Gleicht die Corona-Warn-App einer Warnung vor SAP?

Seit wann informiert Motor-KRITIK über eine App? - Das werden sich regelmäßige Leser dieses „Branchen-Informationsdienst“ schon fragen. - Nun, ich bin zwar Motor-Journalist, der sich bewusst in seiner Berichterstattung auf eine Branche konzentriert, weil er so seinen Lesern auch mehr bieten kann, als anderswo zu diesem Thema in einem „Eintopf“ untergerührt ist. - Aber ich bin Journalist, der natürlich nicht mit Scheuklappen durch die Welt geht, sondern schon das Umfeld der Branche, das Einfluss nehmen könnte, aufmerksam beachtet. - Und Corona ist nun mal ein Thema, das nicht nur die Automobilbranche und den Motorsport beeinflusst! - Da kommt einer Corona-Warn-App natürlich schon eine Bedeutung zu. Auch für den Software-Entwickler SAP, der für die Entwicklung dieser App von der Bundesregierung mit 9,5 Millionen Euro entlohnt wird. Natürlich gibt es noch weitere Millionen für Dies und Das, u.a. auch für die Telekom, die auch an der Corona-Pandemie mit verdienen möchte. - So ist es dann aus meiner Sicht eigentlich normal, dass ich – wie viele andere Dinge auch – die Funktionalität einer Corona-Warn-App und ihren Einfluss auf das Verhalten ihrer Nutzer mit beobachte. - Was ich beobachtet und dabei festgestellt habe, lässt bei mir die Frage auftauchen:

Gleicht die Corona-Warn-App einer Warnung vor SAP?

Unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel ist von der Funktionalität und Zuverlässigkeit dieser Corona-Warn-App überzeugt. Am 20. Juni 2020 hat sie dies in einem Podcast deutlich gemacht, nachdem diese App am 16. Juni 2020 an den Start gegangen war. Herausgeber – und dann auch Auftrageber – für diese Corona-Warn-App war und ist das Robert-Koch-Institut in Berlin.

Das gehört zur Bundesregierung, was erklärt, warum die Berechnungen dieses Instituts immer die Aussagen der Bundesregierung zu Anordnung von bestimmten Maßnahmen, aber auch Äußerungen decken. Das alles kommt aus „einem Laden“ mit unterschiedlichen Beschriftungen.

Das Robert-Koch-Institut hat also den Auftrag an SAP, ein renommiertes Software-Haus, erteilt. Und auch die Telekom wurde eingebunden. Hier Millionen, da Millionen und dann noch mal so ein paar Millionen Euro! - Diese App wird nicht von Samaritern gemacht und betreut, sondern von offensichtlich knallharten Geschäftsleuten. Darum ist es sicherlich auch richtig, den gelieferten Gegenwert kritisch zu betrachten und zu bewerten.

Frau Merkel war und ist von dieser Warn-App wohl überzeugt, wenn sie wenige Tage nach Fertigstellung und dem Zeitpunkt des – kostenlosen – Angebots für die Nutzer erklärte:

„Es hat sich gelohnt, dass wir bei der Entwicklung auf absolute Transparenz, auf umfassenden Datenschutz und höchste IT-Sicherheit geachtet haben“, betont Merkel. „Heute können wir sagen: Diese App verdient Ihr Vertrauen.“

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, habe ich mir gedacht, zumal mich interessierte, wie zuverlässig sich die App auf den iPhones und Android-Handys ihrer Nutzer darstellt. Darum habe ich sie noch in der Woche der Freigabe für die Nutzer auf zwei meiner Handys geladen: Einmal auf einem iPhone 7, einmal auf einem Handy mit Android-Software, mit dem man – will man es wirklich „nutzen“ - an einer „Google-Bindung“ nicht vorbei kommt.

