Tankstellenkultur in NRW: „Bitte volltanken!“

Unter diesem Titel ist gerade ein Buch im KLARTEXT-Verlag erschienen, das am Beispiel  Nordrhein-Westfalen zeigt, dass das Tankstellennetz bis hin zu seiner heutigen Dichte und Funktionalität auch seine Zeit brauchte. Innerhalb von zwei Jahrzehnten ist „damals“ in Nordrhein-Westfalen das dichteste Tankstellennetz in Europa entstanden. „Damals“ noch mit Tankwarten, einem inzwischen ausgestorbenem Beruf, die nicht nur beim Vorfahren eines Automobils den Tankvorgang vornahmen, sondern wie selbstverständlich auch die Scheiben reinigten. „Damals“ gab es noch Insekten! - Das Buch schildert die Entwicklung von der Gehwegpumpe bis hin zur elektrischen Tanksäule mit Selbstbedienung nicht nur mit Text, sondern auf 160 Seiten auch mit rd. 400 Fotos. - Der Herausgeber von Motor-KRITIK hat diese Zeit mit erlebt, war zeitweise mit im „Benzingeschäft“ tätig. Nicht nur darum war die Rezension dieses Buches eine interessante Rückbesinnung. - Das Buch kann auch jungen Leuten als Beispiel und Erklärung dafür dienen, dass jede Art von Infrastruktur eine Zeit des Wachstums und der Entwicklung braucht. - Auch die z.B. der E-Säulen!

Tankstellenkultur in NRW: „Bitte volltanken!“

Der Buch-Autor, Ulrich Biene, hat nicht zufällig Nordrhein-Westfalen ausgewählt, um etwas zu der Tankstellen-Kultur in diesem Land zu erzählen. Die Bundesstraße 1, die quer durchs Ruhrgebiet führt, war schon in den 50er Jahren sozusagen die Paradestraße, an der sich das automobile Wirtschaftswunder aufzeigen ließ.

Schon in den 50ern reihten sich entlang dieser Wegstrecke die bunten, schlanken elektrischen Tank-Säulen. Die plumpen, tristen Handpumpen mit ihren 5-Liter-Schaugläsern, zwischen denen jeweils umgeschaltet werden musste, waren hier schon verschwunden.

Diese Handpumpen-Säulen gab es noch lange in kleinen Dörfern, vor Wirtschaften oder Dorf-Schmieden. Sie saugten – handbetätigt – den Kraftstoff selten aus größeren Behältern als 1.000 Liter. - Das weiß ich nicht nur, weil ich dieses Buch gelesen habe.

Ich habe in dieser Zeit für einen Treibstoff-Großhändler gearbeitet und kann mich gut daran erinnern, wie wir versucht haben, bestehende Pumpenanlagen für die von uns vertretene Marke DEA zu gewinnen. Wichtig – weil einbringlich – war das Ölgeschäft. So kam neben die modernen, elektrisch betriebenen Säulen, auch immer gleich ein passendes Ölkabinett. Der Ölumsatz war schon durch die damals genutzten vielen Zweitakter relativ groß. Jede Marke legte aber Wert darauf, dass ausschließlich ihre Öle – Motorenöle – an „ihren Tankstellen“ verkauft wurden.

Für die Tankstellenbetreiber war es aber das bessere Geschäft, wenn sie andere Markenöle, wie z.B. Castrol,  verkauften. Dieses Öl verkaufte ich dann z.B. an ARAL- und Shell-Tankstellen. Deren Pächter durften sich nur nicht dabei erwischen lassen.

Das ist in diesem Buch natürlich nicht so zu lesen. Auch steht da nichts von den „normalen Zwangsmaßnahmen“ der Öl-Konzerne geschrieben, die sich für das Aufstellen von Markensäulen und Verbuddeln der Tanks dann eine Grunddienstbarkeit ins Grundbuch eintragen ließen, wenn ihnen das Grundstück nicht gehörte. - Die Betroffenen hatte oft keine Ahnung, was das eigentlich bedeutete.

