Michael May: Eine Reise in 1979 zu ihm nach Genf!

Es ist der Verdienst des Kollegen Karsten Arndt aus Hamburg, mit den aktuell – heute - richtigen Mitteln, „Leute von gestern“ wieder ins Lampenlicht zu stellen und ihnen in seiner Serie „Alte Schule - die goldene Ära des Automobils“ den Platz einzuräumen, den sie auch verdienen. Seine Serie, auf „youtube“ verbreitet, hat inzwischen mehr als 37.000 Abonnenten. - Ab und an höre und sehe ich mal rein. Denn man kann dort sowohl „Leute von gestern“ in Videos sehen, als wohl auch andere nur hören, weil sie „ihre Geschichte“ – und Geschichten – im „Podcast“ (kann Audio und Video sein) erzählen. - Da gibt es durchaus eine Menge Seher und Zuhörer, die sich dann mit einem guten Whiskey oder einem Glas Rotwein (oder mehr) im Sessel zurück lehnen und den Leuten aus der „goldenen Ära des Automobils“ lauschen. Es sind Leute einer Generation, in der man sich vielfach noch so gab wie man war und sagte, was man dachte. Das ist mit modernen Managern, Technikern, Ingenieuren und Rennfahrern kaum noch möglich. - So war denn auch wegen seiner interessanten Darstellung die „Ausgabe“ von „Alte Schule“, ein Podcast, das am  4. März 2021 mit Michael May ausgestrahlt wurde, ein voller Erfolg. - Wenn es Sie interessiert: Mit einem Klick HIER sind sie da. - Eine Reihe der Zuhörer haben sich danach – nach einem Lauschen über rd. 1,5 Stunden -  begeistert in ihren Kommentaren geäußert. - Das hat mich dazu gebracht, eine alte Geschichte von mir noch mal hervor zu kramen. - Ich will wesentliche Teile davon hier in Motor-KRITIK noch einmal einstellen.

Michael May: Eine Reise in 1979 zu ihm nach Genf!

Mit dieser Geschichte werden sicherlich Aussagen von Michael May, in dem Podcast von Anfang  März dieses Jahres, noch mal in anderer Form wiederholt. Aber für die Hörer von „Alter Schule“, oft sicherlich deutlich jünger als der Interviewte, werden vielleicht die Ergänzungen zu schätzen wissen, die sie in meiner Geschichte finden können. Sie entstand in der Nähe vom Genfer See, wo ich Michael May und seine Frau in ihrem Haus und seinem „Labor“ besuchte. In einem Jahr, als er 45 Jahre alt wurde. - Jetzt, beim Interview in „Alte Schule“, ist er 86!

Ich habe damals irrsinnig viel Material und Eindrücke in relativ kurzer Zeit sammeln können und danach u.a. eine Geschichte geschrieben, die dem Leser einen Eindruck von der Persönlichkeit des Michael May vermitteln sollten. - Die, die ihm jetzt 2021 zuhörten, wird vielleicht interessieren, wie sich denn Michael May 1979 gab, welche Eindrücke ich sammeln  – und wie erlebt – dann niederschreiben konnte.

Um die eigentliche Geschichte zu ergänzen, hatte ich damals – 1979 -  in diese Geschichte, die in „motor magazin“ erschien, einen „Kasten“ mit so einer Art Lebenslauf einarbeiten lassen. - Den möchte ich hier zunächst einmal einstellen:

