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In Politik und Wirtschaft ist heute ein Spruch von besonderer Bedeutung: Wir müssen nach vorne schauen! - Das heißt auch: Wir sollen auf Erfahrung verzichten! - Ältere Ingenieure wissen, dass Erfahrung im Beruf eine wesentliche Voraussetzung zur Erbringung guter Leistungen ist. Aber Bestleistungen sind heute auf diesem Gebiet nicht mehr gefragt. Mit Qualität lässt sich heute nicht mehr unbedingt Geld verdienen. Wenn das schon nicht: Dann muss man Rendite über Quantität sicher stellen. So muss man dann auch künstlich Anreize schaffen, die die Basis dafür bieten, dass auch ein geschaffener Produktionsüberschuss - kaufmännisch – einen Sinn macht. - Den Sinn bestätigt man sich selber durch entsprechende Statistiken. Die dann andere glauben müssen. Oder man gibt entstehenden Negativ-Entwicklungen einen „passenden“ Namen, funktioniert sie zu einem Positivum um. - Aus Rückrufen werden so z.B. Kundenbindungsmaßnahmen. - Zu diesem Zweck gibt es bei der Industrie ganze Abteilungen, die unsinnige Entwicklungen – oder deren Folgen - sinnvoll aussehen lassen sollen. Es gibt auch an der Spitze Manager, die – obwohl sie Teil dieser Entwicklung sind – im Mainstream der öffentlichen Darstellung mitschwimmen und sie – s. Beispiel Elektromobilität – auch nutzen, um z.B. mit passenden Argumentationen – die die Öffentlichkeit hinnehmen muss - Überkapazitäten abzubauen, die künstlich geschaffen wurden, ohne dass dafür ein Bedürfnis bestanden hätte. - Zum Beispiel der Welt größter Automobilhersteller zu werden. - Die Sucht nach mehr Macht kann eine Krankheit sein, die nicht nur Menschen, sondern dann auch sinnvolle Systeme verändert. - Folgende Geschichte will nur mit kleinen Beispielen darauf hinweisen, erinnern, was mit dem vorgeschriebenen „Blick nach vorne“ verloren gegangen ist. - Auf eine „unauffällige Art“.
Klare Sicht: Das Bild verändert sich unmerklich!
Die Automobilindustrie gehört seit jeher zu der Sparte der Wirtschaft, in der für Werbung sehr viel Geld ausgegeben wird. Nun möchte ich nicht – weit zurück blickend – darauf hinweisen, wie sich über Jahrzehnte in Akzente in der Automobilwerbung verschoben haben. War das schon dramatisch, wenn man das auf das „Endergebnis“ - heute – bezieht, so würde es eigentlich genügen, wenn man auch mal einen kürzeren Blick zurück werfen würde.
Damals verschoben sich die Akzente in der Werbung durch den wirtschaftlichen Boom der Nachkriegszeit vom Schwerpunkt Wirtschaftlichkeit mehr in Richtung Sicherheit, während der Preis für die Ware Automobil immer eine gewisse Symbolkraft hatte.
- Ein Automobil ist in seiner Ausstrahlung auf den Menschen symbolträchtig!
In einer privaten Diskussion in diesen Tagen wurde mir das noch einmal deutlich, als mir jemand – dem die Argumente ausgingen – dann erklären musste:
„Natürlich haben Sie eigentlich recht. - Aber in meiner Position...“
Das Automobil als „Rahmen“! - In der Praxis hängen schon mal in teuren Rahmen einfache – um nicht zu sagen – billige Bilder. Die sich aber – dank Rahmen – teuer verkaufen. Da wären aktuell durchaus Beispiele zu nennen, deren darstellerische Leistungen jährlich mit Millionensummen vergütet werden.
Jeder macht sich heute „seine“ Entscheidung durch eine geeignete Argumentationen passend. Der Eine leistet sich keinen Ferrari – obwohl er es vom Einkommen und seiner Position her könnte – weil er nicht „unangenehm auffallen“ möchte, der Andere kaschiert seine Lust nach „Freiheit“ - durch viel PS – in dem er die – wie er meint – dafür erforderliche Motorleistung in „vernünftige“ SUV oder Kombis verpacken lässt.
Man lenkt ab, indem man mit dem Verlangen nach „größerer Sicherheit“ oder „weil ich so viel Platz brauche“ argumentiert. - Aber selbstverständlich ist man für Elektromobilität. - Wenn es mal soweit ist!
Der Preis eines Automobils wird heute durch die Industrie gerne „geschönt“, in dem er in der Werbung erst gar nicht mehr genannt wird. Man nennt nur noch „günstige Leasingraten“. Man muss schließlich möglichst große Stückzahlen von möglichst teuren Automobilen mit großen Verbrennungsmotoren verkaufen, damit man Gewinne erzielt, die den Firmenwert an der Börse steigen lassen.
Und man macht darauf aufmerksam, dass das Geld eigentlich ohne Wert ist: Null Prozent Zinsen!