Ich habe in jener Zeit Grundstücke für den Bau von Tankstellen gekauft. Den Grundstücksbesitzern habe ich erzählt, dass mein Vater mir eine Existenz schaffen wolle. Hätte ich einen Tankstellenbau erwähnt, wären die Grundstückspreise höher geworden. Beim Notar wurde dann als Käufer ein „Dritt-zu-Benennender“ eingetragen.

Ich habe so auch erfahren, wie oft – das war am Niederrhein - die katholische Kirche Besitzer jener Grundstüćke war, die mich für einen Tankstellenbau interessierten. Ich habe so manchmal auch erfahren, wie die Kirchen-Organisation in den Besitz dieser Grundstücke gekommen war. - Nach meiner Erinnerung habe ich niemals von der Kirche ein Grundstück kaufen können. - Es wurde nur getauscht. - Natürlich gegen ein größeres, wertvolleres Grundstück!

Das war die Zeit in der ich nicht nur viel gelernt, sondern auch begriffen habe:

  • Benzin verdirbt den Charakter! - Besonders den jener Menschen, die in der Branche tätig sind!

Ob die Herren Winterkorn, Diess und die vielen hier Ungenannten, das auch begriffen haben?

Natürlich ist in diesem Buch davon nicht die Rede, aber wohl, dass die einzelnen Mineralöl-Konzerne schon recht früh begonnen hatten, sich von ihren Konkurrenten z.B. durch die Treibstofffarben zu differenzieren. Einige meiner Leser werden ARAL-Treibstoff schon am Blau erkennen und der „Tiger im Tank“ war eben rot! - DEA-Treibstoff war grün.

Wenn ich schon mal aushilfsweise – weil z.B. ein Fahrer krank war – morgens um 5 Uhr bei der Raffenerie in Duisburg-Ruhrort geladen habe (ich bin seit meinem 17. Lebensjahr auch im Besitz des Führerscheins der damaligen Klasse 2), dann lud ich in die Tanks meines Lkw – evtl. mit Hänger - den gleichen Treibstoff, wie die Lastzüge von ARAL und ESSO neben mir. Ich habe dann grüne Farbbeutel in meine Tanks geleert, die anderen färbten das gleiche Benzin in ihren Tankzügen dann mit Blau und Rot. - Aus „No-Name“- wurde so Marken-Treibstoff. - Damals um 60 Pfennig pro Liter! - Wir bekamen erzählt, dass in den Beuteln nicht nur Farbe war, sondern auch die wichtigen Zusatzstoffe, die jedes Markenbenzin zu etwas Besonderem machen sollten.

Auch das findet man in diesem Buch durch Text und Fotos bestätigt. Der Buchautor war immer als Journalist unterwegs, ist heute in der Pressearbeit tätig. (Unter uns: Er ist Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der C. & A. Veltins Brauerei in Rüthen.) Nicht erst seit gestern beschäftigt er sich aber mit der gesellschaftlichen Entwicklung im Wirtschaftswunderland Deutschland.

Er schafft in seinem Buch, mit vielen – wirklich informativen – Fotos, ein gutes Bild von der Entwicklung der Tankstellen-Kultur in Deutschland, die auch wesentlich unser Wirtschaftswunder bestimmt hat. - Und noch wunderbarer – aktuell immer noch mit bestimmt!

  • Es ist zwar eine Veränderung in Sicht, aber keine Änderung!

Man sollte dieses Buch lesen und – der vielen interessanten Fotos wegen – auch genau hin schauen, um die sich abzeichnende aktuelle Bewegung, hin in eine scheinbar neue Richtung, richtig bewerten zu können.

Denn jede Veränderung braucht eine stimmige, passende Infrastruktur! - Aber nicht nur! - Es gilt:

  • Das Gesamt-Konzept muss stimmig sein!

Daran wird man als Leser dieses Buches erinnert. Das Automobil der damaligen Zeit war/ist (!)  vom Gesamtkonzept stimmig! - Man sollte aus der Vergangenheit lernen, wenn man die Zukunft bestimmen will! - Da liefert dann dieses Buch aus dem KLARTEXT-Verlag (ISBN 978-3-8375-1987-7) zum Preis von 29,95 € interessante und – so empfinde ich es – notwendige Denkanstöße!

Wenn man das Denken nicht der „KI“, der künstlichen Intelligenz überlässt!

MK/Wilhelm Hahne
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