„Michael May wurde als Sohn eines wohlhabenden Vaters am 18.8.1934 in Stuttgart geboren. Er besuchte zunächst eine achtklassige Volksschule. („Es gab nur eine Lehrerin,“) Geht dann zwei Monate vor Kriegsende in die Schweiz, („Die Hälfte meiner Sippe ist schweizerisch.“) Dort besucht er eine strenge Schweizer Internatsschule. (...ähnlich Salem, nur weniger versnobt.“) Er lernt alte und neue Sprachen und macht sein Abitur. Dann studiert er in Zürich an der Eidgenössischen Hochschule Maschinenbau. Er belegt die Fächer: Aerodynamik, Leichtbau, Flugzeugbau, Turbinenbau. Aber das Schwergewicht liegt auf Motorenbau und Thermodynamik. Nach Abschluss findet er eine erste Anstellung bei Daimler-Benz im Motorenversuch und erprobt dort eine von ihm entwickelte Benzineinspritzung an DB-Motoren. („Ich habe immer nur an Dingen gearbeitet, die mir Spaß machen“.) Dann wechselt er zu Porsche in den Versuch und macht sich nach negativen Erfahrungen („Die haben ihre Zusagen nicht gehalten.“) im Jahre 1963 selbstständig. Gleichzeitig heiratet er auch. Erster Beratervertrag: Ferrari. Dann entwickelt er für SOLO Motorsägen. (...mit Einspritzung natürlich!“), ist Berater von Yamaha, arbeitet ab 1966 auch für Ford und präsentiert 1967 einen Ford mit seinem Abgas-Turbolader. 1968 werden davon 50 Fahrzeuge gebaut, ab 1969 baut er sie in kleiner Serie. Inzwischen war er ein paar Mal umgezogen. Von Schwäbisch Gemünd 1968 nach Hechingen. 1971 zog er dann privat in die Schweiz. 1973, er beschäftigte inzwischen 10 Leute, löste er seine deutsche Firma auf. Es war die Zeit der ersten Energiekrise. Es ging auch nicht so recht weiter. („Die Leute glauben: Ein Schweizer kann Schokolade machen oder jodeln; verstehen aber nichts von Motoren.“) 1974 richtet er in Steinhagen b. Güterich eine Firma ein, die die bis dahin mit Abgasturboladern (Fabrikat: Turbo-May) ausgerüsteten Fahrzeuge (3.000 Stück) ersatzteilmäßig betreut. Im gleichen Jahr gründet er auch sein „Labor“ in der Schweiz und arbeitet in der Folge für alle europäischen Firmen. Er beschäftigt sich mit Grundsatzuntersuchungen an Motoren und hält eine ganze Reihe von Patenten auf dem Gebiet des Motorenbaus. Seine letzte Entwicklung: „Fireball“. Damit kommt er (wieder einmal) genau zur richtigen Zeit. „Ich habe als Erster aerodynamische Hilfsmittel im Rennsport genutzt. Mit einem Abgasturbolader war ich auch der Erste. Nun sind wir auch mit Entwicklungen für die Verbrauchssenkung bei Ottomotoren führend.“

Das war, was ich damals als „Lebenslauf“ bis 1979 notiert habe. Dazu habe ich dann geschrieben, was ich mit Michael May bei meinem Besuch in der Schweiz erlebt habe. Zusammen mit einem Fotografen wollte nicht nur ich mir ein Bild, sondern der Fotograf auch viele Bilder machen. Zu denen habe ich heute zwar keinen Zugang, aber ich kann den Motor-KRITIK-Lesern zumindest „mein Bild“ vermitteln, das ich damals von meinem Besuch bei Michael May in der Schweiz mitgebracht habe:

„Wir sind an den Genfer See geflogen, um einen Ausblick in die Bootsmotorenzukunft zu tun. Und nun sitzen wir jenem Mann gegenüber, von dem wir uns objektive Auskünfte erhoffen. Sein Name: Michael G. May. Eigentlich ist er der Mann mit dem Vornamen „Turbo“, denn dieser Schweizer Staatsbürger, in Stuttgart geboren, ist durch seine deutsche Firma „Turbo-May“ weltweit bekannt geworden.

Er hat 1966 eine schon fast vergessene Entwicklung – nämlich die des Abgasturboladers – wieder aufgegriffen und zur Serienreife entwickelt. Dass er zu dieser Zeit verkannt wurde, stellt er schnell richtig. „Ich bin nicht verkannt, sondern nicht richtig erkannt worden.“ - Man achte auf die feinen Unterschiede!