Es gibt auch heute keine wirkliche Langzeitplanung mehr. Man ist zum Sklaven von Statistiken verkommen, obwohl – weil man sie selber fälscht – eigentlich um den Wert solcher Darstellungen weiß. Man weiß aber auch um die Auswirkungen dieser Darstellungen:
- Zum Quartalsende, wenn es um die Eigendarstellung durch Zulassungszahlen geht.
- Zum Zeitpunkt der Halbjahres-Bilanz, zu dem die Börse auf gute – wie auf schlechte - Zahlen sensibel reagiert.
So wird dann die Realität mit „Selbstzulassungen“ und über die inzwischen überall vorhandenen firmeneigenen Leasing-Gesellschaften und Firmen-Banken geschönt. - Man steuert gegen! - Normalität?
Es ist aber nicht eine gewisse Sparte, es ist die Gesellschaft insgesamt, die „maßlos“ geworden ist, die – immer vorwärts gewendet – in die anscheinend richtige Richtung geht und dabei alle Erfahrungen der Vergangenheit – im wahrsten Sinne des Wortes – hinter sich lässt.
Auch für die Automobilindustrie gilt eigentlich noch immer die Gesetzmäßigkeit, das Exportanteile über 50 Prozent vermieden werden sollten, da sie das Gewinnergebnis per Saldo verschlechtern.
Darum hat man dann Produktionsstätten im Ausland – zusätzlich – aufgebaut, hat auch die Zulieferindustrie praktisch gezwungen, mit zu gehen. Man hat die Lagerhaltung verkürzt und – durch „just in time“ - auf die Autobahn verlegt. Man hat aus selbstständigen Automobilhändlern „Abhängige“ gemacht. Man denkt nicht mehr in Zusammenhängen, beschäftigt nur noch „Spezialisten“, die bis zu ihrer Schreibtischkante denken. Es gibt keinen sinnvollen Verbund von Abteilungen mehr, weil sich jede Abteilung von der anderen durch eine besondere Profilierung – meist über das Ergebnis – absetzen möchte. - Muss? - Denkt man.
Das führt dazu, dass nicht Ingenieure die Ausrichtung eines neuen Modells im „Lastenheft“ bestimmen, auch nicht der Vertrieb. Der wird längst vom Marketing bestimmt. Und nicht die Entwicklungsabteilung bestimmt die Qualität der Fahrzeuge, sondern der Einkauf. - Über den Preis!
Da werden dann auch schon mal „stille Änderungen“ - Anpassungen - vorgenommen, ohne die ein bestimmter Preis nicht möglich wäre. Über die Auswirkungen in der Praxis erfährt dann die Entwicklungsabteilung erst über Rückmeldungen – Garantie, Kulanz – aus der Kundschaft.
Diese ganze Entwicklung wird mit Worthülsen und Sprachregelungen gegenüber der Öffentlichkeit nicht nur geschönt, sondern auch geleugnet.
Aus ehrbaren Kaufleuten sind heute scheinbar Mitglieder einer kriminellen Vereinigung geworden, wie die öffentlich werdenden Skandale der letzten Zeit in der Automobilindustrie deutlich machen. Wer kann wem noch trauen? - Welche Wert haben heute noch Verträge? - Warum haben Gutachter eine immer größere Bedeutung erhalten?
Weil man sich so z.B. absichern, Entscheidungen verzögern Unsicherheiten vertuschen kann. - Die Kosten spielen keine Rolle. - Das ist nicht nur bei der Industrie normal geworden, sondern selbstverständlich auch in der Politik. - Man sagt heute möglichst nur das, was der Andere hören möchte. - Man verhält sich eben pragmatisch. - Dann gibt es keinen Ärger.
Darum gibt es auch keinen wirklichen Fortschritt mehr, sondern nur ein Arbeiten an deutlich werdenden Symthomen, die die „Krankheit“ deutlich werden lassen könnten. - Man darf doch nicht durch einen kleinen Husten die Öffentlichkeit auf eine mögliche Lungenentzündung – eine ernsthafte Krankheit - aufmerksam werden lassen.
Eigentlich befinden wir uns – als Gesellschaft betrachtet – in einem Krankenhaus, in dem der am wenigsten Kranke schon als gesund empfunden wird.
Ich habe hier auf die Darstellung von namentlich benannten Einzelbeispielen verzichtet, habe gleich eine Gesamteinschätzung und -Beschreibung vorgenommen, um meine Leser einmal zu einem Nachdenken über die ihnen bekannten Einzelbeispiele anzuregen.
Manchmal helfen bei bestimmten Krankheiten nur drastische Eingriffe, Operationen. Die wären eigentlich jetzt auch in der Automobilwirtschaft - aber auch im Motorsport - notwendig.
Aber heute arbeitet man dann gerne mit Vorschlägen zu einem „Runden Tisch“, zu dem man dann zusammen kommt, um zu einem Kompromiss zu finden.
Kompromisse sind keine Lösung! - Harte, klare - aber sichere - Schnitte sind notwendig!
Gute Besserung!