„Touristenfahrten“: Es gibt neue Erkenntnisse!

So lange der Nürburgring in Landesbesitz war, hat sich niemand um eine Klärung der Frage bemüht, welchen verkehrsrechtlichen Status der Nürburgring, hier besonders die „Nordschleife“, eigentlich hat. Man hat alle Erklärungen als „amtliche Verlautbarungen“ akzeptiert. - Nun ist der Nürburgring in Privathand, aber der eines „Retters“, der die Landesregierung von Rheinland-Pfalz – damals wie heute SPD-regiert – vor einer großen Blamage bewahrte. - Die erste Fehlleistung war deren Entscheidung zur Erweiterung des Nürburgrings durch das Projekt „Nürburgring 2009‘“, die zweite dann der „etwas eigenartig“ verlaufende Verkauf an einen „mittelständischen Unternehmer“, der dann seine Kaufpreisraten nicht zahlen konnte. - Entsprechend rücksichtsvoll wird heute der „Retter“ behandelt. - Das ist auch dem Verhalten der Landesbehörden zu entnehmen, nachdem Motor-KRITIK damit begonnen hatte, das Thema „Touristenfahrten“ am Nürburgring, das durchaus vielfältig ist, zunächst durch Klärung der verkehrsrechtlichen Fragen einer verständlichen Lösung einiger Ungereimtheiten – die damit in Zusammenhang stehen – etwas näher zu bringen. - So wie es nach den letzten Informationen aus dem Mainzer Innenministerium ausschaut, wird man die definitive Beantwortung aller Fragen zu diesem Thema den Gerichten überlassen müssen und das, indem man evtl. auch den langen Weg durch alle Instanzen geht. - Dieser Weg ist eigentlich lange überfällig, wurde bisher nicht gegangen, weil dazu von interessierter Seite kein Anlass geboten wurde. - In nachfolgender Geschichte werde ich auf Dinge hinweisen, die zumindest mir bis jetzt unverständlich geblieben waren. - Vielleicht weil gerade die ministeriellen Darlegungen auch Lücken aufweisen, auf die ich hier auch hinweisen muss.

„Touristenfahrten“: Es gibt neue Erkenntnisse!

Schon die ministerielle Darstellung zur verkehrsrechtlichen Situation des Mainzer Wirtschaftsministerium aus dem Jahre 2017 wies eine bedeutende Lücke auf. Heute muss ich davon ausgehen, dass man sie bewusst gelassen hatte.

Aktuell wurde mir nämlich noch am 18. Januar 2021 die Auskunft aus dem Mainzer Innenministerium zuteil:

„Die Nordschleife ist keine öffentliche Straße im Sinne des Straßenrechts.“ - Und man verwies auf die Darstellung des Wirtschaftsministerium aus dem Jahre 2017 mit den Worten, „...was dort  im Weiteren auch ausführlich begründet wird.“

Während man mich aktuell, am 24. Februar 2021, informiert:

„Zunächst ist anzumerken, dass das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in seiner Stellungnahme, die Sie am 7. Februar 2017 veröffentlicht haben, bereits auf den Rechtscharakter der Nordschleife eingegangen ist. Hierbei handelt es lediglich während der erlaubten Touristenfahrten um einen tatsächlich öffentlichen Raum.“

Hier wird also die Nordschleife – weil es so auch passt – nun als ein Modell der „halböffentlichen Straße“ dargestellt, das dann – um es verständlich zu machen – ein „Mittelding“ zwischen „gewidmeter öffentlichen Straße und „reiner Privatstraße“ ist! Das muss ich als „politische Entscheidung“ werten, weil das Land so praktisch den Betrieb subventioniert, indem es dort „kostenlos“ für Ordnung sorgt, während der Privatunternehmer das Land von Kosten entlastet, indem er die Instandhaltung der Nordschleife „privat“ sicher stellt.

Daraus ergibt sich dann in der Praxis, wie die bisherige Durchführung der „Touristenfahrten“ deutlich macht, ein „Kuddelmuddel“, der sicherlich erst durch die Einschaltung von Gerichten zu klären ist.