Dabei liebt es Peter, Friedrich, Michael, Guillaume May – so seine Namenauflistung im Schweizer Pass – gerne klar und unmissverständlich. „Ich überzeichne gerne, um mich besser verständlich machen zu können.“

Diesen Eindruck haben wir denn auch gleich am Abend unseres Eintreffens beim gemeinsamen Abendessen in einem kleinen Restaurant seines Schweizer Wohnorts Rolle. Michel – so ruft ihn seine Frau, ist in Freizeit-Kleidung, locker und leger. Und genau so locker ist unser Gespräch. Einigen Vorstandsmitgliedern deutscher Automobilfirmen müssen „die Ohren klingen“,

Wir diskutieren allgemeine Motorenprobleme, sind längst – bei einem guten „Dole“ – über die ersten Minuten des vorsichtigen Abtastens hinaus, haben schnell Kontakt gefunden.

„Aber das ist doch der absolute Blödsinn“ und „Ich weiß nicht, wie ein so gebildeter Mann zu so einem Unsinn kommt“ sind bei Michel May ganz normale Kommentare zu Äußerungen von renommierten Technikern deutscher Automobilwerke. Michael May kann sich erregen, bezieht klare Positionen. Er ist eben kein „angepasster Mensch“!

Im Jahre 1962 hat er zum letzten Mal als Angestellter gearbeitet. Damals bei Porsche in der Versuchsabteilung. Er bemühte sich um die Rennmotoren zum Formel 1-Porsche, versuchte ihnen mit der von ihm entwickelten Benzineinspritzung mehr Leistung einzuhauchen. „Porsche hat mir gegenüber nicht alle Zusagen eingehalten. Da habe ich gekündigt und mir geschworen, nie wieder als Angestellter zu arbeiten.“

Er hat dann 1963 nicht nur geheiratet, sondern auch seine erste Firma gegründet. Sein erster Kunde: Ferrari. „Was für das Genie des Herrn Ferrari spricht.“, ist sein selbstbewusster Kommentar. „Ich habe dort die Rennmotoren thermodynamisch optimiert und 1964 ist dann auch Surtees Weltmeister geworden.“

Michael May hat aber nicht nur eine Automobil-, sondern auch eine Boots-Vergangenheit. Darum sind wir auch an den Genfer See gereist. Darum ist auch unser Gesprächs-Thema am nächsten Tag: Bootsmotoren.

Der Michael May, den wir an diesem Morgen kennenlernen, ist ein anderer als am Abend vorher. Er trägt einen grauen Anzug, ein dazu passendes blaues Hemd mit dezent gemusterter Krawatte. Sein angegrautes, kurzgeschnittenes Haar ist ordentlich frisiert. Das ist nicht mehr der „große Junge“ von gestern Abend. Das ist der sorgsam abwägende Techniker und Kaufmann. In dieser „Verpackung“ wird er sicherlich auch von der Industrie akzeptiert. Auch seine Art zu sprechen hat sich geändert. Da gibt es keine spontane Ausbrüche mehr. Er versucht, mit wohlgesetzten Worten gleich „ins Reine“ zu sprechen. Doch seine Sätze geraten jetzt endlos lang, da er immer wieder erklärende Zwischensätze einschiebt.

Doch diese „Manager-Fassade“ des Michael G. May, Inhaber der AIR S.A, der Antipollution Industrial Resarch, verliert sich in jenem Moment, wo er für Fotoaufnahmen auf dem Genfer See seine gut geschnittene Jacke ablegt, die Krawatte abbindet und in eine für die Bootsfahrt passende Windjacke schlüpft.

Als er dann am Steuerstand seines „Coronet“ steht, ist er wieder ganz der „große Junge“. Seine hellblauen Augen leuchten, wenn er jetzt mit einer schnellen Wende die richtigen Lichtverhältnisse für den Fotografen herstellt, aber den gleichzeitig aus dem Gleichgewicht bringt. - Michael May bringt gerne Leute aus dem Gleichgewicht! - Nicht nur jetzt bei der Bootsfahrt. Auch sonst. Durch seine Arbeiten, seine Äußerungen.

