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Die wichtigste Station in seinem Leben war Wien, wo er geboren wurde. So war er österreichischer Staatsbürger, hat dann im Engadin (Schweiz) ein Internat besucht, in Zürich Maschinenbau studiert, in Stuttgart den legendären Porsche 917 geschaffen, in einem eigenen Konstruktionsbüro für Mercedes einen Fünfzylinder-Dieselmotor (OM617) konstruiert, in Ingolstadt den ersten Pkw mit Fünfzylinder-Ottomotor und auch den „quattro“ auf den Weg gebracht, hat in Wolfsburg VW wieder in die Gewinnzone gesteuert, Bentley gekauft, Bugatti, Lamborghini, Giugiaro (Italdesign) und Ducati übernommen, das Lkw-Geschäft ausgebaut, Porsche geschluckt, VW dann 2015 sich selbst überlassen und nun -
Out of Rosenheim: Ferdinand Piech ist tot!
Aus Sicht unserer modernen Gesellschaft war er ein schwieriger Mensch. Ein „Autokrat“, so kann man jetzt lesen. Aber man meint Unterdrücker, Tyrann, Diktator. - Richtig wäre:
- Er war ein Führer, ein Souverän!
Seine Diplomarbeit hatte er zur Entwicklung eines Formel 1-Motors geschrieben und sein Leben lang war er auch um die Verwirklichung, die Umsetzung von besonderen Ideen auf dem Motorensektor bemüht. Seine Ideen dazu waren z.T. zu genial für die Serienfertigung. Man denke nur an die „W“-Motoren oder andere Entwicklungen, die bei VW zumindest versucht wurden, aber nicht immer in einer Großserienfertigung perfekt umsetzbar waren.
Hat Ferdinand Piech vielleicht deshalb Bugatti - die Markenrechte - gekauft? - Heute wird dort ein Sportwagen mit 16-Zylinder-VV-R-Motor (ein „unechter“ W-Motor) gefertigt, den auch seine Frau privat fährt, mit einem Motor, dessen Grundidee von ihrem Mann stammt!
In Wolfsburg war für Ferdinand Piech immer ein Parkplatz bei den Motorenprüfständen reserviert und abends, wenn die Arbeit in der Verwaltung ruhiger wurde, fuhr er – damals noch als VW-Vorstandsvorsitzender – oft dorthin, um „nach dem Rechten zu schauen“.
Die Mitarbeiter an den Prüfständen, beschäftigt mit Motoren-Neuentwicklungen waren begeistert von ihrem Chef, wenn der ihnen - nachdem sie ihm ein Problem geschildert hatten – mit schnellen Strichen auf einem Stück Papier eine mögliche Lösung aufzeichnete.
Ferdinand Piech war in Wolfsburg nicht überall beliebt. Das war er eigentlich in seiner gesamten Berufszeit nirgendwo so richtig. Er legte auch keinen Wert darauf, den Unterschied zwischen sich und seinen Mitarbeitern zu verniedlichen.
Bei Porsche in Stuttgart kreidete man ihm an, dass er Mitarbeiter ansprach, die – nach seiner Ansicht – zu lange Toilettenpausen machten. Bei Audi in Ingolstadt murrten manchmal seine Vorstandskollegen, weil sie noch so spät in ihren Vorstandsbüros herumsitzen mussten.
Ferdinand Piech erwartete, dass jeder seiner Kollegen so lange für ihn erreichbar und sofort ansprechbar war, so lange er in seinem Chef-Büro arbeitete. Da brannten dann abends in den Vorstandsbüros die Lichter so lange, bis die Herren aus dem Fenster den schwarzen Dienst-Audi des „Chefs“, Ferdinand Piech, über eine Brücke fahren sahen. Vorher – vorher hatten die Kollegen einfach in Büros herum gesessen, eigentlich nichts mehr getan, vielleicht ein wenig gelesen und nur darauf gewartet, dass evtl. Ferdinand Piech sie zu einem Gespräch bitten würde. - Oder auch nur eine schnelle Auskunft von ihnen erwartete.
- Aber niemand hat aufgemuckt! - Piech wurde von allen als Chef – und ihnen überlegen – respektiert!
Ferdinand Piech wusste um seine Macht, die er niemals öffentlich dargestellt hat. Er hat sich gerne mit Mitarbeitern umgeben, die er für besonders fähig hielt, die aber – früher oder später – aufgrund der überlegenen Persönlichkeit eines Ferdinand Piech, zu seinen „Versallen“ wurden. Aber durch die Umsetzung von vielen guten Weisungen und Ideen eines Ferdinand Piech kam es auch schon mal bei denen zu einer persönlichen Fehleinschätzung der eigenen Fähigkeiten, weil sie Piechs Ideen wohl schließlich als ihre eigenen empfunden haben.
Wie das wohl bei Martin Winterkorn der Fall war. Es ist – aus meiner Sicht – eine Fehleinschätzung, wenn man davon ausgeht, dass Ferdinand Piech an der Durchsetzungskraft dieses Mannes – und dessen Verbündeten – in Wolfsburg gescheitert wäre. - Er hat diese „öffentliche Meinung“ niemals korrigiert!
