgring gesetzlich geregelt ist.“

Richtig! - Dazu hat auf der Demo schon eine Landtagsabgeordnete der GRÜNEN klar Stellung bezogen. Sie war beteiligt, kann aber nichts dazu sagen, weil sie nichts davon versteht. Da ist Hendrik Hering von einem anderen Kaliber. Er ist Jurist – und kann sicherlich bestätigen, dass der Rahmen des Gesetzes tatsächlich die Zustimmung des Landtages gefunden hat und dort verabschiedet wurde. Der eigentlich wesentlich bedeutenderer Inhalt in Form der Umsetzungsbestimmungen wurde nachträglich – ohne Zustimmung des Landtags – in das Gesetz „eingebacken“. (Der Herr Landtagspräsident ist gelernter Bäcker.) - So wurde es dann zu einem Vorzeige-“Plätzchen“ ohne eigentliche Bedeutung.

„Über die positiven Signale für unser Gesetz von Seiten der EU-Kommission freuen wir uns und wissen, dass dies Ministerpräsidentin Malu Dreyer und den Sanierern am Nürburgring durch die ständige Rückkopplungen mit der EU-Kommission gelungen ist.“

Richtig! - Wir freuen uns auch, wissen aber auch aus Erfahrungen, dass sich durch Rückkopplungen ein Pfeifgeräusch ergibt. Ständige Rückkopplungen erzeugen also ständiges Pfeifen. - Und warum gab es zur Zeit von Kurt Beck/Hendrik Hering keine Rückkopplungen? - Dann hätte man ein warnendes Pfeifen aus Richtung EU vielleicht schon voher vernehmen können.

„Aus heutiger Sicht waren die 2010 gemachten Annahmen eindeutig zu optimistisch.“

Richtig! - Am 18. Januar 2007 habe ich eine Geschichte auf Motor-KRITIK veröffentlicht, in der u.a. die Sicht des Landesrechnungshofes Rheinland-Pfalz in deren Bericht von 2005 dargestellt war. Und mehr! - Im Titel stellte ich die Frage:

„Auf dem Weg zu einer 'Waltergate'-Affäre?“
(Ab Seite 47 in meinem Buch – oder auf diesen Seiten - nachzulesen.)

Wer in 2010 nicht in der Lage war, die Situation zum Projekt „Nürburgring 2009“ klar einzuschätzen, der hatte weder das Format um einen Ministerposten zu bekleiden, noch den eines Juristen, weil hier eine „Trennung von Besitz und Betrieb“ erfolgte (s.u.) die vertraglich mehr als nur eine Schwäche aufwies. - Meine ich. - Meine Einschätzung wurde eigentlich durch die Abläufe in der Realität bestätigt.

„Die Trennung von Besitz und Betrieb war allerdings eine richtige Entscheidung.“

Schreibt Hendrik Hering in seiner aktuellen Stellungnahme auf Facebook. - Richtig! - Sie schuf erst die Voraussetzung für die dann später eingeleitete Insolvenz, weil sich so noch einmal die Schulden der GmbH um 85,5 Millionen Euro erhöhten. - Ein herausragende Leistung eines vorbildlichen Juristen, der seine Stellungnahme in Facebook mit der Feststellung beendet:

„Die enorme strukturpolitische Bedeutung der Rennstrecke für die Eifel muss trotz der Insolvenz mit dem Ziel gesichert werden, die Arbeitsplätze in der Region zu erhalten.“

Richtig! - Das ist das, was man immer wieder gerne von Politikern hört. - Bei einem Kommentar müsste ich auf die Netiquette achten. Da der bestimmt nicht von „angenehmer Art“ wäre, möchte ich mir den zu dieser Aussage verkneifen und mit einer angemessenen Phrase schließen:

Gerade setzt sich ein Schmetterling auf meinen Federhalter und zwingt mich das Schreiben auf dem Computer zu beenden.

Wirklich schade, dass ich die „angenehme Art der Kommunikation“ - lt. Wikipedia – nun auf diese Art und Weise beenden muss! - Aber bei Motor-KRITIK achtet man eben auf die Netiquette!

So wie bei der Landesregierung auf die Zusammensetzung des Gläubigerausschusses!

MK/Wilhelm Hahne
Durchschnitt: 4.8 (bei 49 Bewertungen)

Kategorie: 

+ Hinweis für Leser – nicht nur an einem Abonnement Interessierte! +

 

Lieber Leser,

 

Motor-KRITIK ist vollkommen werbefrei, aber – darum – auch ein wenig abhängig von seinen Lesern. - Oder anders: Von Einnahmen. - Nicht alle Leser mögen sich gleich für ein Abo entscheiden.

Wenn Sie ab und an mal auf diesen Seiten vorbei schauen und Ihnen der hier gebotene investigative Journalismus gefällt, dann machen sie doch einfach ihre Zustimmung durch eine kleine Spende deutlich. - Auch kleine Beträge können – per Saldo – eine große Hilfe und Unterstützung sein!

Meine Kontendaten – auch wenn Sie Abonnent werden wollen - finden Sie HIER.

 

Danke!