Michael May ist zwar in diesem Jahr 45 Jahre alt, aber er hat noch nicht die Abgeklärtheit eines Mannes im besten, im „reifen“ Alter. Seine Grundeinstellung ist optimistisch. Auch seine vorhandene negative Industrieerfahrung hat ihn nicht resignieren lassen. „Ich bin Löwe“, sagt er, glaubt aber im Laufe der Jahre „etwas milder“ geworden zu sein.

Dieser „milde Löwe“ kurvt jetzt mit uns über den Genfer See und erzählt begeistert von seiner „aktiven Bootszeit“. Da steuerte er vor Jahren ein Off-Shore-Boot über einen See, angetrieben von Sechszylinder-Dreiliter-VOLVO-Motor. Natürlich mit Abgasturbolader Marke „Turbo-May“. Aus dem kultivierten VOLVO wurde so ein 600 PS-Renntriebwerk. „Bis zur ersten Boje war ich immer der Schnellste“, erzählt May lachend und macht damit schon eine Aussage über seine unterschiedlichen Qualitäten als Konstrukteur und Rennfahrer. Sein „Rennfahren“ erschöpfte sich im Gasgeben. Doch als Konstrukteur leistete er so gute Arbeit, dass das eben „bis zur ersten Boje“ immer reichte.

Kein Wunder, dass sich auch eine so bekannte Außenborder-Herstellerfirma wie YAMAHA um Michael May bemühte. „Ich war technischer Berater des Vorstandes“, erklärt er seine damalige Funktion dort. Für YAMAHA hat er an der Direkteinspritzung für Zweitakter gearbeitet, sich mit einem mit Butangas angetriebenen Yamaha-Außenborder beschäftigt, hat neue konstruktive Lösungen zur Vermeidung von Spülungsverlusten beim Zweitakter untersucht.

„Doch der technische Aufwand stand nicht immer im Verhältnis zum Effekt. Diese Versuche habe ich zu einer Zeit gemacht, als das Benzin noch 60 Pfennige kostete. Was nutzte da eine Einsparung von 12 Prozent? Vor allen Dingen bei einem Außenbordmotor, der höchstens 60 – 100 Stunden pro Jahr im Einsatz ist. Da spielte die Erhöhung des Anschaffungspreises durch die aufwendigere technische Ausstattung die größte Rolle, weil sie sich – z.B. durch eine Verbrauchsminderung – im Laufe eines Jahres nicht wieder einspielen ließ.“

So beendete Michael May auch seine Arbeiten für Yamaha, „da ich klar erkannte, dass die Zukunft beim Viertakter liegt“.

Michael May versucht eben immer ehrlich zu sein. Auch wenn ihn das Geld kostet. So hält er „nur unter bestimmten Voraussetzungen“ etwas von einem Bootsmotor mit Abgasturboladung. Dabei hätten wir von ihm erwartet, dass er als „Turbo-May“ nun das hohe Lied der Turboaufladung singt.

„Für ein Boot mit einem bestimmten Betriebspunkt, also einem Frachtschiff zum Beispiel, das regelmäßig zu 85 Prozent ausgelastet ist, da kann ich durch eine Turboaufladung eine Verbesserung des spezifischen Treibstoffverbrauchs erreichen.“

Er findet es einfach sinnlos, wenn ein „Daycruiser“ sich nicht nur für eine kleine Kreuzfahrt mit Freunden rund 2.000 Liter Süßwasser, 10 Kästen Bier, 5 Karton Champagner und ähnlich wichtigen Dingen vollpackt, sondern auch noch motorisch „so aufgeplustert“ werden soll “meinetwegen durch eine Abgas-Turboaufladung“ – dass man damit noch Wasserski laufen kann. „Ich muss als Bootskäufer wissen was ich will“, sagt er aus eigener Erfahrung. „Wenn ich wirklich Wert auf einen wirtschaftlichen Betrieb meines Bootes lege, kaufe ich mir einen „Verdränger“ und motorisiere ihn so ausreichend, dass das Boot seine ideale Reisegeschwindigkeit im Bereich des oberen Teillastbereichs erreicht. Das sind ungefähr 2/3 der Nenndrehzahl.“ Im Normalfall fährt man so – nach Michael May – im Bereich des günstigsten Wirkungsgrades und damit verbrauchsgünstig.

