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Das Wetter in der Woche war sonnig und angenehm und es gab – nach meinem Empfinden – eine überraschende Einladung zu einer Buchvorstellung am Nürburgring ins „ring°werk“. - Samstag, 11. Juni, 14 Uhr, 1. Stock, „ring°werk“- Bei meinem Eintreffen bestätigten sich dann die „Fragezeichen“, die sich nach dem Erhalt einer kurz vorher erhaltenen telefonischen Einladung ergeben hatten. Es war dann nämlich – noch überraschender – eine schriftliche Einladung – praktisch 24 Stunden vor der Buchvorstellung bei mir eingegangen. - Wie dem auch sei: Ich bin der Einladung gerne gefolgt, bin auf interessante Leute getroffen, habe mir persönlich bisher unbekannte Motor-KRITIK-Leser kennen gelernt, auch Leute erlebt, die mich – obwohl sie mich kennen – „rücksichtsvoll“ übersehen haben. - Also eigentlich alles wie immer! - Aber ich habe auch eine Ausstellung kennen gelernt, die ich der Bedeutung eines vor gut 60 Jahren in Monza tödlich verunglückten – bedeutenden (!) - deutschen Rennfahrers als angemessen empfunden habe. - Die Buchvorstellung nutzte diese – sehenswerte! - Ausstellung im “ring°werk“ des Nürburgrings als Rahmen. Dabei soll hier nicht untersucht werden, warum sie inzwischen am Nürburgring gelandet ist.
Nürburgring: Ein Wochenende mit Erinnerungen…
Eine intelligente junge Dame am Eingang zum „ring°werk“ machte das sehr gut. Sie ließ sich meinen Namen nennen, huschte mit schnellem Blick über die links von ihr auf der Theke liegende Namensliste und stellte fest: „Ihr Name steht nicht drauf.“ - Ich habe sie gebeten, doch dann einfach meinen Namen auf der Liste hinzu zu fügen, nachdem ich ihr kurz die Umstände erklärt hatte, unter denen ich die telefonische Einladung erhalten hatte.
Nun kann ich bestätigen: Die Dame kann auch schreiben! - Sie hat meinen Namen hinzu gefügt und der Nachmittag mit dem Erlebnis einer Buchvorstellung mit Erinnerungen an Wolfgang Graf Berghe von Trips nahm seinen Anfang.
„Bitte gehen Sie an dem da hinten sichtbaren weißen Lkw vorbei. Dahinter finden Sie dann den Treppenaufgang, der direkt zur Trips-Ausstellung führt“, hatte mir die freundliche junge Dame erklärt und mir eine Eintrittskarte ausgehändigt. Mit der habe ich dann die Durchgangssperre überwunden und den nicht zu übersehenden, großen Lkw erreicht. Im Vorbeigehen habe ich daran denken müssen, dass der mal – als er in diese Hallen kam anders aussah. Es war der Renntransporter des BMW-Formel 1-Teams und als Renntransporter auch gut zu erkennen.
Der wird nun hier im „ring°werk“ wahrscheinlich ewig stehen müssen. Denn er kam damals durch eine offen gelassene Mauerlücke in diese Halle. Diese Lücke wurde dann geschlossen, zugemauert. Damit war der BMW-Renntransporter vom Typ MAN praktisch eingemauert.
Man hätte tatsächlich eine Mauer einreißen müssen, um ihn wieder zu entfernen, nachdem BMW schon lange in der Formel 1 nicht mehr vertreten ist, hat am Nürburgring aber dann wohl die einfache – und billigere – Lösung gewählt und das Fahrzeug neu lackiert und beschriftet. BMW hat dabei natürlich – als Schriftzug oder Markenzeichen - keinen Platz mehr auf den Seitenwänden gefunden.
Der Weg zur Trips-Ausstellung ist im Übrigen sehr leicht zu finden, nicht zu verfehlen.
Die Nachstellung des „Wohnzimmers“ des Grafen – pardon: Reichsgrafen – von Trips ist gut gelungen, entspricht der, die ich in diesen Jahren in wohlhabenden Kreisen noch erlebt habe.
Ich treffe einen lange nicht mehr gesehenen Kollegen, der „noch heute liefern muss“ und sofort den Verfasser des Buches mit Beschlag belegt. Es ist ein Kollege „aus alter Zeit“, wie man daran erkennt, dass er keinen Kugelschreiber – und einen Notizblock von „SEAT“ nutzt, den es irgendwo umsonst gab. Der Verfasser des Buches, das hier vorgestellt werden soll, erzählt ihm schon vorab seine Vita. - Und später dann wohl dem Organisator der Buchvorstellung, was bisher geschah.
