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Journalisten zitieren gerne Fachleute, zumindest solche, die in der Öffentlichkeit dafür gehalten werden. So habe ich es auch als ganz normal empfunden, dass zu einem bestimmten Thema in einem Gesundheitsmagazin ein Professor der Sporthochschule Köln als Gesprächspartner gehört und zitiert wurde. Da setzt man - selbst Journalist - entsprechende Erfahrung voraus. Und wenn dann noch die Einordnung einer bestimmten Sportart – in diesem Fall der Motorsport – so erfolgt, wie es dem allgemein vorherrschenden Eindruck entspricht, dann werden auch die meisten Leser diese Zuordnung, die von einem Professor einer Sporthochsschule kommt, gerne als feststehende und abgesicherte Aussage übernehmen. - Nur: In diesem Fall war der Leser „nicht normal“. Der Leser war zufällig der Autor der folgenden Geschichte, nicht unerfahren im Motorsport und zufällig mit dem Wissen um ein Untersuchungsergebnis ausgestattet, das ein großes Fragezeichen beim Lesen des kurzen Interviews hervorrief.
Das DAK-Gesundheitsmagazin zitiert einen Professor!
Auch Krankenkassen haben Kundenmagazine. Das von der DAK trägt den Titel „fit!“. Mein langes Leben verdanke ich auch dieser Krankenkasse, also gehöre ich auch zu denen, die dieses Magazin regelmäßig erreicht. Ich lese zwar auch „Aus Omas Kräuterküche“ - man lernt schließlich niemals aus – aber besonders interessiert bin ich natürlich wenn ich auf eine Geschichte stoße, die mit
„E-Sport erobert die Welt“ getitelt ist. Im Untertitel erfährt man:
„Daddeln war gestern: Heute ist Computerspielen ein Sport“
Auch die Zwischentitel regen zum Lesen der Geschichte an:
„E-Sport ist der Trend der Stunde.“
„In Asien wird E-Sport olympisch.“
Und zuletzt wird die Frage gestellt:
„Wird Deutschland zum E-Sport-Land?“
In der Geschichte wird auch der „Dämpfer“ erwähnt, der seit Ende Oktober 2018 die Entwicklung etwas bremst:
„Der Deutche Olympische Sportbund (DOSB) erkannte in einer Grundsatzentscheidung E-Sport nicht als eigene Sportart an.“
Aber das wissen Motor-KRITIK-Leser längst. Sie wissen auch – was in „fit!“ nicht zu lesen ist – dass der DMSB (Deutscher MotorSportBund) „SIM-Racing“, eine E-Variante als „realen Motorsport“ anerkannt hat. (s. 4. Dezember 2018: „SIM-Racing: Sport für Chips fressende Cola-Monster?“)
- Der DMSB ist übrigens Mitglied im DOSB! -???-
Da hat mich schon die Aussage des Prof. Ingo Froböse von der Deutsche Sporthochschule Köln interessiert, der in einem kleinen Interwiev („Drei Fragen an...“) mit „fit!“ u.a. äußert:
...“Natürlich hat der E-Sport keine vergleichbare Körperlichkeit wie ein Fußballspiel oder ein 10.000-Meter-Lauf, doch die haben viele andere Sportarten auch nicht. Man denke beispielsweise an Sportschießen oder Motorsport.“…
Da gab es also offensichtlich einen Mann, der den Motorsport – wenn man nur an die muskuläre Beanspruchung denkt – wohl exakt einordnen konnte. Da habe ich dann umgehend – am 29. Januar 2019 – angefragt:
„Wie messen sie die körperliche Beanspruchung?
Welches Zahlenmaterial gibt es da z.B. auf dem Gebiet der Leichtathletik und dem Motorsport?“
Dabei habe ich schon darauf hingewiesen, dass man sicherlich zwischen normalen Rundstreckenrennen und Langstreckenrennen unterscheiden sollte und weiter geschrieben:
„Es wäre schön, wenn Sie mich mit exakt gemessenen Daten füttern könnten, die mein Wissen erweitern.“
Vorher hatte ich noch angemerkt:
„Als freier Journalist (im DJV) bin ich auf Auto-/Motorsport-Themen spezialisiert. Ihre Antwort im DAK-Magazin lässt darauf schließen, dass Sie - was die körperliche Beanspruchung in unterschiedlichen Sportarten betrifft - auf Untersuchungen zurück greifen können, also über vergleichbares Zahlenmaterial verfügen.“
War kein „Futter“ vorhanden? - Bis zum 4. Februar 2019 war ich ohne jede Antwort oder einen Zwischenbescheid.