„Wenn man wirklich auch Wasserski laufen will, kauft man doch besser ein kleines Schlauchboot oder einen anderen Flitzer zusätzlich. Das ist viel vernünftiger.“

Keine Frage, dass Michael May für den Viertaktmotor ist, sowohl als In-, als auch als Außenborder. - Aus Sicht des Technikers, bitteschön! - Dieselmotoren würde er nur für größere Boote und „lange Törns“ empfehlen. Da sind auch leichter schalldämpfende Maßnahmen zu verwirklichen. „Außerdem“, so Michael May, „kann ein großes Boot auch viel leichter die Mehr-Kilogramm verkraften, die ein Dieselmotor eben aufweist.“

Aber er rät dazu, auch einen Dieselmotor „eher eine Nummer zu groß, als zu klein zu kaufen.“ Wenn man einen Diesel Volllast fährt, so kommt „der Motor in die Russgrenze hinein und ist nicht mehr verbrauchsoptimiert“. Michael May zitiert in diesem Zusammenhang ein altes Sprichwort, das auch beim Bootskauf gilt: „Zu wenig und zuviel, verdirbt jedes Spiel!“

Während sich Michael May über die Einsatzmöglichkeiten eines Bootsmotors mit Abgasturboladung sehr zurückhaltend äußert, sprudelt er förmlich über, als wir auf sein „Fireball-System“ zu sprechen kommen. Ein Zweiliter-VOLVO-Inborder, damit ausgestattet, käme bei Konstantbetrieb – so Michael May – „zu einer Verbrauchsreduzierung von 16 – 22 Prozent“. „Fireball“, dieses für Michael May natürlich geschützte Verbrennungssystem erlaubt die Verwendung von höheren Verdichtungsverhältnissen bei vorgegebener Treibstoffqualität. So werden hiermit Verbrauchsreduktionen im Teillastbereich möglich.

„Es hat aber keinen Sinn, wenn man mit einem Schlag nur eine Fliege erwischt. Man muss mindestens drei Fliegen erwischen. Sonst ist eine neue Idee nicht tragfähig.“ So erklärt Michael May volkstümlich, warum sein „Fireball-System“ nur ein Erfolg werden kann. Die am Ende konstante Ausbildung der von ihm entwickelten Brennraumform bewirkt, dass sehr viel magere Gemische aussetzerfrei sehr schnell verbrannt werden können. Dadurch – und mit der Verdichtungserhöhung – lässt sich die erhebliche Menge Treibstoff einsparen.

Für sehr wichtig hält Michael May, dass sich sein „Fireball-System“ auch mit minimalem Kostenaufwand für die Serie verwirklichen lässt. „Es lässt sich auf vorhandenen Transferlines oder Bearbeitungsmaschinen darstellen. Es beinhaltet lediglich eine Änderung der Gusswerkzeuge. Die müssen aber sowieso nach 10.000 Abgüssen nachgearbeitet werden.“ Darum interessieren sich auch Automobilfirmen für sein neues Verbrennungs-System. Dort sind die Stückzahlen eben größer als im  Bootsmotorenbau.

Natürlich wird beim „Fireball-System“ auch der Ausstoß an Abgas entsprechend der geringeren verbrauchten Treibstoffmenge geringer. „Die CO-Emmmission verringert sich in der Größenordnung um 60 Prozent. Wir sind damit bei Werten, die sehr gering sind und damit in etwa denen von Dieselmotoren entsprechen.“

Wir sind inzwischen von seiner Wohnung, einem ruhigen, in einem kleinen Park gelegenen Besitz, mit dem beziehungsreichen Namen „Bel Air“, hinüber in sein „Labor“ gefahren. Michael May nennt in Gesprächen sein Institut nur „Labor“. „Institut ist mir zu hochtrabend“, versucht er die Bezeichnung für seine  Betriebsräume zu erklären. Das „Labor“ erscheint uns wie eine Maschinenhalle. Auf unsere entsprechende Frage erklärt Michael May, dass er für seine Versuchsobjekte alles selbst herstellen muss. Von einer Metallhülse bis zur kompletten Einspritzanlage.

