Conti muss 2021 das Reifenwerk in Aachen schließen!

Das wurde bereits bei Conti in 2020 beschlossen. Eigentlich ist das keine Überraschung. Schon vorher war das Werk von der Test- und Versuchsabteilung „entlastet“ worden, die man schon Jahre vorher in die Tschechoslowakische Republik (ČSR) verlegte. In den vielen langen Jahren davor, konnte man die Uniroyal-Testfahrer immer am Nürburgring treffen.

Einzelne sind dort im Eifel-Umfeld immer noch unterwegs, weil sie den „Umzug“ nicht mit gemacht, sondern gekündigt hatten und nun für andere Reifenfirmen, die Konkurrenz von Uniroyal, unterwegs sind. - Denn auch nach der Übernahme durch den Continental-Konzern blieb die Marke Uniroyal bestehen.

Das Werk in Aachen-Rothe Erde, war eigentlich eine Gründung der Englebert-Reifenwerke Ende der 30er-Jahre. Ende der 50er-Jahre ging Englebert eine Kooperation mit dem amerikanischen Konzern Goodrich ein und firmierte in den Jahren danach unter Uniroyal-Englebert. Erst ab 1967 lief die Firma – und damit auch das Werk Aachen – unter Uniroyal. Nach der Übernahme von Uniroyal durch Conti im Jahre 1979 wurde die Marke Englebert aufgegeben.

Von der Kapazität her war das Werk Aachen mit einer Produktion von um 8 Millionen Reifen jährlich die kleinste Reifen-Produktionsstätte von Conti, die aber bisher Arbeitsstätte von rd. 1.800 Mitarbeitern war, die nun in absehbarer Zeit arbeitslos sein werden.

Im September 2020 gab es in Aachen ein Mitarbeiterinformation, in der u.a. zu lesen war:

Das hat die Gewerkschaft auf den Plan gerufen, die für die Schließung des Werkes kein Verständnis hatte, weil es bisher – so wurde behauptet – rentabel arbeitete. In der Folge wurden von der Gewerkschaftsseite Vorschläge für eine Weiterführung des Werkes Aachen gemacht, die aber von Conti abgelehnt wurden.

Nach Meinung von Motor-KRITIK ist das Werk Aachen ein Opfer der verfehlten Entwicklungspolitik der Reifenindustrie insgesamt geworden. Im Werk Aachen wurden zuletzt Reifen für ein „innovatives Reifensystem“ (Run-Flat-) gefertigt, die angeblich das „fünfte Rad im Automobil“ (das Reserverad) überflüssig machen sollte. - Das war nicht nur eine Fehleinschätzung, sondern auch eine Fehlentwicklung, die über die letzten Jahre mehrfach korrigiert und überarbeitet werden musste, weil dieses System in seiner ursprünglichen Auslegung – für die Automobilhersteller – auch die Fahrwerke zu stark beanspruchte.

Eigentlich hat die gesamte Reifenindustrie eine intelligente Weiterentwicklung des Automobilreifens verschlafen. Den Luftreifen gab es schon seit 1845 auf Kutschen. Der Schotte Robert William Thompson hatte sich seine Erfindung patentieren lassen, die dann 1887 – wieder von einem Schotten – John Boyd Dunlop – für ein Dreirad seines Sohnes, mit einem Schnuller als Ventil (!), weiter entwickelt wurde. 1891 entwickelten die Gebrüder Michelin den ersten – auswechselbaren (!) - Luftreifen für Zweiräder, der dann 1895 zum ersten Mal auf einem Automobil eingesetzt in einem Rennen über 1.200 Kilometer (Paris-Bordeaus-Paris) eingesetzt wurde. Nach 22 „Plattfüßen“ wurde man Vorletzter. - Unter diesem Gesichtspunkt ist natürlich der in Aachen bisher produzierte Run-Flat-Reifen als Fortschritt zu empfinden!

Der letzte wirkliche Fortschritt war aber eigentlich die Einführung des Gürtelreifens durch Michelin. Bis heute hat man bei der Reifenindustrie nach Meinung von Motor-KRITIK nicht begriffen, dass ein Reifen für Automobile im Karkassen-Aufbau anders gestaltet sein muss, als ein Reifen für Zweiräder, da er – quer – immer nur in einer Richtung belastet wird, also einer entsprechenden „Vorspannung“ bedarf.

Motor-KRITIK hat in der Vergangenheit mehrfach über die Entwicklung eines solchen Reifens durch eine Einzelperson, einen intelligenten Reifenentwickler, berichtet. Nach meiner Kenntnis war niemand in der Reifenindustrie bisher bereit, diese Entwicklung zu übernehmen und evtl. zu perfektionieren. - Weil diese Entwicklung das Geschäft mit „Breitreifen“ gefährdet hätte?

  • So hat z.B. auch Conti darauf verzichtet, sich auf dem Reifengebiet ein gewisses Alleinstellungsmerkmal zu sichern!

Hätte man damit vielleicht auch die Zukunft des Reifenwerkes Aachen sicherstellen können?

Die Vorschläge der Gewerkschaft sind sicherlich weniger geeignet, eine Zukunft zu garantieren!

Der technische Fortschritt – gerade beim Automobil auf vielen Gebieten zu finden – hat auf dem Reifensektor nicht stattgefunden. Auch, weil die Automobilindustrie den Reifen als wichtiges Konstruktionsteil in Verbindung mit dem Fahrwerk wohl nicht begriffen  – und bisher nur als – leider – hinnehmbaren Kostenfaktor gewertet hat, den man gering halten muss.

Es wäre gut gewesen, mal über den Schreibtischrand hinaus zu blicken!

MK/Wilhelm Hahne

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