Der Beginn der eigentlichen Veranstaltung verzögert sich ein wenig, weil man noch auf einen Professor wartet, dessen Eintreffen – warum auch immer – sich verzögert. Aber dann tritt der Moderator der Veranstaltung – nein, nicht auf die Bühne – sondern auf eine mit Teppich beklebte kleinere Kiste und nimmt dort eine mit Risiko behaftete Position ein. Man erfährt, dass er 37 Jahre alt ist, Bücher geschrieben, sich in Archiven herum getrieben hat und schon immer ein Motorsport-Fan war. Er erwähnt im Laufe der Veranstaltung auch mehrfach, dass er „einen Knopf im Ohr hat“ und immer „mit der Regie verbunden“ ist. - Nach eigener Darstellung ist er Moderator, Autor, Historiker, Sportfahrer. Dass er ein Podcast „Alex am Ring“ betreibt und Theologie studiert hat, bleibt unerwähnt.
Als dann der Autor des neuen Trips-Buches, Jürgen Schneider, auftritt, da wusste ich schon vom Zuhören, dass er früher mal lange bei RTL war und danach als freier Mitarbeiter beim WDR für die „Aktuelle Stunde“ gearbeitet hat. Inzwischen ist er „frei“. Er trägt, wie ich recherchieren konnte, nicht nur einen eleganten, sondern auch teuren Sportschuh. Kosten so um 250 Euro, in Portugal gefertigt. - Und die Zuhörer hören ihm aufmerksam zu.
Um es nicht zu vergessen: Der Moderator hatte vorher erzählt, dass Olli Martini - „Der darf sogar die Formel 1 moderieren!“ – ihm mal erzählt habe, dass er irgendwann zu seinem Vater ins Zimmer (Küche) gekommen sei. Da habe der mit einem „fremden Mann“ gesessen. Und er habe seinen Vater gefragt, wer das sei. - Und siehe: Es war Graf Berghe von Trips.
Der Moderator hatte ob dieser Aussage so seine Bedenken – sagt er. Olli Martini ist rd. 10 Jahre nach Graf Berghe von Trips geboren. - Was lernen wir daraus: Olli Martini kennt eigentlich jeden Rennfahrer, weil er das seinen selbst empfundenem Ansehen schuldig zu sein glaubt. - Man möge entschuldigen, dass ich bei der Erwähnung dieses Beispiels durch den Moderator gelächelt habe. - Leicht!
Man hatte dann wegen der Verspätung des Herrn Professor das Programm, die Reihenfolge der Vortragenden und Interview-Gäste, ein wenig umstellen müssen.
Hannelore Werner, die eigentlich seit Jahrzehnten - nach ihrer Heirat - Hannelore Hennerici heißt, hatte sich bis zu ihrer Ankündigung in den hinteren Reihen quasi versteckt gehalten. Nun musste sie nach vorne ins Scheinwerferlicht. Man hatte den Eindruck, dass ihr das peinlich war. Sie antwortete auf so platte Fragen des Moderators, wie z.B., „Was war ihr Idol?“, dann so, wie es auch von ihr erwartet wurde, aber sicherlich auch der Wahrheit entspricht: „Graf Berghe von Trips“.
Den Zuschauern wurde klar, dass es ohne dieses große Vorbild sicher auch keine Rennfahrerin Hannelore Werner gegeben hätte, die in dem Jahr mit dem Motorsport begann, als Graf Berghe von Trips in Monza starb. Sie hätte nämlich gerne in genau dem Jahr an einem Fahrerlehrgang der „Scuderia Hanseat“ teilgenommen, an dem der Graf als Instruktor angekündigt war. Der Tod des Grafen von Trips hat das unmöglich gemacht. Immerhin hat Hannelore Werner – um bei diesem Namen zu bleiben – den Grafen noch bei seinem Einsatz 1961 bei einem 1000-Kilometer-Rennen am Nürburgring erlebt, wo allerdings Casner Lloyd und Masten Gregory auf einem Maserati Tipo 61 siegten. - Graf von Trips wurde zusammen mit Richie Ginther und Oliver Gendebin auf einem Ferrari Dino 246 SP fahrend, Dritte im Gesamtklassement.
Zu diesem Zeitpunkt war der Herr Professor – „Wie mir die Regie sagt“ – immer noch nicht eingetroffen, so dass nun Herr Dieter Streve-Mühlens, sozusagen ein Vertreter der „4711“-Dynastie, mit seinen Erinnerungen zu Wort kam.