„Selbst?“ - Michael May lacht. „Nein, ich kann nicht alles, bin kein Alleskönner. Aus der Sicht vieler Leute aber ein Besserwisser. Nur dass ich meistens auch recht behalte.“ - Er stellt uns seinen Assistenten, einen gelernten Werkzeugmacher vor. Günther Vogt (35) ist seit 17 Jahren (!) bei ihm. „Der ist mir lieber, als 20 Diplom-Ingenieure von Daimler-Benz“, versucht Michael May das Können seines langjährigen Mitarbeiters zu umschreiben. Der ist in diesem „Labor“ Herr über einen Maschinenpark und Messinstrumenten im Wiederbeschaffungswert von 2,5 – 3,0 Millionen Mark. „Ohne diese Ausstattung wäre keine vernünftige Arbeit möglich.“

Wir verstehen jetzt auch, warum er sich in den letzten Jahren mehr um den Automobil- als um den Boots-Motor gekümmert hat. „Das ist das Problem bei den ganzen Entwicklungen speziell für den Bootssport, dass man das nicht wieder bekommt, was man einsetzt“, meint Michael May fast traurig. Denn irgendwie hängt er an allem, was mit Booten zusammen hängt.

„Aber schließlich müssen wir auch Geld verdienen“, meint auch seine Frau ganz sachlich. Sie ist praktisch der kaufmännische Teil des Unternehmens. „Michel steckt immer voller neuer Ideen. Ich muss sehen, dass sie auch kommerziell  nutzbar sind.“ Frau May kümmert sich auch um alle Termine.

Während wir dort sitzen, flattert gerade wieder eine Einladung zu einer 14tägigen Vortragsreise nach Australien auf den Tisch. „Und nächste Woche sind wir für acht Tage in England“, sagt Frau May fast vorwurfsvoll. „Reisen sind ja ganz schön, aber schließlich müssen wir ja auch arbeiten.“

Wir fühlen uns fast angesprochen. Schließlich haben wir Michael May mehr als einen Arbeitstag mit unseren Fragen gestohlen. Aber immer hat er uns das Gefühl gegeben, dass es – zumindest im Moment – nichts Wichtigeres gab, als unseren Besuch.

Er lässt es sich auch nicht nehmen, uns noch persönlich zum Flughafen Genf zu bringen. Mit einem Ford Fiesta, dessen 1,6 Liter-Motor er mit seinem „Fireball-System“ umgerüstet hat. „Der verbraucht jetzt weniger“, sagt er stolz, „als ein Golf-Diesel.“

Das würde sich mancher Bootsbesitzer auch von seinem Viertakt-Inborder wünschen. - Wir haben wieder mal laut gedacht. Michael May lacht und meint: „An mir soll’s nicht liegen. Mit mir kann jede interessierte Firma darüber sprechen.“

Gegen eine „kleine Schutzgebühr“, versteht sich!“

Hier endet mein Bericht. - Da ich ihn aber für eine Zeitschrift erarbeitete, die nicht nur zu Anfang den Zusatz auf der Titelseite trug: „NEU – Die Zeitschrift für alles was Männer bewegt“, sondern auch mit 6,00 DM zu den teuren Motor-Zeitschriften gehörte, hatte ich meine „May-Geschichte“ noch mit Informationen versehen, denen die Leser entnehmen konnte, welche Meinung Michael May zu bestimmten technischen Lösungen im Jahre 1979 hatte. So war dann zu lesen:

„...Michael May sagte über…

...Turbolader:

„Der Abgasturbolader ist auch kein Allheilmittel mehr. Es ist unmöglich, mit einem Turbolader über das gesamte Lastkennfeld hinweg Vorteile zu haben. Man erkauft sich damit auch Nachteile, so dass bei einem Bootsbetrieb mit stark variierender Belastung des Motors, unter dem Strich davon abzuraten ist, mit Aufladung zu fahren. Die Abgasturboladung ist um so interessanter, je größer das Basistriebwerk ist. Bei kleinen Motorengrößen ist der Gasdurchsatz so klein, dass ein Turbolader nicht mehr sinnvolle Wirkungsgrade erreichen kann. Das ist physikalisch bedingt. Der Lader ist eine Strömungsmaschine und kann mit kleinen Gasmengen nicht optimal arbeiten.“