Da habe ich dann zum Telefon gegriffen, um Herrn Universitäts-Professor, Dr. Ingo Froböse, Leiter der Abteilung „Bewegungsorientierte Präventitions- und Rehabilitationswissenschaften“ bei der DSHS (Deutsche Sporthochschule) in Köln persönlich anzurufen und ihn zum Hintergrund seiner Aussage im DAK-Gesundheitsmagazin „fit!“ zu befragen.
Ich habe seine Assistentin erreicht, die meine Anfrage mit ein wenig Erstaunen registrierte, als ich mich auf meine Anfrage vom 29. Januar 2019 bezog:
„Das ist noch gar nicht so lange her.“
Immerhin war meine E-mail angekommen, war vom Herrn Professor gelesen und zur Weiterbearbeitung einen wissenschaftlichen Mitarbeiter weiter gereicht worden:
„Sie werden in den nächsten Tagen von einem Herrn Rudolf hören.“
Schon am nächsten Tag, am 5. Februar, erreichte mich die E-mail von der Sporthochschule Köln:
Sehr geehrter Herr Hahne,
vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Forschung.
Wir freuen uns immer, insbesondere über einen kritischen Austausch! Denn davon lebt die Wissenschaft!
Professor Froböse hat mich gebeten, Ihnen seine Antwort zu Ihren Fragen zukommen zu lassen.
In dem besagten Artikel spricht Prof. Froböse von den körperlichen Aspekten der Sportarten Fußball, Motorsport und eSport. Das Ziel des Vergleichs dieser doch sehr unterschiedlichen Sportarten war es in erster Linie die Differenz des Bewegungsausmaßes, das im Fußball deutlich größer ausfällt als im eSport, herauszustellen. Wenn wir versuchen Wissenschaft einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, geht es immer auch darum, (offensichtliche) Aspekte herauszustellen, die für den Leser/Hörer/Zuschauer und oftmals Nicht-Sportler greifbar und nachvollziehbar sind.
Deshalb auch der Vergleich von einem Fußballspieler, dessen Bewegungspensum für jeden Endverbraucher offensichtlich ist, mit einem eSportler. Beim eSport sind die Bewegungen und Ansprüche an den Organismus komplett anders: Bewegungen sind schneller und kleinräumiger, da sie nur auf Tastatur, Maus oder Gamepad stattfinden. Der Bewegungsradius eines eSportlers ist also deutlich geringer als der eines Fußballprofis, der innerhalb von 90 Minuten rund 10 bis 11 Kilometer läuft, zzgl. bis zu 800 Meter im Sprint, je nach Position.
Das ist auch der Grund für den Vergleich zwischen den kognitiven und ausdauernden Ansprüche von professionellen eSportler mit denen eines Formel 1 Fahrers. Denn auch der Formel 1 Pilot ist in seinem Rennboliden auf komplett anderer Ebenen körperlich und mental gefordert, als es ein Profifußballer ist. Seine sportliche Leistung (insbesondere auf ausdauernder Ebene) findet auf vergleichbar kleinem Raum statt, wie es eben auch im eSport der Fall ist. Das diese, wenngleich auch sehr unterschiedlichen Sportarten, durchaus vergleichbar sind, belegen auch erste Pilotstudien. Hier konnten wir feststellen, dass die im eSport ausgeschütteten Stresshormone während des Wettkampfs im ähnlichen Ausmaß ansteigen wie die eines Rallyefahrers (vgl. Del Rosso et al. 2016). Aus diesen Gründen erscheint mir ein Vergleich durchaus angebracht. Ich hoffe, die aufgeführten Gründe machen unsere Herangehensweise für Sie ein Stück weit nachvollziehbarer!
Haben Sie vielen Dank für Ihren Beitrag und bleiben Sie aktiv!
Mit freundlichen Grüßen,
i.A. Kevin Rudolf
Kevin Rudolf M.A.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Deutsche Sporthochschule Köln
Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation
Am Sportpark Müngersdorf 6
50933 Köln
Tel: +49 (0)221/XXXX-XXXX
Eine sehr interessante Antwort, die ich darum auch in vollem Umfang hier wiedergebe. - Eine Formulierung gegen Ende zeigt, dass sich der Schreiber dieser E-mail auch über den Anfragenden – und sein Alter – kundig gemacht hat. - Aber:
- Leider finden sich keine vergleichbare Zahlen aus direkten Untersuchungen zu körperlichen Belastungen z.B. in der Leichtathletik in Relation zum Motorsport.