So war meine erste Feststellung auch, dass sie nur im App-Store (iPhone) und Play-Store (Google) herunter geladen werden kann. Mit Hilfe meines Administrators, der ebenfalls zwei Handys, eins mit Linux, eins mit Android betreibt, konnte ich feststellen, dass es Handys die mit Linux funktionieren, in der Vorstellungswelt des Robert-Koch-Instituts und SAP nicht gibt.

Da mein Administrator sein Android-Handy ohne Anbindung an Google betreibt, war festzustellen, dass er ohne Anmeldung bei Google auch nicht die App herunter laden konnte. Also hat er sich angemeldet, die App herunter geladen – und sich dann wieder bei Google abgemeldet. - Und die Corona-Warn-App war funktionsunfähig!

Direkt nach Erscheinen der App stieg die Zahl der Nutzer sehr schnell auf 15 Millionen und bewegt sich jetzt nur noch sehr langsam nach oben. Ob das auch daran liegt, dass man es nicht auch bei „freien Anbietern“ herunterladen kann, oder daran, dass es sehr viele Handy-Nutzer gibt, die Google inzwischen – durch deren inzwischen erreichte Monopolstellung auf einem Sektor – als Bedrohung empfinden? - Ich kann es nicht sagen.

Indem man aber eine „freie Software“ (Linux) diskriminierte und die „Verteilung“ der App nur zwei Monopolisten übertrug, hat man nicht gerade optimale Voraussetzungen zur Verbreitung dieser eigentlich von der angedachten Funktionalität her sehr wichtigen App in diesen Corona-Zeiten geschaffen. - Dabei war auch Frau Merkel der Meinung:

„Je mehr mitmachen, desto größer ist dieser Nutzen.“

Ein anderer „Großer“ (als Softwareanbieter), hat dann den Auftrag zur Entwicklung dieser App erhalten. Wie die Auftragsvergabe abgewickelt wurde, soll hier nicht hinterfragt werden, denn es sollte auf jeden Fall schnell gehen. So kam nicht nur die SAP ins Geschäft, sondern auch die Telekom. Die im SPIEGEL genannten Zahlen sind nicht anzuzweifeln, so dass ich diese Darstellung hier noch einmal zitieren möchte:

„...Demnach entfallen auf den Softwarekonzern SAP rund 9,5 Millionen Euro für die App-Entwicklung, zuzüglich Umsatzsteuer, plus zwei Millionen für die Wartung der Software in den Jahren 2020 und 2021. Auf die Telekom-Tochter T-Systems entfallen maximal 7,79 Millionen Euro für die Inbetriebnahme (ebenfalls plus Steuern) sowie 43 Millionen Euro für den Betrieb der App. Darunter fallen Kosten für die Wartung und den Betrieb der Server, für die Infrastruktur, die IT-Security sowie die Hotline.
...
Für Wartung, Pflege und Betrieb der App und anderer Komponenten veranschlagt der Bund in diesem und im kommenden Jahr insgesamt rund 48 Millionen Euro, allerdings inklusive Umsatzsteuer, die zum Teil an ihn zurückfließt. ...“

Bei SAP haben wohl – so mein Eindruck – zwei unterschiedliche Teams bei gleicher Aufgabenstellung an der Entwicklung der App gearbeitet, die sich dann auch in Kleinigkeiten unterscheiden. So ist ein Screenshot von der App-Oberfläche mit einem iPhone durchaus möglich, während bei einem solchen Versuch auf einem Android-Handy der Hinweis erscheint, dass ein Screenshot mit diesem Handy nicht möglich ist.

Auf dem Android-Handy werden nach 14 Tagen „14 von 14 Tagen aktiv“ angezeigt. Eine richtige Anzeige, die aber oft falsch verstanden wird, weil sie sich danach nicht mehr ändert. Darum folgt hier die Erklärung des Robert-Koch-Instituts:

„Die App fängt von Tag 1 der Installation an, die Tage zu zählen. Ab Tag 14 werden die Begegnungen, die vor diesen 14 Tagen stattgefunden haben, wieder gelöscht, weil diese nicht mehr relevant für die Risiko-Ermittlung sind. Die Anzeige "14 von 14 Tagen" bedeutet also, dass die App bereits lange genug aktiv war, um die gesamten relevanten Kontakte der letzten 14 Tage zu berücksichtigen. Wenn nun ein aktuelles positives Testergebnis eingegeben wird, generiert die App eine Warnung. Dann werden die Personen informiert, mit denen der oder die Infizierte in den letzten 14 Tagen Kontakt hatte. Daher ist eine Anzeige „14 von 14 Tagen“ nach mehr als 14 Tagen korrekt.“

Auf dem iPhone, bei dem die App am gleichen Tag herunter geladen wurde, gibt es die Anzeige: „13 von 14 Tagen aktiv“, was falsch ist. Als hier die ersten 13 Tage erreicht waren, wurden am nächsten Tag nicht 14 Tage angezeigt, sondern 8 Tage. Von da an wurde dann wieder richtig weiter gezählt, bis dass die Zahl 13 erreicht, war. Diese Zahl hat sich dann in den letzten zwei Tagen nicht verändert, obwohl die App jeden Tag – wie man sehen konnte – aktualisiert wurde. - Aber was will man für 9,5 Millionen schon erwarten?

Natürlich habe ich als verantwortungsbewusster Mensch die „Macher“ auf den/die aufgetretenen Fehler aufmerksam machen wollen. Auf der App findet man auch eine 0800-Nummer, mit der man kostenlos seine Beobachtungen melden kann.

Bei meinem Anruf meldete sich die Telekom, deren netter Mitarbeiter mich nach der Hälfte meines Vortrages darauf aufmerksam machte, dass ich zwar ruhig weiter sprechen könne, aber das Problem sei bekannt. Das war am 1. Juli 2020. Seit dieser Zeit war auf meinem iPhone keine Verbesserung feststellbar, obwohl mir der freundliche Telekom-Mitarbeiter erklärte:

„Bei SAP hat man sofort Beta-Versionen entwickelt, die man gerade fieberhaft zu einer finalen Lösung verarbeitet. - Wenn Sie bitte mal zwei Minuten am Apparat bleiben, höre ich mal nach und sage Ihnen, wann das Korrektur-Update fertig gestellt ist.“

Ich habe gewartet. Weil ich Journalist bin, habe ich auch länger gewartet. Ich hatte das Handy zwischenzeitlich auf „Lautsprecher“ gestellt und neben mich gelegt, um weiter arbeiten zu können. Daher weiß ich nicht, ob es nun nach 10 oder 15 Minuten einen Signalton gab – und das Gespräch war beendet. - Ohne dass ich erfahren hätte, wann es das wichtige Update gibt.

Das machte einen eigenartigen Eindruck auf mich, so dass ich umgehend bei SAP nachgefragt habe, ob die Telekom die „Service-Gespräche“, die sich auf Beanstandungen an der Corona-Warn-App beziehen, dann insgesamt SAP berechnet. - Ich habe das schriftlich gemacht!

Der Eingang meiner E-mail wurde von SAP – meine Anfrage war an die Presseabteilung gerichtet – auch umgehend „automatisch“ beantwortet. Am 1. Juli 2020 um 10:00 Uhr konnte ich bei mir lesen:

"Vielen Dank für Ihre Kontaktaufnahme

Wir werden Ihnen die gewünschten Informationen so schnell wie möglich zur Verfügung stellen und Ihre Anfrage beantworten.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihre SAP"

Bis heute – bis zur Einstellung dieser Geschichte ins Internet - gibt es keine Antwort.

Wahrscheinlich ist man noch mit der „finalen Umsetzung“ der mit den „Beta-Versionen“ erreichten Erkenntnisse beschäftigt. Schließlich möchte man den Vorstellungen unserer Bundeskanzlerin schon nahe kommen – gegen Berechnung von 9,5 Millionen Euro – die mit Überzeugung (Was sonst?) erklärt vor Wochen versprach:

„Diese App verdient Ihr Vertrauen!“

MK/Wilhelm Hahne
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