...Verbrauchseinsparung durch Turbolader:

„Im direkten Vergleich, wenn beide Versionen – die Saugversion und die aufgeladene – optimal eingestellt und parallel gefahren werden, ist der mögliche Verbrauchsvorteil vielleicht 5 Prozent.“

...Leistungserhöhung durch Turbolader:

„Die kann beim Benzinmotor bis zu 70 Prozent betragen. Beim Dieselmotor etwas weniger. Eine gute Ausgangsbasis bei Benzinmotoren sind Triebwerkseinheiten mit einer Basisleistung ab 120 PS. Bei Dieselmotoren beginnt diese Grenze schon früher. Sagen wir: Bei 60 PS.“

...Verbesserungen an Zweitakt-Außenbordmotoren:

„Eine drastische Absenkung der Verbräuche beim heute so viel genutzten Zweitaktmotor ließe sich nur durch eine direkte Einspritzung des Treibstoffs erreichen. Die Einsparung würde im Schnitt rund 40 Prozent betragen. Das hört sich gewaltig an, bringt aber – am gesamten Welt-Treibstoffverbrauch gemessen – nur sehr wenig. Die großen Verbräuche werden von einer relativ kleinen Zahl von von Außenbordern gefahren. Die große Familie der Außenborder ist jedoch im Bereich von 5 – 25 PS angesiedelt. Und da sind die Verbräuche noch überschaubar.“

...Nachteile bei der Direkteinspritzung im Großserien-Außenbordmotor:

„Die Direkteinspritzung ist leider sehr kostenintensiv. Außerdem benötigt sie getrennt seine Öldosiervorrichtung, die dem Motor das notwendige Öl zuführt. Technisch gesehen ist das kein Problem, aber es kostet wieder Geld. Wägt man Kosten und Nutzen solcher fortschrittlichen Leistungen gegeneinander ab, versteht man, warum es die nicht in Großserie gibt.“

...Gemischschmierung beim Zweitakt-Außenbordmotor:

„Die bisherige Maßnahme der Gemischschmierung stellt eindeutig das zuverlässigste Mittel dar, um den Motor vor Schäden zu bewahren. Der gemischgeschmierte Zweitakter ist in Korrosionsproblemen dem Viertakter überlegen. Leider wird das Öl nicht vollkommen genutzt und tritt zusammen mit den Spülverlusten aus. Zwar nicht in gleichem Maße wie die verdampften Benzinkomponenten, aber doch in erheblichem Ausmaß.“

...die weitere Reduzierbarkeit des Mischungsverhältnisses von Öl zu Benzin:

„Technisch gesehen kann das Mischungsverhältnis noch weiter (als 1:100) reduziert werden. Praktisch wird das aber sehr schwierig. Es entsteht dann nämlich die Problematik: Mit welcher Zuverlässigkeit kann dann noch gemischt werden? Je geringer der Ölanteil,desto größer kann der Fehler werden. Wir haben in Experimenten Grenzwerte ermittelt. Um zu schauen, wann ein Motor festgeht, sind wir Mischungsverhältnisse von 1 : 1000 gefahren. Wir wussten aber schon, dass das für den Serienbetrieb absurd ist.“

...ein andere Möglichkeit der Schmierung eines Zweitakt-Außenborders:

„Wir haben das Öl – wie bei einem Viertakter – im Kreis herum geführt. In Tropfenform, nicht in Form von dicken Strahlen. Man muss danach trachten, es im Kurbelhaus zu lassen. Der Aufwand für ein solches System war nicht groß. Wir mussten uns aber fragen: Ist es sinnvoll? Es entstehen nämlich bei so einer Schmierung beim Starten eines neuen Motors einige Probleme. Man müsste eine Ideal-Ölmenge vorgeben und, und, und“.