Wenn dann auch in dieser Antwort noch ganz allgemein von „Stress“ gesprochen wird, dann wird damit die Formulierung verständlich:
„Wenn wir versuchen Wissenschaft einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, geht es immer auch darum, (offensichtliche) Aspekte herauszustellen, die für den Leser/Hörer/Zuschauer und oftmals Nicht-Sportler greifbar und nachvollziehbar sind.“
Die Zuordnung des Motorsports zu den Sportarten ohne bedeutsame muskuläre Beanspruchung durch den Herrn Professor Froböse für „fit!“ erfolgte also wohl nach „Bauchgefühl“, hat durch entsprechende Messungen und Zahlen keine wissenchaftlich untermauerte Grundlage.
Ich habe zwar keine Zahlen vorliegen, aber ich weiß von einer Untersuchung, bei der auch ein Professor – ein anderer - davon überrascht war, wie hoch die muskuläre Beanspruchung durch ein Langstreckenrennen bei einem Motorsportler ist. - Es war die erste Untersuchung, die dieser Sport-Wissenschaftler auf dem Gebiet des Motorsports gemacht hat. - Vorher hatte er nur die Beanspruchungen von Leichtathleten gemessen.
Die eventuelle Vorstellung eines normalen Zuschauers vom Motorsport: Ein wenig Lenkraddrehen, kuppeln, bremsen, zum Schalthebel greifen – das kann kaum Kraft kosten. Die mentale Belastung beim Schnellfahren wird höher eingeschätzt. - Richard von Frankenberg, ein Mann der sich auskannte, empfand den Motorsport primär auch als...
„Schachspiel ohne Bedenkzeit.“
Aber manches ist in der Praxis etwas komplexer als man denkt. So ist die körperliche Belastung, exakt die muskuläre, bei einem Motorsportler auch nicht zu unterschätzen!
Zum Thema „Stress“: Unterschiedliche Personen erleben den Motorsport – in der Praxis ausgeübt – unterschiedlich, auch so weit es die Stressfaktoren betrifft. Denn es gibt im Leben – wie im Motorsport - Stress, den man nicht nur als Negativ-Stress bezeichnet, sondern auch so empfindet. - Es gibt aber auch – auch das ist bei entsprechender Blutuntersuchung messbar – Positiv-Stress!
- Man kann beim Fahren eines Langstreckenrennens auch diesen Positiv-Stress wirklich erleben.
Und er ist messbar! - Schade, dass Professor Froböse, bzw. sein Mitarbeiter, mir und Motor-KRITIK keine Zahlen zur von mir persönlich erfahrenen Realität vorlegen wollten oder konnten. Ich hatte vor vielen Jahren – leider - versäumt, mir von einem anderen Professor der Sportmedizin die Ergebnisse im Detail vorlegen zu lassen, die er gemessen hatte. - Bei mir! - Auch zur muskulären Belastung – und zum Stress!
Mir hat – zumindest – damals die Gesamtaussage genügt, dass bei mir beim Fahren – bei einem 24h-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife über die gesamte Distanz – immer (jeweils vor dem Einsteigen und nach dem Ende eines „Stints“ durch eine Blutuntersuchung ermittelt) - der „Positive Stress“ überwogen hat. Das Blut wurde jeweils sofort in einer im Fahrerlager stationierten Blutzentrifuge weiter bearbeitet und untersucht. So konnte das – die Blutentnahmen erfolgten jeweils aus der Vene und Kapillargefäßen - einwandfrei ermittelt werden.
- Auch eine hohe – von diesem Professor unvermutete relativ hohe - muskuläre Belastung eines Rennfahrers im Motorsport!
Das Ergebnis mit der Ermittlung der Höhe der positiven Stressfaktoren hat meine Frau damals auch beruhigt und sie hat verstanden, dass ich so insgesamt schon anstrengende Rennwochenenden bei Langstreckenrennen – trotz aller Belastungen – immer als eine Art Urlaub vom Alltag empfunden habe. - Sie hat mir die „Freude am Fahren“, die des Rennenfahrens, über viele Jahre gegönnt.
Mir hat das nicht nur Erfahrung, sondern auch Einblicke hinter die Kulissen des Sports und Kontakte ermöglicht, von denen heute noch Motor-KRITIK-Leser profitieren können. - Dabei trage ich weder einen Dr.- noch Professoren-Titel.
Dieses hier geschilderte Beispiel der Darstellung einer nicht unbekannten Sporthochchule zeigt auch, dass es bei Interview-Partnern nicht darauf ankommt, dass sie mit ihrem Titel Leser zu beeindrucken verstehen um ihren Aussagen eine Bedeutung zu geben, sondern dass man als Journalist besser Menschen zitiert, die in der Sache über ein fundiertes Wissen verfügen. - Auch wenn sie keinen Titel tragen.
In diesem Fall ist wahrscheinlich das Wissen durch Erfahrung auf einem bestimmten Gebiet eines einfachen Motor-Journalisten größer, als das eines Universitäts-Professors.
Kann ja mal vorkommen!