Das wäre z.B. möglich, indem von interessierter Seite – das könnte z.B. auch ein Touristenfahrer sein – eine…

  • ...Feststellungsklage gegen eine bestehende „vermeintlich amtliche“ Beschilderung ...

erhoben wird. Denn es ist nirgendwo gesetzlich geregelt, wessen – und welche – Schilder bei einer nichtöffentlichen Straße zu beachten sind. Einen solche „Mischmasch“ von privatrechtlichen Anordnungen (offizielle Fahrordnung, nicht-StVO-konforme Signalisierungen und Beschilderungen) sind auf der Nürburgring-Nordschleife nur scheinbar „normal“, aber eigentlich willkürlich!

Man denke nur an die während der „Touristenfahrten“ mit um die Nordschleife kreisenden „Überwachungsfahrzeuge“, die mit „Stresis“ (Mitarbeitern der Streckensicherung) besetzt sind, von denen einige solche Aufgaben auch während ihrer Dienstzeit auf öffentlichen Straßen leisten.

Diese „Stresis“ bessern so ihre wohl zu knappe „amtliche“ Entlohnung mit Genehmigung ihrer direkten Vorgesetzten auf, tun hier praktisch die gleiche Arbeit, die sie auch „im Dienst“ leisten!

Wenn ein Finanzbeamter in seiner Freizeit gegen Entlohnung Steuererklärungen für Firmen oder Privatpersonen abgeben oder gar für einen Steuerberater arbeiten würde, wäre das sicherlich eine als normal empfundene Basis für Empörung. - Im Falle der „Touristenfahrer“-Überwachung spricht man nicht darüber. - Vielleicht auch, weil das weitgehend unbekannt ist.

Es ist nicht zu beanstanden, dass ein Privatunternehmer die „Touristenfahrten“ als sein Geschäftsmodell auf einer eigentlich von den meisten Nutzern als „Privatstraße“ empfundenen Rennstrecke durchführt. Der Zugang ist selbst Fahrzeugen nicht erlaubt, die – so wie sie dort auffahren möchten – die eigentlich auf jeder öffentlichen Straße unterwegs sein können, weil sie der StVO entsprechen. - Aber auf dem Nürburgring – während der Touristenfahrten – nicht fahren dürfen.

Insofern ist die StVO in diesem Fall – durch die Einbeziehung in die Allgemeine Geschäfts-Bestimmung (AGB’s) nur Teil der AGB’s, weil es dort heißt:

„...sofern nachstehend nichts anderes bestimmt wird.“

Am Nürburgring wird z.B. immer mehr mit irgendwelchen „Zusatzsignalen“ gearbeitet (gelbe Flaggen, gelbe Blinklichter), die sich durch den aktuell vorgenommenen Beginn der Digitalisierung noch vermehren werden.

Dabei heißt es in der Verwaltungsvorschrift zu den §§ 39-43 Abs. 3 Nr.1:

„Es dürfen nur die in der StVO abgebildeten Verkehrszeichen verwendet werden oder solche, die das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur nach Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden durch Verlautbarung im Verkehrsblatt zulässt. Die Formen der Verkehrszeichen müssen den Mustern der StVO entsprechen.“

Hier geht die Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG über die StVO hinaus. Außerdem wird in § 8 der der Nürburgring-eigenen Fahrordnung eine pauschale Vertragsstrafe von 250 € je Verstoß oder auch ein Fahrverbot vereinbart, z.B. bei einem Verstoß gegen § 3 (Geschwindigkeit).

  • Das wird dann zum privatrechtlichen Problem des Nürburgrings. Wer z.B. mit mehr als 200 km/h auf eine unübersichtliche Kuppe zufährt, dürfte z.B. nicht nur gegen die StVO, sondern auch gegen § 315c StGB („Gefährdung des Straßenverkehrs“) verstoßen.

Hier hilft dann auch die Feststellung aus 2017 des Wirtschaftsministerium nicht weiter, weil dort das entscheidende Abgrenzungsmodell der „halböffentlichen Straße“ keine Rolle spielt, nicht erwähnt wird. - Was bei mir die Frage aufkommen lässt: Ist das Motor-KRITIK gegenüber bewusst erfolgt?

Da ich einmal beim Thema Geschwindigkeit (auf einer Rennstrecke!) bin, möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG spätestens bei der Einführung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbeschränkung in Deutschland von der StVO entkoppeln müsste. Spätestens dann werden sich die „Touristenfahrten“ zu einer Art „Track-Day-Format“ wandeln müssen.

