CDU-Vorwurf: „Bewusste Wählertäuschung“

Exakt 27 Monate, nachdem in Motor-KRITIK eine Geschichte mit dem Titel „Ab wann ist Dummheit strafbar?“ zum Pachtvertrag zwischen der Nürburgring GmbH und dem Duo Richter/Lindner erschien, ist der CDU in Mainz schon „ein Licht aufgegangen“. Alexander Licht, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU im Mainzer Landtag erklärte, nachdem am Vortag der Kollege Marcus Lachmann, Redakteur der „Allgemeine Zeitung – RHEIN MAIN PRESSE“ und Mitglied der Landespressekonferenz in Mainz, die Nürburgring-Pleite als einen „Crash mit Ansage“ bezeichnet hatte: „ Eine Finanzierungslücke am Ring war von Anfang an vorprogrammiert“. - Grund genug, heute noch einmal den Lesern von Motor-KRITIK den Pachtvertrag als pdf-Datei zum genauen Studium anzubieten. Heute sieht man ihn vielleicht mit anderen Augen, als im November 2010, wo die damalige Motor-KRITIK-Geschichte vielleicht noch als „Spinnerei“ empfunden wurde. Oder war dieser Pachtvertrag, verantwortet vom damaligen Wirtschaftsminister Hering (SPD) einer der „politischen Irrtümer“ von dem Kurt Beck heute vor dem OLG Koblenz sprach?

CDU-Vorwurf: „Bewusste Wählertäuschung“

Dem Kollegen Lachmann lagen Teile aus einem 103-Seiten Gutachten vor, das die Kanzlei „Lieser Rechtsbeistand Rechtsanwälte Fachanwälte“ in Koblenz offensichtlich im Auftrag der insolventen Nürburgring GmbH als Basis für Entscheidungen des Insolvenz-Sachwalters Jens Lieser in dreimonatiger Arbeit erstellt hatte. - Das kostet... -

Offenbar traut man Kollegen nicht. Denn bereits im Jahre 2010 hatte der Koblenzer Rechtsanwalt Carl-Bernhard von Heusinger, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, für die Landesvorstandssprecherin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Eveline Lemke, ein Gutachten zum exakt dem gleichen Pachtvertrag estellen lassen.

Aus dem von Heusinger-Gutachten 2010:

"Unter § 1 des Vertrages werden das Pachtobjekt und die Pachtgegenstände aufgeführt. Hierbei wird nicht unterschieden danach, wem die jeweils einzelnen unter § 1 Abs.1 aufgeführten Bereiche gehören, wer also Verpächter der jeweiligen Betriebe ist.

Zum Teil sind die Betriebe möglicherweise dadurch zuzuordnen, dass in der Präambel genannt ist, welchem Verpächter welcher Betrieb zuzuordnen ist. Allerdings werden hier nur Oberbegriffe der Bezeichnung der Bereiche gebildet, die das Pachtobjekt darstellen, also beispielsweise Rennstrecke oder Offroad-Park. Es hätten allerdings zu jedem einzelnen Bereich Anlagen mit genauer Aufführung der Vermögensgegenstände erstellt werden müssen.

Zwar mag man einwenden, dass dies für die Verpächter deshalb keine Rolle spielt, weil Gesellschafter das Land ist oder jedenfalls ein und derselbe Gesellschafter dahintersteht. Aber auch hier können sich Beteiligungsverhältnisse ändern oder sind bereits jetzt schon anders.

Zudem sind in der Liste der Bereiche Betriebe aufgeführt, die dort zum ersten Mal benannt, ohne dass klargestellt würde, welchem Verpächter diese Betriebe zuzuordnen sind. Dies gilt für WarsteinerEvent-Center, Eifeldorf Grüne Hölle, Personalhaus.

Problematisch ist hierbei, dass nach Pachtende die Pachtgegenstände vom Pächter an die einzelnen Verpächter zurückzugeben sind. Es fehlt allerdings eine genaue Beschreibung der Pachtgegenstände, insbesondere ein Aufzählung der zu den einzelnen Gegenständen gehörigen Vermögensgegenstände. Zudem fehlt es an einer genauen Zuordnung der einzelnen Pachtgegenstände zu den Verpächtern. Daher wird nach Ablauf des Pachtvertrages die Feststellung schwierig, was einst den Pächtern übergeben wurde und von welchem Verpächter und was er demnach zurückzugeben hat."