Als Ferdinand Piech VW im Frühjahr 2015 verließ, da wusste er genau was er tat. Denn zu diesem Zeitpunkt konnte ein Ferdinand Piech bereits abschätzen, was mit dem „Diesel-Skandal“ auf VW und die damalige Führungs-Crew zukommen würde. - Eine rechtliche Ab-Urteilung steht noch bevor, eine „öffentliche“ ist längst erfolgt!
Ferdinand Piech konnte die Charaktereigenschaften seiner Mitarbeiter immer gut einschätzen – und nutzte deren Schwächen. Man muss sich da nur an den „Rotlicht-Skandal“ bei VW erinnern, wo mit „menschlichen“ Mitteln, z.B. ein Betriebsratsvorsitzender „passend gemacht“ wurde. - Ferdinand Piech war da – natürlich - unbeteiligt.
Eigentlich – gemessen an dem, was vordergründig ablief – war Ferdinand Piech immer „der Mann im Hintergrund“. Ich habe niemals mit ihm gesprochen. Als mir – in seiner Audi-Zeit – die Bremsenschwäche bei den Serien-Fahrzeugen nicht gefiel, da habe ich nichts dazu geschrieben, sondern bei einem Testtag in Hockenheim – im Rahmen der damaligen IAA – dann einen Serien-Audi mit qualmenden Bremsen ihm vor die Füße gestellt. - Piech stand etwa drei Meter entfernt mit Paul Frére zusammen.
Piech blickte kurz hin, winkte einen Audi-Mitarbeiter zu sich und ließ ihn dann sofort „die Bremse kühl fahren“. - Ich wusste natürlich auch, dass man ein Fahrzeug nicht mit überhitzter Bremse abstellt, aber ich wollte nur die Aufmerksamkeit eines Audi-Chefs auf eine ungenügende Bremse lenken. - Begriffen?
Ferdinand Piech hat Jürgen Stockmar als Entwicklungsvorstand eingestellt und eine dessen ersten Arbeiten war, den Serien-Audis vernünftige Bremsen mit auf den Weg zu geben. - Darüber hat niemand geschrieben. Es ist auch wohl niemandem aufgefallen.
Stockmar hat dann u.a. - mit Zustimmung von Piech – an einem Audi 50 mit Mittelmotor arbeiten können, hat die Arbeiten an dem Einsatz von Audi in der Tourenwagen-Europa-Meisterschaft voran getrieben. Aus meiner Sicht war interessant zu beobachten, wie sehr man sich innerhalb des VW-Konzerns als Konkurrenten empfand. Da wurden dann von Audi z.B. Windkanalversuche in einem englischen Windkanal durchgeführt, nicht etwa in Wolfsburg, wo das sicherlich kostengünstiger gewesen wäre.
Kommentar eines Audi-Mitarbeiters:
„Aber die müssen doch in Wolfsburg nicht alles wissen, was wir hier in Ingolstadt machen!“
Das war zu Piech-Zeiten bei Audi.
Zu dieser Zeit hat Ferdinand Piech auch – aus seiner Sicht – eine kleine Niederlage hinnehmen müssen: Seine Doktor-Arbeit, die er - mit seinem ehemaligen Professor in Zürich als „Doktor-Vater“ - geschrieben hatte – wurde nicht anerkannt. Das war ihm insofern peinlich, als ihm damals schon die ersten Audi-Mitarbeiter zu seinem Dr.-Titel gratuliert hatten.
Ferdinand Piech war aber jemand, der einen Dr.-Titel auf seiner Visitenkarte nicht brauchte, um als Könner auf seinem Gebiet anerkannt zu werden.
Er war nicht gerade in der VW-Belegschaft beliebt, weil er aus deren Sicht „unberechenbar“ war. Er ist z.B. mit einem Rennrad – und Fahrradhelm - übers Wolfsburger Werksgelände gefahren, hat sich hier und da mal an einer Fensterbank festgehalten, durchs Fenster geblickt und – die zuständigen Abteilungsleiter haben sich dann gewundert, wenn sie später durch Ferdinand Piech mit Verhaltensweisen ihrer Mitarbeiter bekannt gemacht wurden, die ihnen bisher unbekannt waren.
Es ist kaum vorstellbar: Aber bei allem beruflichen Engagement dieses Mannes, der niemals einen Acht-Stunden-Tag gekannt hat, hatte er noch ein Privatleben. - Ein bewegtes. - Das alles nahm jetzt am 25. August 2019 ein Ende, als er in einem Restaurant in Rosenheim mit seiner Frau beim Essen saß.
Plötzlich und unerwartet! - Gut für ihn, für seine Frau sicherlich ein Schock! - Sie hat mein Mitgefühl!
Was seine Verwandtschaft mit den Porsches betrifft: Da hat sich mal jemand zu Ferdinand Piech mit der Bemerkung geäußert:
„Man kann sich seine Verwandtschaft nicht aussuchen!“
Genau das Gleiche hätte Ferdinand Piech wohl auch gesagt. Aber jetzt nimmt er seine Meinung mit ins Grab.
„Out of Rosenheim“ ist nicht immer eine Komödie!