Ich hatte Herrn Streve-Mühlens noch so in Erinnerung, wie ich ihn mal vor 8 Jahren bei einer Vernissage zu einer Fotoausstellung am Rhein erlebt hatte, bei der auch Jacky Ickx anwesend war. Die Zeit heilt aber offensichtlich nicht nur alte Wunden. Aber Herr Streve-Mühlens hatte sich gut vorbereitet, sprach nicht frei, sondern hatte seine Erinnerungen an Graf Berghe von Trips in einem Manuskript festgehalten, aus dem er nun vorlas. Wobei er sich die Freiheit vorbehielt, auch mal etwas abzukürzen.
Man merkte seinen Detailschilderungen an, dass er den Grafen von Trips wirklich gut gekannt hat, geradezu eine persönliche Beziehung zu ihm hatte. So hat er z.B. auch die „Motorrad-Vergangenheit“ des Grafen – quasi dessen Einstieg in den Motorsport – erwähnt.
Ich kann diese Information bestätigen: Anfang der 50er Jahre – exakt 1951 – stand ich als Zuschauer in der Kurve, die man heute mit „Sabine Schmitz“-Kurve benannt hat, als bei der „Rheinland-Fahrt“ einer Zuverlässigkeitsprüfung für Motorräder und Automobile, diese Kurve ein Mann auf einer BMW R 51/2 – dem ersten Nachkriegsmotorrad von BMW – passierte. Das mit einer solchen Eleganz, Leichtigkeit und einem Tempo hinunter in die schnelle – etwas hängende - Rechts, dass es mich verwunderte.
Ich hatte selbst ein solches Motorrad – auch auf der Nürburgring-Nordschleife – bewegt. Damals habe ich in meiner ersten Runde mit diesem Motorrad dann ausgangs der „Hatzenbach“ mal aus Sicherheitsgründen angehalten, weil ich den Eindruck hatte, der Rahmen sei gebrochen. Das Motorrad schwänzelte in den Rechts-Links-Kombinationen des Kurses wie eine Schlange.
Ich habe dieses Motorrad dann verkauft und durch eine Puch 125 SL (mit Schalenrahmen) ersetzt. Mit diesem Motorrad – eine Einzylinder-Doppelkolben mit Doppelvergaser - war ich dann auf der Nordschleife deutlich schneller, als mit der 500er-BMW.
Bei dieser BMW war nicht nur der Motorblock und das Kardangehäuse aus Aluminium, sondern leider auch die Kipphebel, die keine besondere Lagerung aufwiesen. So „verschmierte“ das abgeriebene Aluminium immer die Ölbohrungen, was für einen BMW-Besitzer immer viel Handarbeit bedeutete, wollte man dieses Motorrad wirklich als Fahr- und nicht nur als „Stand“-Zeug nutzen.
Ich habe damals – als ich den Nürburgring als Zuschauer besuchte - den Namen des Fahrers einer solchen BMW im Programm nachgeschlagen. Es war Graf Trips, der von da an meine besondere Aufmerksamkeit gefunden hat. Ich habe geweint – und ich schäme mich dessen nicht – als Graf Trips im September 1961 in Monza tödlich verunglückte. Er hätte in diesem Jahr Weltmeister werden können.
Er war – was heute selten geworden ist – ein fairer Motorsportler. Als er 1957 mit einem Ferrari 330S bei der „Mille Miglia“ Zweiter hinter seinem Teamkollegen Taruffi wurde, da wurde er das, weil der Wagen von Taruffi einen Hinterachsschaden hatte, darum vorsichtiger fuhr, sein Fahrzeug nicht mehr voll belastete. Graf Berghe von Trips hat ihn nicht überholt, sondern hat Sekunden nach ihm als Zweiter die Ziellinie in Brescia passiert.
- Auf eine primitive Art wollte ein Graf Berghe von Trips kein Rennen gewinnen!
Erzählt man das heute einem der „modernen“ Werksfahrer, dann werden die ein solches Verhalten sicherlich als „dämlich“ empfinden. - Motorsport hatte in jenen Zeiten eben ein anderes Niveau!
Dieter von Streve-Mühlens hat das auf seine Art in seinem Vortrag deutlich werden lassen: Es war damals eben insgesamt eine andere Zeit. - Auch eine gute Zeit für „4711“, bei der sich auch von der Familie Mühlens eine gute Beziehung zum Nürburgring entwickelte, weil man dieser – damals „amtlichen“ – Firma die Wälder verkaufte, die gegenüber von Start- und Ziel, links auf der B 258, wenn man in Richtung Blankenheim fährt.