In dem „neuen“ Lieser-Gutachten ist zu lesen:

„Der Betriebspachtvertrag in seiner gesamten Ausgestaltung ist ungewöhnlich.“

Und in Motor-KRITIK war im November 2010 zum gleichen Betriebspachtvertrag zu lesen, nachdem ich noch folgendes Zitat aus dem Vertrag – kopfschüttelnd - untergebracht hatte:

„§ 8, Abs.5: "Der Verpächter wird sich über seine Gesellschafter" (Anmerkung: 90% Land RLP, 10% Landkreis Ahrweiler) "nach Kräften bemühen dem Pächter zur Durchführung des Vertragszwecks sämtliche Leistungen der öffentlichen Hand, seiner privatrechtlich organisierten Tochtergesellschaften oder Dritter Organisationen wie in der Vergangenheit üblich zur Verfügung zu stellen."

„...vielleicht ist dieser Vertrag auch nur auf dem Niveau der aktuellen Landesregierung entwickelt worden und daher für normale Wähler und Steuerzahler unverständlich. - Denn welcher normale Bürger hat schon ein solches Niveau?“

Die Darstellung des Kollegen Lachmann – und zufällig auch des CDU-Sprechers Alexander Licht – heben auf einen anderen Punkt des Vertrages ab, der in dem Gutachten der Kanzlei Lieser herausgearbeitet wurde und in der „Allgemeinen Zeitung“ so dargestellt wurde:

„Laut Pachtvertrag hatten Lindner und Richter zwischen 85 und 90 Prozent des Gewinns (vor Steuern und Abschreibungen) an die Landesgesellschaft abzuführen, bzw. eine Mindestpacht zu zahlen, die auf 15 Millionen Euro im vierten Betriebsjahr klettern sollte. Mit den Einnahmen aus der Pacht wollte die Nürburgring GmbH den 330-Millionen-Kredit zurückzahlen. Doch die Rechnung ging nicht auf. Laut Gutachten beliefen sich die jährlichen Belastungen aus dem Kredit auf 6,6 Millionen Euro Tilgung sowie 12,5 Millionen Euro Zinsen“

Der letzte Satz in der Lachmann-Geschichte lautet:

„Die Opposition im rheinland-.pfälzischen Landtag dürfte hellhörig werden.“

Und die CDU hat prompt, einen Tag später, reagiert. In der CDU-Presseinformation vom 19. Februar 2013 heißt es:

„Tatsächlich habe der Pachtvertrag mindestens vier Millionen Euro jährlichen Verlust für die Nürburgring GmbH verursacht, die zu Lasten des Steuerzahlers gehen. „Nicht zum ersten Mal hat Herr Hering Entscheidungen – in diesem Falle das neue Betriebskonzept – auf Grundlage einer knapp dreieinhalbseitigen Tischvorlage und eines mündlichen Berichts durch den Aufsichtsrat gewunken. Herr Hering muss sich dafür verantworten, dass er offensichtlich bewusst oder in fahrlässiger Unkenntnis das Parlament und die Öffentlichkeit falsch informiert hat“, so Licht.“

„Fahrlässige Unkenntnis“? - Weiß man nicht, dass Hendrik Hering Jurist ist? - Und Eveline Lemke, inzwischen Nachfolgerin des Herrn Wirtschaftsminister Hering und stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz hat das alles schon im Jahr 2010 gewusst? - Und im Interesse des Koalitionsvertrages nun geschwiegen?

Kurt Beck, Ex-Ministerpräsident heute – auch am 19. Februar 2013 - vor dem OLG Koblenz als Zeuge, zum Thema „Nürburgring 2009“:

"Das ist das politisch Unliebsamste, das mir in 34 Jahren Parlamentszeit begegnet ist."

Zufällig tagte der Hauptgläubiger-Ausschuss der insolventen Nürburgring GmbH auch an diesem 19. Februar in Koblenz. Ob sich Kurt Beck wenigstens zu einem Strategiegespräch mit wichtigen Teilen dieses ferngesteuerten Ausschusses getroffen hat? - Denn dass Drehbuch zu dieser „Soap-Opera Nürburgring“ muss schließlich weiter geschrieben werden.

MK/Wilhelm Hahne

 

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