...die „Ölverpestung“ des Meeres durch Zweitakt-Außenborder:

„Das geschilderte Öl-Zirkulationssystem hätte praktisch gar keinen Sinn, sondern vielleicht lediglich eine Alibi-Funktion gegenüber Umweltschützern. Tatsache ist, dass die Ölrückstände vom Meer sehr schnell abgebaut werden. Und auf Süsswasser-Seen ist der Zweitakter zum größten Teil schon heute verboten. Doch das Meer verkraftet offensichtlich auch noch viel größere Ölmengen. Beispiel: Wenn Ölbohrungen ihr Öl ins Meer sprudeln, oder bei Tankerkollisionen, können tausende Tonnen Rohöl vom Meer „verarbeitet“ werden.“

...den mit Butangas betriebenen Zweitakt-Außenbordmotor:

„Ich habe mit einem kleinen YAMAHA-Außenbordmotor einen solchen Prinzipversuch durchgeführt und den Motor mit Butangas betrieben. Ich wollte den Freizeit-Bootfahrern das Leben leichter machen. Butangas ist bei den Wochenend-Shippern immer an Bord vorhanden. Damit hätten wir auch eine potentielle Gefahrenquelle – die das Benzin an Bord eines Bootes ohne Zweifel ist – beseitigt. Wir hätten damit nur noch eine Treibstoffart – und damit eine Gefahrenquelle – an Bord gehabt und damit auch mehr Sicherheitsaufwand auf diese eine Treibstoffart verwenden können. Natürlich verlangt der Betrieb mit Butangas nach einer Getrenntschmierung. Wir haben bei unseren Versuchen eine Lösung erprobt, die das Verlieren von erheblichen Schmierölmengen durch die konventionellen Überströmkanäle direkt in den Auslass weitgehend vermieden hat.“

...das „Fireball-System“:

„Damit sind bei Konstantbetrieb Einsparungen in der Größenordnung von 16 – 22 Prozent möglich. Es erlaubt die Verwendung von höheren Verdichtungsverhältnissen bei vorgegebener Treibstoffqualität. Die am Ende konstante Ausbildung des Verbrennungsraums bewirkt außerdem, dass durch eine reproduzierbare, auch genau definierbare Bewegung der Ladung vor und während der Verbrennung, sehr viel magere Gemische aussetzerfrei verbrannt werden können. Entsprechend der geringeren verbrauchten Treibstoffmenge ist auch der Ausstoß an Abgasen geringer. Dieses „Fireball-System“ lässt sich außerdem mit minimalen Kostenaufwand in der Großserie verwirklichen.“

..dem idealen Allzweckmotor:

„Den gibt es genau so wenig, wie es das ideale Allzweck-Boot gibt. Ein Käufer muss wissen, was er von seinem Boot und Motor will. Die bessere Lösung ist meistens, sich für verschiedene Einsatzgebiete verschiedene Boote mit den dazu passenden Motoren zu kaufen.“

Damit endet dann die Wiedergabe einer Geschichte aus dem Jahre 1979, erschienen in einem Motor-Magazin mit dem Titel „motor magazin“. - Dem Heft war kein Verkaufserfolg beschieden, weshalb es auch nach relativ kurzer Zeit wieder eingestellt wurde. Herausgeber war der Heinrich Bauer Fachzeitschriftenverlag in Köln.

Heute sucht man vergeblich, wenn man im Internet nach dem Titel sucht. Es ist der Beweis dafür, dass auch das Internet „vergesslich ist“. - Dass nicht alles richtig ist, was heute im Internet zu lesen ist, ist wiederum eine andere Sache.

MK/Wilhelm Hahne

...zur Erinnerung: Vorstehende Geschichte wurde vor rd. 42 Jahren geschrieben. - Da freut sich der Journalist von damals, dass sowohl der damals Interviewte als auch er heute noch leben und man den Fortschritt – nicht nur in der Motorenentwicklung, sondern auch den im Umweltschutz – heute an einer solchen Darstellung messen kann. - 42 Jahre Entwicklung? - 42 Jahre Fehlentwicklung? - Wenn meinen Lesern dazu etwas einfällt: Bitte melden!

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