Herr Streve-Mühlens hatte seinen Vortrag in Abschnitte unterteilt, von dem einer mit „Passion“ getitelt war. Er hat dieses Wort dann für seine Zuhörer – damit sie ihn und damit den Grafen Trips richtig verstanden – mit „Leidenschaft“ übersetzt. - Richtig! - Graf Berghe von Trips war ein leidenschaftlicher Motorsportler.
Was acht Jahre älter geworden zu sein im persönlichen Auftreten verändern kann, wurde deutlich, als sich Herr Streve-Mühlens von Stuhl und kleinem Podium heben ließ, nachdem er seinen Vortrag beendet hatte.
Spät kam er, doch er kam. Der angekündigte Herr Professor. Startbereit stand er in der „ersten Startreihe“, bestieg auch kein Podium, sondern stieg gleich ins Thema ein, um deutlich zu machen, dass ein Graf Trips auch Bedeutendes zum Thema Verkehrssicherheit zu sagen hatte. Gleichzeitig erinnerte er dabei daran, wie lange es die „BILD“-Zeitung schon gibt. Denn er zitierte daraus Aussagen des Grafen zum Thema Straßenverkehr, wie z.B.:
„Gekonnt schnell fahren ist immer noch zehnmal besser, als unaufmerksam und schlecht langsam fahren.“
An dieser Stelle gab es Beifall von den Zuhörern. Der Herr Professor war mit zwei Brillen aufgetreten. Eine auf dem Kopf, eine vor den Augen. Während des Vortrags hängte er dann eine davon in sein offen getragenes Hemd ein. In Verbindung mit seinen hinten zu einem „Dutt“ zusammen gebundenem weißen Haaren, passte er „in die Zeit“, machte mit der Art seines Vortrages geradezu einen eloquenten Eindruck, bezog auch – das spricht für seine Erfahrung als Professor – alle Besucher in seinen Vortrag ein, indem er sich allen – ringsum – zuwendete. - Das fand sicherlich auch den Beifall des Organisators der Buchvorstellung, Jörg-Thomas Födisch, als der den Herrn Professor verabschiedete.
Die Veranstaltung neigte sich dem Ende zu. Eigentlich hatte ich mir eine Buchvorstellung etwas anders vorgestellt. Aber das Publikum war offensichtlich zufrieden. Hannelore Werner (Hennerici) war übrigens mit ihrem Sohn gekommen, in dessen Haus in Boos/Eifel sie auch dann wohnt, wenn sie nicht gerade mal wieder auf Reisen ist. Der Sohn nahm dann auch seiner Mutter das Mitnehmen der ihr überreichten Blumen ab, um Kind, Blumen und Limo wieder in den Kinderwagen zu packen, den er ein wenig abseits geparkt hatte.
Im Zusammenhang mit dem Thema „Graf Trips“ sollte man vielleicht noch erwähnen, dass am Nürburgring anlässlich seines 65. Geburtstages ein „Graf-Berghe-von-Trips-Denkmal“ am Rand der Zufahrt zum neuen Fahrerlager aufgestellt wurde. Anlässlich seines 90. Geburtstages – im Jahre 2018 - wurde dann – nachdem sich die Situation am ursprünglichen Standort der Ausstellung ein wenig undurchsichtig darstellte – diese Ausstellung zum Nürburgring „verlagert“, in dessen Umfeld auch am letzten Samstag die Buchvorstellung stattfand.
Das Buch blieb eigentlich während seiner Vorstellung ein wenig unauffällig. So soll hier wenigstens ein Foto gezeigt werden. Dem aufgeklebten gelben Zettel ist auch zu entnehmen, dass der Preis dafür 19,90 Euro betragen soll. - Zu seinem Inhalt kann ich nichts sagen, aber man sollte davon ausgehen, dass der Autor (die Autoren) nur Zitate verwenden, die auch die Realität von „damals“ wiederspiegeln.
Ein freundlicher Mitarbeiter des Veranstalters, der Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG, war auch vor Ort, hatte zwischenzeitlich dafür gesorgt, dass die Getränke nicht ausgingen und verteilte zum Schluss der Veranstaltung dann die Parktickets, mit denen die Besucher, die das Parkhaus genutzt hatten, auch kostenlos den Ort des Geschehens wieder verlassen konnten.
Ich musste davon keinen Gebrauch machen, weil ich mein Fahrzeug an anderer Stelle geparkt hatte.