Allerdings sollte man da das „Kleingedruckte“ der Versicherungen nicht aus dem Auge verlieren, die z.T. auch heute schon – zumindest – den Kasko-Schutz bei „Touristenfahrten auf Rennstrecken“ ausschließen. - Worüber nicht gerne gesprochen wird.

Vielleicht wäre das der Anstoß bei den Nürburgring-Verpächtern für eine neue Geschäftsidee:

  • Man bietet – NEU - als Versicherungsagentur gleich eine kleine Zusatzversicherung mit an.

Weil ich darauf hingewiesen hatte, dass in der Feststellung des Wirtschaftsministerium der Hinweis auf die Möglichkeit der „halböffentlichen Straßen“ fehlt, auf den jetzt – in anderer Diktion – vom Innenministerium aufmerksam gemacht wird, möchte ich hier aus der Verwaltungsvorschrift zur StVO, § 1 Absatz 2 zitieren:

„Öffentlicher Verkehr findet auch auf nicht gewidmeten Straßen statt, wenn diese mit Zustimmung oder unter Duldung des Verfügungsberechtigten tatsächlich allgemein benutzt werden.“

Es gibt für den Nürburgring zwar (s. Darstellung des Wirtschaftsministerium aus 2017) „keine Widmung zur öffentlichen Nutzung“, aber die Nordschleife kann trotzdem uneingeschränkte vom öffentlichen Straßenverkehr genutzt werden. Hier werden die eigentlichen Konturen für den normalen Nutzer etwas unscharf, wie das z.B. auch bei den Zufahrten zu Supermärkten, Krankenhäusern usw. der Fall ist.

Das derzeitige Geschäftsmodell der „Touristenfahrten“ am Nürburgring bewegt sich tatsächlich in meiner Wahrnehmung immer stärker in Richtung „reine Privatstraße“. Da hätte dann auch die StVO grundsätzlich – zumindest im Hinblick auf Bußgelder nach dem Bußgeldkatalog – keine Geltung mehr.

Weil ich für Motor-KRITIK aber auch im Januar ds. Jrs. dem Innenministerium detailliert zu bestimmten Situationen befragt hatte, von denen ich mir – weil der Innenminister  als Dienstherr der Polizei fungiert – klare Antworten erwartete, füge ich die e-Mail aus dem Innenministerium, komplett und unverändert (einschl. meines „unvollendeten“ Namen) als pdf-Datei als Anhang bei.

Meine Absicht war eigentlich, zumindest für meine Motor-KRITIK-Leser ein wenig Ordnung in das aus meiner Sicht derzeit immer stärker werdende „Kuddelmuddel“ bei den „Touristenfahrten“ auf der Nürburgring-Nordschleife zu bringen.

Zumindest war das Ergebnis meiner bisherigen Versuche, dass mir so jetzt Gelegenheit geboten wurde, einmal Dinge detailliert zu schildern, die sonst für den normalen „Touristenfahrer“ nur schwer verständlich gemacht werden könnten.

Ich hoffe, dass sich aus der jetzt vorhandenen, erweiterten Basis eine interessante Diskussion entwickelt, die auch zu Handlungen führt, die dann Klarheit bringen sollten.

Immerhin gibt es jetzt – und ich hoffe nicht zu viel versprochen zu haben – „neue Erkenntnisse“.

Zumindest aber bei Motor-KRITIK!

MK/Wilhelm Hahne

PS: Natürlich habe ich – wie versprochen – der Geschäftsführung der Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG, nach Eingang die Antwort des Innenministeriums an mich vom 24. Februar 2021, 10:18 Uhr, sofort in Form einer pdf-Datei, wie sie auch dieser Geschichte anhängt, zur Verfügung und Kenntnisnahme zugesendet. - Ich erwarte keine Reaktion – bis heute ist auch keine erfolgt. - Ein Leser schrieb mir zu dem Thema: „Aus Fehlern lernt man! - Heute habe ich wieder sehr viel gelernt!“ - Er hat das tatsächlich auf die Arbeit am Nürburgring bezogen! - Ich verstehe das nicht! - Bei dieser Gelegenheit: Bei obiger Geschichte wurden auch die Anregungen meiner Leser verarbeitet. - Danke!

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